Kleve. 2023 wurden nur wenige Frauen im Frauenhaus Kleve aufgenommen. Der Bedarf ist dennoch hoch. Die Gründe für diese kuriose Situation.

Im Jahr 2023 nahm das Frauenhaus Kleve so wenig Frauen und Kinder auf wie noch nie. Dies teilten Marion Kurth, Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbands Kleve, Andrea Hermanns, Leiterin des Frauenhauses und Nina Langner, stellvertretende Leiterin, jetzt in einer Pressekonferenz mit. Sie stellten den Jahresbericht 2023 vor.

Die Aufenthalte im Frauenhaus dauern länger als früher

Im Frauenhaus gibt es neun Zimmer. Die schutzsuchenden Frauen können mit ihren Kindern gemeinsam eines dieser Zimmer beziehen. Eine Küche und mehrere Badezimmer stehen zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Das ist nicht besonders komfortabel, sollte im Idealfall aber auch nur eine vorübergehende Wohnsituation sein. Neun Frauen und bis zu zwölf Kinder können zur gleichen Zeit im Frauenhaus unterkommen. Insgesamt haben im vergangenen Jahr 27 Frauen mit 31 Kindern im Frauenhaus gelebt. Neu aufgenommen wurden nur 20 Frauen mit 22 Kindern. „Das sind so wenig, wie noch nie“, sagte Andrea Hermanns, Leiterin des Frauenhauses. Das liege aber nicht daran, dass es auf einmal weniger häufig zu häuslicher Gewalt kommen würde. Die Aufenthalte im Frauenhaus dauern schlichtweg einfach länger als in den vergangenen Jahren. Sind die Zimmer länger besetzt, können auch weniger Frauen aufgenommen werden.

Leiterin des AWO-Frauenhauses in Kleve
Leiterin des AWO-Frauenhauses in Kleve © NRZ | Michael Theyssen Belichtungszeit

Die langen Aufenthalte haben verschiedene Gründe. Zum einen kommt es immer häufiger zu Sprachbarrieren. Viele Frauen aus dem Ausland können die Sprache nicht und kennen die Strukturen in Deutschland nicht. Außerdem kann es mehrere Wochen dauern, bis verschiedenste Anträge, bei deren Stellung die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses ebenfalls unterstützen, bearbeitet werden. Es sei oft nicht mehr möglich, wichtige Anlaufstellen telefonisch zu erreichen. Oft könne man nur noch Mails verschicken. Auf eine Antwort müsse man teils tagelang warten. „Wir brauchen für fast alles, was wir für die Frauen machen, länger als früher“, so Andrea Hermanns. Auch die Wohnungssuche gestaltet sich schwieriger. So wollen viele Vermieter keine Mieter, die Bürgergeld empfangen und keine sichere Arbeitsstelle haben.

Nicht alle Frauen können im Frauenhaus aufgenommen werden

Die Zimmer im Frauenhaus sind fast immer belegt. Es können nicht immer alle Frauen aufgenommen werden. Deswegen muss immer überprüft werden: Brauchen die Frauen den Schutz? Sind sie von häuslicher Gewalt betroffen? Einige Frauen, die nicht so stark auf die Sicherheit des Frauenhauses angewiesen sind, können beispielsweise auch in Hotels oder bei Freunden unterkommen. „Ich finde es immer belastend, einer Frau kein Zimmer anbieten zu können“, so die Leiterin des Frauenhauses Kleve. Generell werden Frauen aufgenommen, die häusliche Gewalt erfahren haben. Auch 2022 konnten nicht alle Frauen im Frauenhaus aufgenommen werden.

„Die Probleme fangen oft nach der Hochzeit oder Schwangerschaft an“, so Nina Langner. Das sieht man deutlich an der Altersstruktur der Frauen, die 2023 im Frauenhaus gelebt haben. Sieben der 27 Frauen waren zwischen 19 und 25 Jahren, 14 zwischen 26 und 40 Jahren und nur sechs zwischen 41 und 60 Jahren alt. Es lebten also vor allem junge Frauen und Kinder in dem Frauenhaus. Ältere Frauen seien eher selten. Die Misshandlung werden vor allem von (Ehe-) Partnern, Eltern und Schwiegereltern begangen. Von den 20 Frauen, die im vergangenen Jahr ins Frauenhaus aufgenommen wurden, erfuhren zehn eine Misshandlung durch den Ehemann, acht durch den Partner und nur zwei durch sonstige andere Personen.

Wir versuchen, das beste für die Frauen zu machen.
Marion Kurth - Geschäftsführerin AWO Kreisverband Kleve

Die Gewalt beginnt oft schleichend: Erst sind es Beleidigungen und Einschränkungen, bald folgen Schläge. „Häusliche Gewalt findet in allen sozialen Schichten statt“, sagte Andrea Hermanns. Jedoch können finanziell besser aufgestellte Frauen oft auch einen anderen Weg gehen, als in ein Frauenhaus zu ziehen. Die Mitarbeiterinnen unterstützen diese auch durch das Führen von Beratungsgesprächen.

Dass der Schritt aus einem schlechten Umfeld ein schwerer ist, sieht man auch an den Zahlen: Zehn der Frauen, die 2023 im Frauenhaus gelebt haben, waren schon vorher in einem Frauenhaus untergebracht. Es kommt nicht selten vor, dass die Frauen zurück zu den Männern gehen, die sie misshandelt haben. Das kann daran liegen, dass sie dem Schutz des Frauenhauses oder der Polizei nicht trauen. Aber auch, weil sie Angst haben, ihre Kinder zu verlieren: Meistens verlieren die Väter wegen der Gewalt gegenüber ihren Frauen nicht das Sorgerecht der Kinder. Außerdem ist es für die Männer über das Internet mittlerweile einfacher, Kontakt zu ihren Frauen und Kindern im Frauenhaus aufzunehmen und sie mit falschen Entschuldigungen und Versprechen zurück zu locken.

Die Mitarbeiterinnen unterstützen die Frauen auch nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus

Schaffen es die Frauen nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus aus ihrem alten Umfeld heraus in eine eigene Wohnung, stehen die Mitarbeiterinnen ihnen weiterhin zur Verfügung. Sie bieten eine Nachberatung an und überprüfen ab und zu, ob bei den Frauen und ihren Kindern alles in Ordnung ist.

In NRW gibt es über 60 Frauenhäuser von verschiedenen Trägern. In fast allen gibt es nicht genügend Plätze. Das große Problem ist die Finanzierung. Die Kosten des Frauenhauses in Kleve werden durch Mittel des Landes, Tagessätze des Kreises und durch Spenden gedeckt. „Wir versuchen, das Beste für die Frauen zu machen“, so Marion Kurth.

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