Kreis Wesel. Wenn Alkohol im Spiel ist, steigt die Gefahr vor sexueller Belästigung – aber nicht nur dann. Wo Betroffene im Kreis Wesel Hilfe finden.

Ausgelassene Stimmung, gute Musik, aber dann ein Schnaps oder anderes alkoholisches Getränk zu viel - und schon kann die Stimmung kippen. „Wie immer wenn viel Alkohol getrunken wird, kommt es vermehrt zu sexueller Belästigung und zu Übergriffen“, weiß Stephanie Walbrunn, Leiterin der Anlaufstelle gegen sexuelle Gewalt beim AWO Kreisverband Wesel. Die Hemmschwelle sinke, das Gehirn sei vernebelt, Grenzen würden nicht mehr wahrgenommen, führt sie aus. Walbrunn betont: Männer und Frauen können Täter und Opfer gleichermaßen sein, häufiger seien allerdings Frauen von solchen Übergriffen betroffen.

Auch beim Karneval ist regelmäßig Alkohol im Spiel. Glücklicherweise verliefen die vergangenen Karnevalstage im Kreis Wesel weitestgehend friedlich, wie es aus der Pressestelle der Kreispolizei im Nachgang heißt. Bei den großen Karnevalszügen seien keine Sexualdelikte gemeldet worden, so Polizeipressesprecher Peter Reuters. Nichtsdestotrotz gibt es im Zusammenhang mit Feierlichkeiten und Alkohol einige Dinge, auf die aus Sicherheitsgründen geachtet werden sollte.

Polizei weist auf die Gefahr durch K.o.-Tropfen hin

Eine große Gefahr lauert in K.o.-Tropfen: Im Kreis Kleve hat es zuletzt Verdachtsfälle gegeben, die Polizei dort nahm das zum Anlass, noch mal auf die Gefahr hinzuweisen. Täter gäben diese Tropfen in offen stehende Getränke, bei Mädchen und Frauen geschehe das nicht selten, um sie anschließend zu missbrauchen. „Nach der Einnahme treten oft Übelkeit und Schwindel auf, so als hätte man zu viel getrunken. Zunächst kann das Opfer noch normal reden und sich bewegen, ist aber schon leicht manipulierbar bis willenlos. Nach dem Aufwachen aus der Bewusstlosigkeit kann das Opfer sich an das Geschehene nicht oder nur vage und bruchstückhaft erinnern“, erläutert die Polizei.

Grenzen müssen immer respektiert werden. „Auch Freunde und Bekannte müssen Grenzen akzeptieren und dürfen zurückgewiesen werden“, so Polizeisprecher Peter Reuters im Kreis Wesel.
Grenzen müssen immer respektiert werden. „Auch Freunde und Bekannte müssen Grenzen akzeptieren und dürfen zurückgewiesen werden“, so Polizeisprecher Peter Reuters im Kreis Wesel. © dpa | Frank Eppler

Der Kreispolizeibehörde Wesel sind hier keine kürzlichen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit K.o.-Tropfen bekannt, nichtsdestotrotz rät auch Polizeisprecher Peter Reuters wie auch im Rahmen von anderen Feierlichkeiten, genaustens auf das eigene Getränk oder das der Bekannten zu achten: „Lassen Sie offene Getränke nicht unbeaufsichtigt stehen.“ Genauso wenig sollten bereits geöffnete Getränke von anderen, vor allem nicht von fremden Personen angenommen werden.

Party und Alkohol: Was die Polizei im Kreis Wesel rät

Die Polizei rät außerdem, aufeinander zu achten, am besten in Gruppen zu gehen und sich über den Abend im Blick zu behalten. „Treten Sie selbstbewusst auf und verbitten Sie sich belästigendes Verhalten oder Betatschen. Auch Freunde und Bekannte müssen Grenzen akzeptieren und dürfen zurückgewiesen werden“, betont die Polizei. Das Handy sollte aufgeladen und griffbereit sein, um im Ernstfall die Polizei verständigen zu können. „Bitten Sie im Notfall anwesende Personen laut um Hilfe oder rufen Sie über die 110 die Polizei – wenn Sie oder andere zum Beispiel belästigt, bedroht oder angegriffen werden.“ Der Einsatz von Reizgas sei nicht immer eine effektive Hilfe, so die Polizei. Es könne das aggressive Verhalten von Tätern steigern und dadurch das Verletzungsrisiko für das Opfer erhöhen. Und für den Heimweg gilt: „Nutzen Sie die beleuchtete Hauptstraße, nicht die dunkle schnelle Abkürzung.“

