Kleve. Wie hoch schätzen Immobilienbesitzer den Sanierungsbedarf ihrer Häuser ein? Klever Kehrprofis sehen Kluft zum tatsächlichen Stand der Technik.

Der Bedarf ist groß, die Unsicherheit auch. So erleben es seit Monaten Gebäudeenergieberater und Schornsteinfegermeister Stefan Welberts und seine Kollegen von den Kehrprofis in Kleve-Materborn. Dort kann man sich vor Kundenanfragen derzeit kaum retten. „Zu uns kommen Kundinnen und Kunden, die in ihr Haus investieren wollen und die wissen wollen, was genau sie tun sollen“, erklärt Welberts. Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine sei der Bedarf angezogen – mit allen Folgen im Gebäudesektor.

Meist gemeinsam mit Besitzern von Eigenheimen, aber auch Eigentümern von Mehrfamilienhäusern entwickeln die Berater dann ein Konzept und entwerfen eine Prioritätenliste. „Wir analysieren dann ein Haus, finden den Ist-Zustand heraus und stellen verschiedene Varianten vor“, beschreibt Welberts. Denn: es gebe nicht die eine Lösung zur Sanierung. „Unser Angebot wird rege nachgefragt“, sagt sein Kollege Heino Bernd Röhrhoff. „Wer zu uns kommt, macht dies in der Regel ergebnisoffen.“

Meist Häuser aus den Jahren 1980 bis 1999

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Ihre Kunden haben in der Regel Häuser, die zwischen 1980 und Ende der 1990er-Jahre gebaut wurden. Auch ältere Siedlungshäuser seien dabei. Nahezu die Hälfte aller Anfragen gehe in Richtung Sanierungsmöglichkeiten. „Wir sind bei den Beratungen am Limit unserer Leistungsfähigkeit“, so die beiden erfahrenen Schornsteinfeger.

Ganz gleich, ob über eine neue Gasheizung, eine Wärmepumpe oder eine Pelletsheizung gesprochen werde, „wir beraten unsere Kunden produktneutral und unabhängig“. Das gelte im Übrigen auch für Kunden, die mit klarer Zielsetzung kämen.

Investition sollte sich auch amortisieren

„Natürlich ist das Ergebnis abhängig vom Alter und Geldbeutel“, sagt Schornsteinfegermeister Röhrhoff. So bräuchten ältere Kunden häufig Hilfestellung bei grundsätzlichen Fragen. Lohnt sich zum Beispiel der Einbau einer Erdwärmepumpe, amortisieren die Kosten sich für mich oder wäre ich mit einer neuen Gasheizung besser beraten?

Diese Lösung ist laut Gebäude-Energie-Gesetz (GEG), das ab Januar in Kraft tritt, noch möglich, wenn die Heizung defekt ist. „Gerade werden viele alte Gasheizungen durch neue ersetzt“, beobachtet Röhrhoff. Ein solcher Austausch könne durchaus der Auftakt sein, einen Sanierungsfahrplan umzusetzen, regt er an. Ab 2029 muss eine solche Anlage schließlich ohnehin einen wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien nutzen. „So könnte zum Beispiel ein Pelletofen den Grundbedarf decken, eine Gasheizung wäre als Back-up-Option denkbar“, schlägt er vor.

Das reicht nicht: Sanierungsquote liegt bei zwei Prozent der Immobilien

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Bei den Kehrprofis beobachtet man, dass es für die Bemühungen der Bundesregierung die Wärmewende einzuleiten, ein Klientel gebe, die bereit sei mitzumachen und die finanziellen Möglichkeiten dazu auch habe. Tatsächlich, so Röhrhoff, würden aktuell viele Heizungsanlagen erneuert. „Unsere Kunden wünschen sich aber genauso gut die Sanierung der Gebäudehüllen und andere bauliche Maßnahmen.“ Die Sanierungsquote liege bei ein bis zwei Prozent der Immobilien“, weiß Stefan Welberts. „Um die Klimaziele zu erreichen, wären aber gut vier Prozent nötig.“

Die Wahrnehmung der Immobilienbesitzer zum Zustand ihres Gebäudes und der objektive Stand der Technik klafften allerdings oft weit auseinander. Im Immobilien-Check 2023, den die Universität Duisburg-Essen im Auftrag der NRZ durchführte, sahen 61 Prozent der Befragten im Kreis Kleve den Sanierungsbedarf für ihre Immobilie als gering bis eher gering an. Würde die Bundesregierung ihnen 20.000 Euro zur Investition ins Haus zur Verfügung stellen, würden 43 Prozent der Menschen im Kreisgebiet in neue Haustechnik investieren. In Kleve wären es sogar 52 Prozent. 18 Prozent gäben das Geld für die Neugestaltung von Haus und Grundstück aus, 17 Prozent würden ihr Haus sanieren.

Das Gesetz gibt jetzt einen klaren Fahrplan vor

„Ob und was jemand an seinem Haus macht, muss jeder für sich selbst entscheiden“, meint Stefan Welberts. „Das ist ein höchst individuelles Empfinden.“ Was wir tun, ist Vergleichsmöglichkeiten zu geben, um eine Entscheidung zu ermöglichen.“, ergänzt Röhrhoff. Fakt aber sei, dass die hohen Energiekosten gerade viele Kunden zu ihnen trieben.

Froh sei man darüber, jetzt Klarheit zu haben, erinnert er an das „Hin und Her“ bis zum jetzt vorliegenden GEG. „Das hat so manchen Handwerker zur Verzweiflung getrieben, jetzt gibt es mit dem Gesetz einen Wegweiser wie bis 2045 vorgegangen werden kann.“ Schließlich sei es doch so, dass der Bereich Wohnen einen zentralen Stellenwert für die Menschen habe, unterstreicht Welberts und „wir sind hier im Maschinenraum der Wärmewende“. Da sei Technologie-Offenheit ein Schlüsselbegriff.

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