Emmerich. Ein Ehepaar hat seit Jahren Probleme mit einem Leiharbeiterhaus in der Emmericher Innenstadt. Warum sich unterm Strich nichts bessert.
Am Wochenende gehe es rund: Alkohol, laute Musik, Grillen im Garten. Das alles bis Tief in die Nacht: „Hier ist jedes Wochenende Theater“, sagt ein völlig entnervter Nachbar, der seit vier Jahren Ärger mit einem Leiharbeiterhaus in der Van-Gülpen-Straße hat. Zig E-Mails und Briefe haben er und seine Frau geschrieben, Protokolle geführt. Doch noch immer fühlt sich das Ehepaar von massiven Ruhestörungen belästigt. Ruhestörungen, die das Ordnungsamt der Stadt Emmerich so nicht bestätigen kann: Mehrere Kontrollen hätten keine Verstöße ergeben. Die Meinungen gehen weit auseinander.
Flüchten aus dem eigenen Garten
Die Nachbarn beklagen, dass kaum noch Freunde zu Besuch kommen. Die laute Musik und die Pöbeleien von der anderen Seite des Gartenzauns würden abschrecken. „Das tut sich doch keiner an“, sagt die Frau. Zwei Häuser weiter hätten die Nachbarn schon aufgegeben und ihr Haus verkauft. Wenn es zu viel wird, steigt das Ehepaar aufs Fahrrad – bloß weg.
Das Objekt an der Van-Gülpen-Straße ist der Stadt Emmerich wohlbekannt. Das Ordnungsamt war schon mehrmals in dem Haus, in dem früher 16 Leiharbeiter untergebracht waren. Heute wohnen dort zwei Familien. „Das ist bauordnungsrechtlich in Ordnung“, sagt Stadtsprecher Tim Terhorst. Die Stadt habe keine Handhabe dagegen.
Der Lärmpegel habe sich aber nicht verringert, klagen die Nachbarn. „Man hat das Gefühl, dass am Wochenende die Leiharbeiter aus halb Emmerich hier im Garten grillen“, sagt die Ehefrau. Für sie ist das ein untragbarer Zustand. Erst vor zwei Wochen sei die Polizei vor Ort gewesen und habe eine Party aufgelöst. Sie berichtet, dass Sommer wie Winter Fenster und Türen offen stünden und mit jedem Bier der Lärmpegel steige.
Protokolle führen zu nichts
Bei Bürgermeister Peter Hinze war das Ehepaar schon. Er greift auch meist sofort zum Telefonhörer, um mit dem Vermieter zu sprechen: „Dann geht es zwei Wochen gut, und dann geht alles wieder von vorne los.“ Auch die Kontrollen des Ordnungsamtes seien wenig effektiv: „Die müssen am Wochenende kommen, dann ist hier was los. Freitag, Samstag, Sonntag, immer Halligalli“, sagt der Nachbar. Bis zu 20 Leute seien dann im Garten und feiern bis in die frühen Morgenstunden. Das Ehepaar hat den Eindruck, dass die Kontrollen des Ordnungsamtes angekündigt werden: „Wir haben schon beobachtet, dass vor so einem Termin mehrere Matratzen aus dem Haus geholt und hinterher wieder reingeschleppt wurden.“
Für das Emmericher Ordnungsamt führt das Ehepaar Protokoll, wann genau es zu grenzüberschreitendem Verhalten kommt. „Mittlerweile haben wir schon einen ganzen Ordner voll. Man verliert die Lust daran, weil es zu nichts führt. Wir sind ständig in der Beweispflicht“, sagt der Mann. Das persönliche Gespräch mit dem Leiharbeiter haben sie aufgegeben. Eine Einsicht oder ein Entgegenkommen sei nicht mehr zu erwarten. Einmal sei ihr Mann mit einem Messer bedroht worden, erzählt sie.