Die Mitarbeitenden der Anlaufstelle gegen sexuelle Gewalt (Awo) in Dinslaken gingen regelmäßig zwecks Präventionsveranstaltungen in die weiterführenden Schulen, sagt Stephanie Walbrunn – um etwa auf K.o.-Tropfen aufmerksam zu machen. Demonstrativ mit einem Bauchladen und Getränken, um zu zeigen, wie einfach die Verlockung ist, ein solches anzunehmen. „Es kann eben auch eine Gefahr sein“, macht sie deutlich. Wer in einer Bar, Kneipe oder Disco feiert und bemerkt, dass etwas nicht stimmt, sollte das Personal und Freunde ansprechen, rät sie. Erstmal gehe es immer darum, aus einer gefährlichen Situation herauszukommen, sagt Walbrunn. Sollte auch danach Unterstützungsbedarf bestehen, können sich Betroffene zum Beispiel an die Awo in Dinslaken, die Frauenberatung in Trägerschaft der Awo in Wesel oder auch an die Beratungsstelle Frauen helfen Frauen in Moers wenden.

Kampagne „Luisa ist hier“ soll bald auch in Moers starten

Unabhängig von Karneval kann es vorkommen, dass sich eine Frau in einer scheinbar lockeren, feierlichen Situation unwohl fühlt: zum Beispiel wenn ein Date komisch verläuft, sie sich in der Kneipe, Bar oder Diskothek bedrängt, belästigt oder bedroht wird. Um eine Lösung zu bieten, hat die Beratungsstelle Frauen-Notruf in Münster vor einigen Jahren die Kampagne „Luisa ist hier“ gestartet. Die Idee: Der Satz „Luisa ist hier“ dient als Codewort. Wer sich damit an das Personal in Gastronomiebetriebe wendet, soll Hilfe bekommen. „Ganz besonders wichtig ist, dass sich die Frau erstmal nicht erklären muss“, sagt Sabrina Itzel, Projektkoordinatorin von der Gleichstellungsstelle der Stadt Moers. Es gehe um konkrete Hilfe, zum Beispiel, ob die Polizei verständigt werden muss, oder auch nur ein Taxi gerufen oder Freunde hinzugezogen werden sollen. Der Frau solle auch erstmal ein Rückzugsort in der Gastronomie gegeben werden, so Itzel. Niederschwellig und diskret lauten hier die Stichwörter. Plakate zum Beispiel auf der Damentoilette würden darauf aufmerksam machen, dass der Betrieb an der Kampagne teilnimmt.

In Dinslaken seien vor Corona Gastronomiebetriebe dahingehend geschult worden, sagt Walbrunn. Auch in Wesel ist das geplant. In Moers ist die Kampagne „Luisa ist hier“ noch nicht gestartet, man befinde sich aber in den Startlöchern, sagt Itzel. Es gebe eine Liste mit allen Gastronomiebetrieben, nun müssten Multiplikatoren gefunden werden, die geschult werden und die Inhalte entsprechend in den Gastronomiebetrieben vermitteln. Hierzu sucht die Gleichstellungsstelle (Kontakt 02841/ 201 333) Personen, die dahingehend ehrenamtlich tätig werden wollen. Genauere Infos soll es dazu beim Frauenforum in Moers am 2. März um 18 Uhr im großen Sitzungssaal des Rathauses geben.

Weitere Informationen und Anlaufstellen - auch zur Anonymen Spurensicherung:

  • Informationen zu Anlaufstellen für Beratungsstellen gibt es zum Beispiel auch hier: https://www.kreis-wesel.de/de/kreisverwaltung/beratungsstellen-bei-haeuslicher-gewalt/
  • Sollte es zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein, nennt Stephanie Walbrunn die Möglichkeit zur Anonymen Spurensicherung (ASS) im Kreis. Das bieten die Krankenhäuser Bethanien und St. Josef in Moers an, in Wesel das Marien-Hospital und das Evangelische-Krankenhaus (EVK) sowie in Dinslaken das St. Vinzenz, Betroffene können sich zudem auch an den Fachärztlichen Qualitätszirkel der Frauenärzte am Niederrhein wenden. Verletzungen und Spuren können so gerichtsfest gesichert werden, die Daten werden für zehn Jahre gespeichert. Am besten geschehe das rasch, damit die Spuren noch zu verwerten sind, so Walbrunn. „Eine Anzeige ist belastend“, sagt sie. Mit Hilfe der Anonymen Spurensicherung können sich die Opfer auch noch zu einem späteren Zeitpunkt dafür entscheiden.