Kreis Wesel. Schafe sind wichtig für den Hochwasserschutz. Doch die Schäfer haben Nachwuchssorgen. Maik Dünow aus dem Kreis Wesel fürchtet um das alte Wissen.
Wie wichtig der Deichschutz ist, hat sich einmal mehr an der Emscher in Dinslaken gezeigt: Nach Starkregen sind Teile des Deichs abgerutscht, eine abgesackte Brücke muss nun beseitigt werden. Ein effektives und noch dazu natürliches Mittel für den Deich- und Hochwasserschutz sind Schafe. „Sie sind das beste Mittel, um mit ihren kleinen Hufen die Grasnarben eines Deichs dicht zu bekommen, die besten Arbeiter“, sagt Harry Schulz, Deichgräf des Deichverbands Bislich-Landesgrenze, dem größten Deichverband in NRW.
Sorgen macht er sich wegen der Wölfe. Für die Schafhalter sei das existenzgefährdend, so der Deichgräf. Aber nicht allein der Wolf und die dadurch nötigen Schutzmaßnahmen stellen die Halter vor große Herausforderungen: „Die Berufsschäfer werden aussterben", so die Befürchtung von Maik Dünow, Vorsitzender der Schafhalter im Kreis Wesel. Damit gehe das alte Schäferwissen verloren.
Kreisschäfer Maik Dünow: Aktuell nur 14 Lehrlinge bundesweit
Denn seine Zunft plagen große Nachwuchssorgen. Er selbst ist 49 Jahre alt, der Altersschnitt der Berufsschäfer in Deutschland liege aber bei 65 Jahren. Nachwuchs? Schwierig zu finden. Aktuell gebe es nur 14 Lehrlinge bundesweit, Maik Dünow bildet einen von ihnen aus, zur Schule in Halle an der Saale muss dieser weit fahren. Viel Arbeit, wenig Bezahlung: „Das schreckt junge Menschen natürlich ab.“ Dünow fordert ein Umdenken, auch von seiner Zunft: „Wir haben immer von dem gelebt, was andere übrig gelassen haben.“ Er sehe sich eher als „agrarökologische Dienstleister“ – und diese Dienstleistung müsse bezahlt werden. Die Schafbeweidung werde aber nicht so ernst genommen, wie es müsste. Auch beim Deichbau wünscht er sich, dass die Schafe mehr mitgedacht würden.
„Die Schaf- und Ziegenhaltung in Nordrhein-Westfalen ist Teil unserer Landwirtschaft, sie dient der Nahrungsmittelproduktion und erbringt eine Reihe gesellschaftlich bedeutsamer Leistungen, unter anderem für die Biodiversität oder zur Pflege von Grünland und Deichen“, betont auch das Landwirtschaftsministerium die Bedeutung.
Landwirtschaftsministerium über Fördermöglichkeiten für Schafhalter
Doch inwieweit gibt es Fördermöglichkeiten? Seit diesem Jahr werde ein eine jährliche Prämie von 35 Euro pro Schaf im Rahmen EU-Flächenprämie gezahlt, diese nutzten in diesem Jahr rund 1500 Halter. Gekoppelt ist das an gewisse Voraussetzungen, Hobby-Halter könnten beispielsweise nicht profitieren, führt ein Sprecher aus. Wer noch dazu eine vom Aussterben bedrohte Rasse hält, bekommt ebenfalls eine Prämie.
Darüber hinaus gebe es weitere Programme etwa zur Bewirtschaftung extensiver Dauergrünflächen. Und: „Sofern die Schafe zur Pflege von Deichflächen genutzt werden, erfolgt gegebenenfalls eine Honorierung über die Deichverbände, zu deren Aufgaben die Unterhaltung der Deiche gehört.“
Deichgräf und Schäfer: Hochwasserschutz werde nur wahrgenommen, wenn etwas passiere
Der Deichverband Bislich-Landesgrenze setze bei der Beweidung nur auf Schafe, so Harry Schulz, der Schäfer erhalte mit dem Gras auch Futter für die Tiere. Der Deichgräf weist auf die geringen Einnahmen des Verbands hin. „Wir versuchen zu unterstützen, wo es geht.“ Der Verband zahle dafür etwas, „keine riesen Beträge“. Nicht immer erhalten die Schafhalter Geld, wenn sie ihre Tiere am Deich grasen lassen. Die Schafe aus dem Betrieb von Maik Dünow werden zum Beispiel in Mehrum, Duisburg-Walsum und Lippemündungsraum eingesetzt, eine Honorierung erhalte er nicht.
Kreisschäfer Maik Dünow sieht allerdings die Verantwortung auch woanders: „Die gesellschaftliche Leistung muss honoriert werden, dann findet man auch wieder Menschen dafür.“ Denn er und Deichgräf Schulz sind sich einig: Wie wichtig der Hochwasserschutz ist, werde immer erst dann wahrgenommen, wenn etwas passiere.
So viele Schafe werden im Kreis Wesel gehalten
- Aktuell seien 409 Schafhaltungen mit 8816 Tieren gemeldet, im vergangenen Jahr waren es noch 458 Haltungen mit 9273 Schafen, teilt der Kreis Wesel mit. Immerhin: „Die Anzahl der gehalten Tiere je Betrieb steigt seit Jahren stetig an.“
- Überwiegend kleinere Betriebe würden ihre Haltung aufgeben. Das Landwirtschaftsministerium teilt hingegen mit, dass die Zahl der Schafe in NRW gegenüber dem Vorjahr um mehr als 12 Prozent gestiegen ist.
- Unwirtschaftlichkeit insbesondere kleinerer Schaf- und Ziegenhaltungen, höhere gesetzliche Anforderungen, zudem gehe mit dem Generationenwechsel auch das Interesse an der Haltung verloren, nennt die Kreisverwaltung Gründe dafür, dass Haltungen aufgeben. „Weiterhin besteht auch die Sorge vor Wolfsübergriffen und der hiermit verbundene höhere Aufwand bei der Haltung.“