Uedem. Bei der Diskussion in Uedem wurde einem Angst und Bange um die Zukunft der frühkindlichen Bildung im Kreis Kleve. Welche Kritik Experten äußern.

Die Zahlen sind unschön. In NRW fehlen über 100.000 Kita-Plätze und etwa 25.000 Fachkräfte. Neben Investitionsstau und Personalmangel gibt es auch noch eine unzureichende Finanzierung des laufenden Betriebs. Jürgen Franken, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion Kleve, hatte mehrere Gäste im Rahmen der SPD-Veranstaltungsreihe „Der springende Punkt“ ins Bürgerhaus Uedem eingeladen. Das war mit etwa 100 Besuchern bestens gefüllt.

Verwaltungen verzetteln sich in Zuständigkeitskämpfen

Und es war nicht nur für Erzieherinnen, Eltern und Träger ein brisantes Thema. Denn einmal mehr wurde klar, wie Verwaltungen das Ziel aus dem Auge verlieren und sich in ihren Zuständigkeitskämpfen verzetteln. Das zeigte Jochen Ott, der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, gleich an mehreren Beispielen – wenn etwa die Landespolitiker die Übernahme der Kosten durch Tariflohnsteigerungen bei Krankenhäusern durch den Bund fordern, aber selber nicht bereit sind, die gestiegenen Kosten bei den Kitas zu zahlen. Oder wenn bestimmte Tests an Kindern beim Schulministerium liegen, obwohl sie viel besser früher stattfänden – dann aber wäre das Jugendministerium zuständig. „Das ist alles unabhängig von den Parteien, die gerade regieren“, sagte Ott. Ein Klassiker in Deutschland: Hauptsache, man kann alles schön dokumentieren und macht keine Verfahrensfehler.

Gut besucht war die SPD-Diskussion in Uedem zum Thema Kindergärten.
Gut besucht war die SPD-Diskussion in Uedem zum Thema Kindergärten. © NRZ | Andreas Daams

Das Beispiel Dokumentation brachte auch Jutta Varola, Verbundleitung der Elterninitiative Kunterbunter Regenbogen Uedem. Denn die Bürokratie ist enorm, aber – so Ott – mit den ganzen von Kitas erstellten Unterlagen arbeitet die Schule oder das Schulministerium dann ja gar nicht weiter. Davon bekommt man als Eltern natürlich gar nichts mit. Wovon man etwas mitbekommt: „Das größte Problem ist die Notbetreuung“, sagte Anne Hochkamer, Vorsitzende des Jugendamtselternbeirat Kreis Kleve. Trotz stark gestiegener Kita-Beiträge seien Eltern immer häufiger von spontanen Kürzungen oder dem kompletten Wegfall der Kita-Betreuung betroffen.

Rücklagen bei einigen Kitas schon aufgebraucht

Was wiederum an fehlendem Personal liegt. Und jetzt kommt die absurdeste Pointe: Kitas können sich die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, die sie ja dringend brauchen, kaum noch leisten. „Ein Azubi kostet etwa 20.000 Euro pro Jahr“, erklärte Marion Kurth, Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbands Kleve. Die AWO betreibt acht Kindergärten im Kreis, wo sie 150 Kita-Mitarbeiter beschäftigt. Sie bekommt aber nur einen Bruchteil der Kosten vom Land ersetzt, den Rest müsste sie durch Kita-Beiträge finanzieren. Was aber nicht möglich ist, denn dafür sind sie viel zu niedrig. „Wir haben unsere Rücklagen aufgebraucht und in diesem Jahr auch noch Mittel des Trägers eingesetzt – das ist für 2025 nicht mehr möglich.“ Weshalb, so Ott, zahlreiche Kita vor der Schließung stehen.

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Was also tun? Ott plädiert für parteiübergreifende Verständigung. Zumal die Schuldenbremse und der Wirtschaftsrückgang um ein Prozent es dem Land NRW kaum möglich machen, ein finanzielles Füllhorn über dem Bildungswesen auszuschütten. Müssen die Kommunen das Loch schließen? Die Eltern? Sollte man mehr pauschalieren statt Zeit und Kraft in die Antragsbürokratie zu stecken? Zu allem kommt dann noch der Datenschutz. So gab es Elternbefragungen im Kreis Kleve, die die Probleme vielleicht ganz gut aufschlüsseln. „Nur dürfen die nicht kommunengenau ausgewertet werden, weil damit der Datenschutz verletzt wäre“, erzählte Anne Hochkamer. Aber wenigstens hat die Verwaltung fleißig Papier bedruckt.