Niederrhein. In Duisburg wie den Kreisen Wesel und Kleve fürchten viele Menschen um ihre Existenz. Der VdK Niederrhein fordert schnelles Handeln der Politik.
Es geht die soziale Angst um – das bekommt der Sozialverband VdK täglich zu spüren. Angesichts stetig steigender Preise wissen viele Menschen nicht weiter, vor allem Rentnerinnen und Rentner. „Mitglieder im unteren Einkommensbereich kämpfen existenziell“, sagt VdK-Geschäftsführerin Svenja Weuster, die Not erreiche auch den Mittelstand. „1800 Euro netto reichen heute nicht mehr zum Leben“, so Vdk-Vorsitzender Horst Vöge. Zum Kreisverband am Niederrhein gehören die Kreise Wesel und Kleve sowie die Stadt Duisburg.
Wohngeld beschleunigen - Abschlagszahlungen leisten
Angesichts des steigenden Armutsrisikos begrüßt Vöge die Wohngeldreform: Die Unterstützung ist nun mehr als doppelt so hoch und viele Haushalte haben erstmals oder erstmals wieder Zugang zum Wohngeld. Wenn es denn kommt, denn: Die Software zur Bearbeitung der Anträge soll erst im April da sein, vor Juni oder Juli ist kein Geld in Sicht, fürchtet Vöge.
29 Kommunen im Verbandsgebiet Niederrhein hat der VdK angeschrieben, 21 haben seine Fragen beantwortet. Demnach rechnen die Städte und Gemeinden – je nach Größe – mit 150 bis zu 13.000 zusätzlichen Wohngeldanträgen, letzteres betrifft die Stadt Duisburg. Zwischen zwei Wochen und vier Monaten dauert die Bearbeitung laut Auskunft der Kommunen. Und: Die fünfseitigen Anträge sind kompliziert, die Menschen brauchen Hilfe bei der Ausfüllung. Hier wollen die Kommunen unterstützen, haben nach eigenen Angaben auch zusätzliches Personal eingeplant. Auch das will zunächst eingearbeitet sein.
Abschlagszahlungen vorab sind zwar rechtlich möglich, die Kommunen lehnen sie aber ab – zu aufwendig. „Wir appellieren dringend an die Kommunen, Abschlagszahlungen zu leisten“, sagt Vöge. Angesichts einer Inflationsrate von sechs bis sieben Prozent reiche auch die Rentenerhöhung von 3,5 Prozent im Juni nicht aus, „die Armutsgrenze geht nach oben“. Im Schnitt, so Vöge, erhalten Frauen in NRW 1242 Euro Rente, Männer 1752.
Pflege als Armutsrisiko für Frauen – VdK fordert Vollkasko statt Teilkasko
Die Fehler im Pflegesystem sind für pflegende Angehörige, meist Frauen, ein Armutsrisiko. Erika Heckmann, stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes am Niederrhein: „Jede vierte pflegende Frau ist armutsgefährdet“, sagt sie. Denn: 80 bis 85 Prozent der Pflegebedürftigen würden zu Hause betreut. Die Pflegenden könnten gar nicht mehr oder nicht mehr Vollzeit arbeiten, sie bekämen in der Folge eine geringere Rente. „Sie müssen sich zwischen der eigenen Altersversorgung und dem Wohl der Angehörigen entscheiden.“
Finanzielle Sorgen sind häufig der Grund dafür, dass Menschen selbst pflegen: Heimaufenthalte sind zu teuer, selbst für Tages- oder Kurzzeitpflege reicht das Pflegegeld oft nicht aus. Geht es dann nicht mehr ohne Heim, stehen Ehepartner vor der Frage, ob sie ihre Miete noch aufbringen oder das Haus noch halten können. Der VdK fordert Vollkasko statt Teilkasko in der Pflege: „Wir brauchen Lohn oder Gehalt für pflegende Angehörige und vernünftige Rentenpunkte für sie“, so Heckmann. „Wir erwarten, dass die Pflegereform auf Bundesebene endlich eingeleitet wird“, sagt Vöge. Das Bürgergeld begrüßt er, aber: „Die Sätze sind schon jetzt überholt, es wird nicht reichen.“
Krankenhäuser müssen für die Menschen erreichbar bleiben
Zur Krankenhausplanung in NRW – die Krankenhäuser sollen sich künftig stärker spezialisieren – wiederholt Horst Vöge die VdK- Forderung, dass die Häuser erreichbar bleiben müssen. „Gerade im ländlichen Raum mit seinem schwachen öffentlichen Personennahverkehr ist für ältere Menschen ein Besuch im Krankenhaus mit einer Tagesreise verbunden.“ Beispielsweise für Dinslakener, wenn das Schwerpunktkrankenhaus für Onkologie in Moers liegen würde
2023 werde unter zahlreichen Aspekten ein schwieriges Jahr, erwartet der VdK-Vorstand, gerade mit Blick auf die steigende Armut und die wachsende, große Angst vor ihr.
Der VdK am Niederrhein in Zahlen
Die Mitglieder des VdK am Niederrhein: 13.841 leben im Kreis Wesel, 8718 im Kreis Kleve und 8937 in Duisburg. Im Schnitt sind sie knapp 63 Jahre alt, deutlich mehr als die Hälfte zwischen 46 und 65 Jahren. 2257 Verfahren hat der VdK im vergangenen Jahr für seine Mitglieder geführt, 955 mit Erfolg. Zwölf Anträge, 565 Widersprüche und 270 Klagen wurden erfolgreich abgeschlossen – hier ging es um Erwerbsminderungsrenten, Schwerbehinderung, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, Pflegeversicherung und Krankenkasse. 1,8 Millionen Euro Nachzahlungen hat der VdK am Niederrhein im vergangenen Jahr juristisch erstritten.