Kreis Wesel. Vor der RVR-Infoveranstaltung zum Kies gab es eine Demonstration vor dem Weseler Kreishaus. Dazu hatten verschiedene Gruppen aufgerufen.

Um Punkt 16.30 Uhr wurde es plötzlich laut vor dem Kreishaus in Wesel. Mit Trillerpfeifen, Hörnern und Sirenen nahmen die Kiesgegner am Freitagnachmittag die Landwirte auf ihren Traktoren in Empfang, um gemeinsam ihrem Ärger Luft zu machen und gegen die weitere Ausweisung von Kiesflächen zu demonstrieren. Anlass war die Infoveranstaltung, auf der der Regionalverband Ruhr (RVR) über die dritte Offenlage des Regionalplanentwurfs informieren wollte. Darin sollen bekanntlich auch die Kiesflächen im Kreis Wesel für einen Zeitraum von 20 Jahren gesichert werden.

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Demonstranten wie Redner, unter anderem die Bürgermeister aus Kamp-Lintfort, Rheinberg und Hünxe, Christoph Landscheidt, Dietmar Heyde und Dirk Buschmann sowie Landrat Ingo Brohl, fordern weiter eine Herauslösung des Kieskomplexes aus dem Regionalplanentwurf, solange die Landesregierung an einem Landesentwicklungsplan arbeitet, der seinerseits als rechtliche Grundlage für die Regionalplanung dient. Darauf will der RVR nicht warten und stattdessen jetzt den Kiesabbau für die kommenden 20 Jahre sichern, ohne aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen.

Bürgermeister Landscheidt aus Kamp-Lintfort: „Nichts anderes als eine Farce“

„Nichts anderes als eine Farce“, nannte Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt den Informationsabend. Unter anderem, weil nicht ersichtlich sei, dass der RVR das OVG-Urteil in der Ausweisung berücksichtigt habe. Er forderte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur auf, endlich Farbe zu bekennen und auf den RVR einzuwirken. Vor der Wahl sei sie schließlich vor Ort gewesen und habe sich „als Verbündete geriert“.

Landrat Ingo Brohl spricht zu den Demonstrantinnen und Demonstranten.
Landrat Ingo Brohl spricht zu den Demonstrantinnen und Demonstranten. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

„Skandal“ riefen die Demonstrantinnen und Demonstranten immer wieder. Landrat Ingo Brohl zitierte Albert Einsteins Definition von Wahnsinn: „Immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Wenn man sage, man wolle etwas Neues, so wie es die Landesregierung in Bezug auf den Rohstoffabbau angekündigt habe, sei es „nur stumpf vom RVR, einfach so weiterzumachen“, sagte Brohl und kündigte an, sämtliche verfügbaren Rechtsmittel einzusetzen.

Leuchtenberg über Versuche von Maklern, Ackerflächen für die Kiesindustrie zu sichern

Die Demo war von den Kreis-Grünen, Niederrhein-Appell und der Kreisbauernschaft initiiert worden. Deren Vorsitzender, Johannes Leuchtenberg, berichtete über Versuche von Maklern, bereits jetzt Ackerflächen für die Kiesindustrie zu sichern. In einem Fall sei versucht worden, langfristige Pachtverträge zu verkürzen. „Skandal“, rief die Menge erneut. Andreas Köhler vom Niederrhein-Appell forderte in Hinblick auf die Landesregierung mehr Tempo bei der Ausarbeitung des Landesentwicklungsplans und „endlich Klarheit von Mona Neubaur.“ Der Ausstieg aus dem Kiesabbau „bleibt am Niederrhein auf der Tagesordnung“.

Mit Traktoren waren die Landwirte zum Kreishaus in Wesel gekommen, um zu protestieren.
Mit Traktoren waren die Landwirte zum Kreishaus in Wesel gekommen, um zu protestieren. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Einen Tag zuvor hatte die Kiesinitiative „Zukunft Niederrhein“ die Debatte in einer kontroversen Pressemitteilung weiter angefacht. Darin begrüßte sie die Infoveranstaltung des RVR im Weseler Kreishaus, kritisierte die Demonstration aber scharf und warf den Teilnehmenden vor, „wieder nur“ an Protest und Widerstand, nicht aber an einer sachlichen Diskussion über den Rohstoffabbau interessiert zu sein. „Dass hier mit großem Tamtam demonstriert werden soll, gegen Pläne, die man nicht einmal kennt“, so Zukunft-Niederrhein-Geschäftsführer Sascha Kruchen, spreche für sich. „Wer in diesen Zeiten aus persönlichen Gründen gegen Windkraftanlagen, Stromtrassen oder regionale Rohstoffgewinnung protestiert, hat offensichtlich den aktuellen Überblick verloren. Man kann nicht mehr nur darauf schauen, was vor der eigenen Haustür passiert“, so Kruchen weiter.

Dass der Protest und das Misstrauen durch die langjährige Erfahrung der Kommunen und ihrer Bevölkerung mit dem Kiesabbau gewachsen sind, darauf geht Kruchen nicht ein. Stattdessen will er den Widerstand aus dem Kreis Wesel und die Betroffenheit der hier lebenden Menschen kleinreden: „Im Gebiet des RVR leben über 5,1 Millionen Menschen. Es geht bei der Planung also um diese Bevölkerung, ihre Versorgungssicherheit mit regionalen Rohstoffen und sehr viel mehr“, so Kruchen. Die rund 8000 Einsprüche gegen Rohstoffgewinnung entsprächen demnach nur 1,5 Promille.

Kritik an Veranstaltungsort im Weseler Kreishaus

Roland Nolte vom Aktionsbündnis „Das pinke Kreuz“ aus Neukirchen-Vluyn hat dazu deutliche Worte: „Diese Dämonisierung und Marginalisierung werden wir nicht mit uns machen lassen“, sagte Nolte am Freitag im Gespräch mit der Redaktion. Bereits am Vortag hatte er auf die Pressemitteilung reagiert und Zukunft Niederrhein Tatsachenverdrehung und falsche Behauptungen vorgeworfen. Man sei weder gegen Windkraftanlagen noch gegen Stromtrassen und immer zu einem sachlichen Austausch bereit, lehne aber einseitige Veranstaltungen im alleinigen Sinne der Kiesindustrie ab. Auch sei es verwunderlich, „dass Lobbyinstitutionen wie Zukunft Niederrhein, welche die Deutungshoheit für sich beanspruchen, sich pikiert zeigen, wenn Menschen, deren Existenz betroffen sind, eine Veranstaltung wie die bevorstehende nutzen, um von ihrem Demonstrationsrecht gebrauch zu machen, und auf ihre Sorgen und Ängste hinzuweisen“.

Wer außerdem den Protest gegen noch unbekannte Kiespläne mokiere, müsse anerkennen, dass die RVR-Verbandsversammlung ihrerseits Plänen zugestimmt habe, die sie „nicht einmal kannte“, so Nolte weiter. Die Kiespläne im Regionalplanentwurf sollen erst mit Beginn der verkürzten Bürgerbeteiligung öffentlich werden. Über die dritte Offenlage informierte der RVR am Freitagabend im Anschluss an die Demonstration. Auch daran übte Roland Nolte harsche Kritik. Er wirft dem RVR vor, mit dem Kreishaus gezielt einen kleinen Veranstaltungsort ausgesucht und mit dem namentlichen Anmeldezwang eine selektive Vorauswahl des Publikums getroffen zu haben. Laut RVR hatten sich rund 180 Personen für die Veranstaltung im Kreishaus angemeldet, dazu soll es noch eine „kleine Warteliste“ gegeben haben.