Kreis Wesel. Der Klimawandel schreitet voran: In Dinslaken ist der Emscherdeich nach Starkregen abgebrochen. Wie sicher sind Gewässer rund um Wesel und Moers?
- Nach Starkregen sind in Dinslaken Teile des Emscherdeichs abgerutscht. So stellt sich die Frage: Wie sicher sind andere Gewässer im Kreis Wesel – etwa Issel, Lippe oder Moersbach?
- Angesichts des Klimawandels betont der Sprecher von Emschergenossenschaft und Lippeverband die Notwendigkeit von Deichertüchtigungen.
- Den Zweckverband Hochwasserschutz Issel in Wesel und Hamminkeln beschäftigt derzeit die anhaltendende Durchfeuchtung und die hohen Vorkommen von Nutrias.
Dauerregen am Ende der vergangenen Woche, zuvor hatten Unwetterwarnungen die Menschen beunruhigt. Die Bilanz danach: Eine abgerutschte Böschung und eine abgesackte Eisenbahnbrücke an der Emscher in Dinslaken. Das wirft die Frage nach dem Hochwasserschutz auf – etwa an Issel, Lippe oder Moersbach.
Ilias Abawi spricht für die Gewässer von Emschergenossenschaft und Lippeverband, dessen Hauptaufgabe der Hochwasserschutz ist. „Grundsätzlich steht es sehr gut um sie, aber es wird nie einen hundertprozentigen Schutz geben“, sagt er auf Anfrage. Eine besondere Konstellation, wie sie in Dinslaken aufgetreten war, könne Probleme verursachen. „Das ist auch bei einem Topzustand möglich“, so Abawi. Wenn große Wassermengen über längere Zeit auftreten, dann könne es Probleme geben: Beispielsweise wenn die Pegel in kurzer Zeit rasant steigen, weil auch im oberen Flussverlauf Starkregen herrscht.
„Wir haben vor zwei Jahren gesagt, wir sind gut aufgestellt. Irgendwann wird das aber nicht mehr reichen“, so Abawi. Angesichts des Klimawandels seien Deichertüchtigungen – die Deiche müssen höher werden – und Retentionsflächen notwendig. Letzteres scheitert an der Verfügbarkeit von Land. Etwas geschehe aber schon, so entstehe in Oberhausen an der Emscher eine große Auefläche, die soviel Wasser zurückhalten könne, wie zehn Millionen Badewannen fassen.
An der Lippe sei weitere Renaturierung vorgesehen, um den Druck oberhalb des Kreises Wesel zu mindern. Alles in allem seien Investitionen von bis zu 500 Millionen Euro in den kommenden 15 Jahren notwendig. Emschergenossenschaft und Lippeverband haben das 2022 in einem Aktionsplan vorgelegt. Zur Umsetzung brauche es einen politischen Rahmen, beschleunigte Genehmigungen und höhere Auflagen an Neubaugebiete.
Zweckverband Hochwasserschutz Issel: Nutzrias verschlechtern Verwallung
Der Zweckverband Hochwasserschutz Issel, nicht zu verwechseln mit dem Isselverband, hat seit seiner Gründung im Jahr 2020 ein umfangreiches Programm zur Sanierung der Verwallung, zum Setzen von Spundwänden, zum Deichbau und zur Schaffung von Polderflächen als Hochwasserrückhalteräume aufgelegt, die noch mehrere Jahre in Anspruch nimmt.
Vor allem die Verwallungen, die zum Teil noch aus den ersten Jahren der Begradigung der Issel stammen, liegen im Fokus des Zweckverbandes, besonders derzeit im Siedlungsbereich Hamminkeln-Ringenberg. Dort sei geplant, „rechtsseitig der Issel im Bereich des Gewerbegebiets und im Bereich der Isselsiedlung die vorhandenen Verwallungen durch Ertüchtigung der Verwallung beziehungsweise Neubau von Hochwasserschutzwänden zu ersetzen“, heißt es auf Anfrage.
Die Verwallungen seien rechtlich gesehen keine Hochwasserschutzanlagen, auch wenn sie eine Schutzfunktion praktisch erfüllten, so der Verband weiter. Anhaltendende Durchfeuchtung und die hohen Vorkommen von Nutrias und Bisamratten verschlechterten außerdem deren Zustand. Mit Standsicherheitsprüfungen wird laut Zweckverband geprüft, ob die Verwallungen wieder verstärkt werden können oder neue Hochwasserschutzwände notwendig sind.
Darüber hinaus arbeitet der Zweckverband Hochwasserschutz Issel mit Polderflächen. Vier solcher Flächen sind in Hamminkeln geplant, außerdem zwei in Obrighoven. Dort ist außerdem ein Deich in Planung. Generell laufe beim Hochwasserschutz an der Issel alles nach Plan, sagt der Zweckverband.
Renaturierung am Moersbach: „Wie ein kleines Rückhaltebecken auf natürliche Weise“
Würde es im linksrheinischen Kreis Wesel zu einem Hochwasser kommen, wäre Ralf Kempken bei der Lineg in diesem Fall zuständiger Einsatzleiter. Die Situation ist allerdings etwas anders als auf der anderen Rheinseite, Deiche gibt es hier nicht. „Wir haben eine Vielzahl von Gewässern – aber diese sind relativ klein“, so Kempken. Am breitesten sei noch der Moersbach (drei bis fünf Meter). Zu gravierenden Überschwemmungen sei es hier in der Vergangenheit nicht gekommen, auch nicht vor zwei Jahren, als es im Ahrtal zur Katastrophe kam. Maximal steige das Wasser im Bach an und setzte kurzfristig die Acker unter Wasser.
Kempken verweist auf den ehemaligen Steinkohlebergbau etwa in Moers und Kamp-Lintfort sowie den Salzbergbau zum Beispiel im Bereich Rheinberg und Alpen. „Viele Gewässer werden durch Pumpanlagen reguliert.“ Hier ist also eine technische Überwachung möglich: Die Pegel seien online abrufbar, das System sei mit der Zentrale in Moers-Repelen verbunden, diese sei jederzeit besetzt. „Nach der Warnung des Wetterdiensts vergangene Woche haben wir die Bereitschaft verstärkt.“
Beim Thema Hochwasser spielt die Renaturierung eine große Rolle – so etwa im Falle des Moersbachs im Bereich des Schlossparks. „Das Gewässer wird verbreitert, um mehr Wasser zurückhalten zu können“, erläutert Kempken. Nach dem Regen könne das gedrosselt weitergeschickt werden. „Wie ein kleines Rückhaltebecken auf natürliche Weise angelegt.“
Simulierte Deichverteidigung: Jährliche Hochwasserschutzübung bei der Lineg
- Zwar betreut die Lineg keine Deiche in diesem Sinne, verfügt dafür aber über ein Schulungsgelände, wo Schäden im Deich dargestellt und die Verteidigung simuliert werden könne, berichtet Ralf Kempken. Erst kürzlich war die Akademie Hochwasserschutz mit Sitz in Wiesbaden zum wiederholten Mal dafür zu einem mehrtägigen Lehrgang zu Gast. Dabei werden Fachberater als koordinierendes Bindeglied im Katastrophenfall ausgebildet, so Kempken.