Leiharbeitsunternehmen sind vorsichtiger geworden
Der Leiharbeiter konsumiere häufig Drogen. „Wenn der was eingeworfen hat, dann ist der auf ADHS 3plus“, sagt die Nachbarin. „Am Anfang haben wir ihm noch angeboten, Bewerbungen zu schreiben, damit er einfach aus dieser Leiharbeitsfirma rauskommt und nicht mehr so ein Leben führen muss. Wir sehen ja, unter welchen Bedingungen diese Menschen arbeiten müssen. Das ist schrecklich.“
Das Ehepaar hat auch Pagonis Pagonakis von der Gesellschaft Abeit und Leben eingeschaltet. Im Gespräch mit der NRZ erklärt er, dass die Strukturen der Zeitarbeit im Kreis Kleve komplizierter geworden seien. Aufgrund der Berichterstattung würden die Unternehmen vorsichtiger agieren. Oft sei nicht klar, wer eigentlich Vermieter ist, wer in einem Haus wohnt. „Das ist ein Hase-und-Igel-Spiel geworden“, sagt Pagonakis, der sich im Auftrag des DGB und der Landesregierung für bessere Bedingungen in der Leiharbeit einsetzt.
Eine verfahrene Situation
Die Stadt Emmerich erkennt die „verfahrene Situation“. „Wir stehen nicht achselzuckend daneben, aber es ist schwierig bis unmöglich, Menschen aus einer Wohnung zu verweisen“, sagt Tim Terhorst. Die Unverletzlichkeit der Wohnung sei im deutschen Recht ein hohes Rechtsgut. „Die Mittel, die wir haben, sind begrenzt.“
Der Fall in der Van-Gülpen-Straße beschäftige die Stadt nun schon seit drei bis vier Jahren. Zu Beginn habe es Verstöße gegen das Baurecht gegeben und dem Eigentümer sei die Nutzung untersagt worden. Mit den beiden Familien, die das Objekt jetzt bewohnen, halte man sich an die Bauordnung.
Stadt Emmerich scheiterte vor Gericht
Stadtsprecher Tim Terhorst berichtet, dass das Ordnungsamt der Stadt mehrere Kontrollen durchgeführt habe, angemeldet und unangemeldet, auch zu unterschiedlichen Zeiten: abends, am Wochenende. Größere Verstöße seien nicht festgestellt worden. Gleiches gelte für die Polizei, die nicht mehr kontrollieren wolle. Pressesprecherin Manuela Schmickler berichtet, dass es im vergangenen Jahr zwei Einsätze gegeben habe: Am 18. Mai und am 1. Januar 2024. Hier habe es um 3.35 Uhr einen Anruf wegen Ruhestörung gegeben. „Das war Silvester“, sagt sie.
Zusätzlich wurden die Nachbarn befragt, die zum Teil die Ruhestörung bestätigen. Es gebe aber auch Nachbarn, die das anders sehen. „Wir haben Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und sind damit auch vor Gericht gescheitert“, so Terhorst. „Wir sind bis zum Äußersten gegangen.“ Auch ein Schiedsverfahren und eine zivilrechtliche Auseinandersetzung habe es gegeben. Die Stadt Emmerich wundert sich, dass das Thema jetzt wieder auftaucht: „Im letzten Jahr gab es keine Beschwerden mehr“, sagt Terhorst.
Keine Beschwerden? Der NRZ liegen drei Anschreiben vom Juni 2023 vor
Ein erstes Verfahren sei 2021 eingeleitet und „nach Anhörung der Verursacher, Zustellung eines Bußgeldbescheides, entsprechendem Einspruch an die Staatsanwaltschaft zur gerichtlichen Klärung abgegeben worden. Dem Einspruch wurde stattgegeben und der Bußgeldbescheid aufgehoben“, so Terhorst. „Ein zweites Verfahren haben wir im Herbst letzten Jahres zur gerichtlichen Klärung an die Staatsanwaltschaft Kleve abgegeben. Dort ist es derzeit noch anhängig. Der Sachstand ist uns derzeit nicht bekannt.“
Der NRZ liegen drei Anschreiben von verschiedenen Anwohner vor, die im Juni 2023 an die Stadt geschickt wurden. In allen Schreiben ist die Rede von Ruhestörung, lauter Partymusik und Gegröle.
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