Kreis Kleve. Emmerich und Kleve wollen stärker gegen Auswüchse in der Leiharbeiter-Szene vorgehen. Werde das Problem nicht gelöst, gewinne die AfD.
Deutsche und niederländische Kommunen wollen im Kampf gegen die Auswüchse der Leiharbeit noch enger zusammenarbeiten. Auf einer Konferenz im Euregio-Haus erklärten Vertreter aus Emmerich, Kleve, Apeldoorn und Venray sowie Projektleiter der Hochschule Rhein-Waal und der Radboud-Universität ihre Absicht, die Strukturen zwischen Behörden, Arbeitgebern und in der Zivilgesellschaft zu stärken, wenn ausbeuterische und prekäre Arbeitsverhältnisse offensichtlich werden.
Schlechte Behandlung als Geschäftsmodell
Denn nicht nur im Kreis Kleve gibt es massive Probleme mit dem ausbeuterischen System der Leiharbeit in der Fleischwirtschaft oder im Pflegebereich. Ton Herts, Bürgermeister der Stadt Apeldoorn, berichtete, dass immer häufiger Ferienwohnungen oder Campingplätze für die Unterbringung von Leiharbeitern missbraucht würden. Die Strukturen seien mafiös und von A bis Z durchorganisiert. „Und solange die schlechte Behandlung von Leiharbeitern aus Osteuropa ein Geschäftsmodell ist, wird es dieses ausbeuterische System geben“, so Herts.
Das Euregio-Projekt „Transnationale Arbeitsmigration in der Euregio“ (TRAM) zielt darauf ab, die Strukturen und Methoden der Leiharbeitsbranche besser zu verstehen und Maßnahmen zu entwickeln, um diesen Missständen besser begegnen zu können. Das Projekt soll mithelfen, die Sozialberatung für Leiharbeitnehmer zu verbessern und aufsuchende Sozialarbeit zu implementieren. Auch die Themen Arbeit und Betrieb sowie Wohnen und Zusammenleben sollen behandelt werden.
Kontakte zu den Leiharbeitern schaffen
Der Bürgermeister von Kleve, Wolfgang Gebing, betonte, wie wichtig der direkte Kontakt zu den Zeitarbeitern sei. Deshalb müsse man mit Hilfe von Dolmetschern noch mehr Gespräche mit den Menschen führen. Dem stimmte auch Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze zu, der deutlich machte, dass oft auch rohe Gewalt die Arbeiter davon abhält, sich gegen die Verhältnisse zu wehren und Hilfe zu suchen. Die Beratungsangebote von Ebkes seien zwar gut, aber er gebe sich nicht der Illusion hin, dass rumänische oder bulgarische Leiharbeiter von sich aus das Büro aufsuchen. „Wir müssen schon auf die Leute zugehen“, sagt Hinze.
Projektleiterin Ingrid Jungwirth von der Hochschule Rhein-Waal kündigte an, innerhalb von drei Jahren einen Aktionsplan für grenzüberschreitende Sozialberatung zu entwickeln. Auch ein Podcast soll entstehen. Für die Landwirtschaft sollen spezielle Workshops angeboten werden.
Niederlande setzen auf Vergaben
Im Euregio-Haus wurde deutlich, wie vielschichtig das Problem ist und wie viele verschiedene Behörden an einem Strang ziehen müssen, um die Situation der ausgebeuteten Leiharbeitnehmer zu verbessern. Dass Leiharbeit auf europäischer Ebene grundsätzlich verboten werden kann, glaubt hier niemand. Aber allen ist klar, dass die Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt in den Grenzregionen ihre hässliche Schattenseite zeigt. Die Zeit der Coronapandemie habe die Defizite in der Fleischindustrie schonungslos aufgedeckt. Auf Bundesebene sei das Arbeitsschutzkontrollgesetz eingeführt worden. Auf niederländischer Seite fehle dieser Wandel, so Jungwirth.
Der Bürgermeister von Apeldoorn, Ton Herts, berichtete, dass in den Niederlanden Zeitarbeitsfirmen ab 2026 an Vorgaben gebunden sind. Wollen sie eine Konzession für die Fleischverarbeitung erhalten, müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen. Das neue Gesetz soll ein wichtiger Schritt sein, um menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zu verhindern. So die Hoffnung.
Bürger in Emmerich fühlen sich überfremdet
Alle Bürgermeister betonten, wie wichtig es sei, dieses Problem zu lösen. Herts sprach davon, dass sich die Stadtteile oft zu „Horrorviertel“ entwickelt hätten. Und Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze sagte: „Wenn wir drei Hähnchenschnitzel für 1,99 Euro haben wollen, werden sich diese Strukturen nicht ändern. Das müssen wir aber ändern. Denn viele Menschen sprechen mich an und sagen: Das ist nicht mehr mein Emmerich. Ich werde überfremdet. Das müssen wir in den Griff bekommen, sonst dürfen wir uns nicht wundern, dass die PVV von Wilders oder die AfD Zulauf haben.“
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