Kreis Wesel. Im Kreis Wesel stellt die Polizei auch in diesem Jahr tendenziell einen Anstieg der Ladendiebstähle fest – oft auch im Lebensmittelbereich.

Die Zahl der Ladendiebstähle ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen – auch im Kreis Wesel: von 902 auf 1169. Damit bestätigt sich ein bundesweiter Trend. Studie, Handel und Polizei führen zur Einordnung Lockdown und Pandemie heran, teilweise waren nur Geschäfte im Lebensmittelhandel geöffnet. Dazu passt, dass die Zahl der Delikte im vergangenen Jahr nur knapp über dem Wert aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 liegt, als die Polizei hier 1164 Fälle von Ladendiebstahl verzeichnete. Allerdings: Der Trend scheint sich fortzusetzen: Kann die Polizei auch keine aktuellen Zahlen für dieses Jahr nennen, so sei kreisweit tendenziell ein Anstieg zu verzeichnen, sagt Pressesprecher Björn Haubrok.

Handelsverbandsvorsitzende: Sicherung der Waren ist beschränkt

Unternehmen gingen damit nicht hausieren, aber im Grundsatz kann Doris Lewitzky, Geschäftsführerin beim Handelsverband Niederrhein und zuständig für den Kreis Wesel, diesen Trend bestätigen. „Die Hemmschwellen sind gefühlt niedriger geworden.“ Dabei sind es nicht alleine die Kundinnen und Kunden, die klauen, sondern auch Mitarbeitende greifen zu.

Die technischen Möglichkeiten, Waren zu sichern, haben sich verbessert, „die Unternehmen investieren auch“, sagt Lewitzky. Verdeckte Sicherung werde von den Unternehmen zwar mitunter genutzt, sodass ein Diebstahl beim Durchgang an der Kasse registriert werde, jedoch nicht flächendeckend. Die Sicherung der Ware sei aufwendig, die Mittel oft auch beschränkt, so Lewitzky. „Das Warenangebot draußen in der Auslage ist schwer zu überwachen.“ Kameras gebe es oft, hier stehe aber der Schutz der Mitarbeitenden etwa vor Überfällen im Fokus. Das Thema Ladendiebstähle sei nicht neu, solange sie beim Handelsverband sei, würden entsprechend Seminare zum Umgang und Schulungen von Inhabern sowie Mitarbeitern angeboten, ordnet sie zudem ein.

Polizeisprecher: „Hintergrund ist oft am Diebesgut abzulesen“

Ihre Wahrnehmung ist jedoch: Im Lebensmittelbereich – bei Alltagswaren – hat der Diebstahl zugenommen. Einen Unterschied zu früher kann Björn Haubrok nicht ausmachen, er bestätigt aber, dass die Masse der Diebstähle im Lebensmittelhandel angezeigt wird. Wenn das Geld für eine Tafel Schokolade als Geschenk oder gar lebensnotwendige Lebensmittel fehlt: Oft seien das traurige Geschichten. „Der Hintergrund ist oft am Diebesgut abzulesen.“ Oder es seien auch schon mal Kinder bei einer Mutprobe, die erwischt werden. „Nichtsdestotrotz: Diebstahl ist Diebstahl.“ Die Polizei komme in der Regel dazu, sobald jemand ertappt wird. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein.

Ist die Not der Menschen groß? Lässt sich eine Verbindung zur Inflation ziehen? Horst Vöge, Vorsitzender des Sozialverbands VdK am Niederrhein, betont, es gebe keine konkreten Erkenntnisse. Er verweist aber auf die Gemengelage nach der Corona-Pandemie, mit dem Krieg in der Ukraine und Inflation insbesondere im Einzelhandel, nennt die langen Schlangen an den Tafeln. Aus Erzählungen weiß er, dass oft am Ende des Monats kaum noch Geld da ist. „Bevor man hungert, greift man zu. Das ist sicherlich im Einzelfall so.“

Inwieweit ist der Kreis Wesel von Armut bedroht? Landesweit steige die Armutstendenz von 13 Prozent auf 18,6 Prozent, vor allem die größeren Städte und das Ruhrgebiet spielten dabei eine Rolle. Der Kreis wird in einer Erhebung zu Essen und Duisburg gezählt, die Armutserwartung für diese Region liege bei etwa 19 Prozent, betrachtet wurden Menschen zwischen 15 und 65 Jahren, erläutert Horst Vöge.

Anzeigen zu Ladendiebstählen: Zahlen für Moers, Dinslaken und Wesel

  • Natürlich spielt die Größe der Stadt eine Rolle. In Dinslaken gab es laut Angaben der Polizei im vergangenen Jahr 168 Delikte von Ladendiebstahl (Vorjahr 123). In Wesel waren es 290 und damit 112 mehr als im Jahr zuvor. 371 Ladendiebstähle wurden in Moers angezeigt – die Zahl stieg hier um 90 Fälle. Wo es mehr Geschäfte gibt, haben Diebe auch mehr Möglichkeiten, so Haubrok.