Kleve. Für Apothekenkunden sind Gratis-Zeitschriften ein beliebter Beifang – eine Klever Apothekerin macht jetzt Schluss damit. Das sind die Gründe.

Wer eine Apotheke betritt, begehrt oftmals nicht nur Substanzen zur Linderung von allerlei Leiden und Wehwehchen. Gerne greifen die Kunden auch auf ein großes Sortiment von Druckzeugnissen zurück – vorgehalten werden neben Salben und Tabletten auch Poster für die Kleinen (Medi & Zini) und Magazine für die Alten (Diabetes-Ratgeber, Senioren-Ratgeber). Und über allem schwebt ein Phänomen des Zeitschriften-Genres, die Apotheken-Umschau.

Das Heft, auch als „Rentner-Bravo“ verspottet, erscheint zweimal im Monat im Verlag Wort & Bild, erstmals kam es im Jahre 1956 heraus, und es hat eine Auflage, bei der Verlagsmanager anderer Medienhäuser die Tränen in die Augen schießen – rund 7,5 Millionen.

Einzigartiges Geschäftsmodell

Die Auflage ist so hoch, weil das Vertriebsmodell hinter der Apotheken-Umschau einzigartig ist: Nicht die tatsächlichen Leser kaufen es, sondern die Apotheken. Dass die Pharmazeuten das Magazin, das in verständlicher Sprache über Gesundheitsthemen aufklärt, gratis an die Kunden weitergeben, soll deren Bindung an die jeweilige Apotheke stärken und so Umsätze sichern.

Doch die Apotheken sehen sich einem verstärkten Wettbewerbsdruck, gestiegenen Kosten und auch der Inflation ausgesetzt. Viele Kunden bestellen ihre Medikamente online, und im Grenzgebiet gibt es zudem die Möglichkeit, nach Holland zu fahren, um dort bei Albert Heijn für Cent-Beträge Paracetamol und andere Klassiker zu kaufen. Allein im vergangenen Quartal gaben im Bereich Nordrhein 39 Apotheken auf.

Umfeld hat sich stetig verschlechtert

Eine Apothekerin, die auch mit wachsamen Augen auf ihre Kosten schaut, ist Silke Hans. Seit 2014 führt sie die Markt-Apotheke in Kleve am Markt an der Linde, vorher elf Jahre lang die Wasserburg-Apotheke in Rindern – und seitdem hat sich das wirtschaftliche Umfeld für Apotheker ihrer Meinung nach stetig verschlechtert. Gerade erst hat sie 73.000 Euro in neue IT investiert, eine Ausgabe, zu der sie keine Alternative hatte.

Bei der Suche nach Möglichkeiten, die Kosten zu drücken, wurde sie jetzt bei den Druckzeugnissen fündig. Mehrere hundert Euro gab sie bisher dafür monatlich aus. „Medi & Zini habe ich schon gekündigt“, berichtet Hans. „Und die Apotheken-Umschau jetzt auch. Wir sind doch kein Kiosk.“

„An der Apotheke Geld verdienen“

Allein für die Apotheken-Umschau gab Hans 58 Cent pro Heft aus. Auch bei den Kalendern will sie die Ausgaben drücken, schon ein vergleichsweise unaufwendig gestalteter Kalender kostet sie 80 Cent pro Stück. Silke Hans ist zu einer bitteren Erkenntnis gelangt: „Die Unternehmen wollen nicht mit der Apotheke Geld verdienen, sondern an der Apotheke Geld verdienen.“

Aber hat sie keine Angst, Kunden zu verlieren? „Wenn einer nicht mehr zu uns kommt, weil er die Umschau nicht kriegt, ist das bedauerlich, aber nicht zu ändern.“ Sie vertraut darauf, dass die Kunden ihr und ihrem Team die Treue halten. „Auch wir haben nichts zu verschenken.“

Aus dem Kollegenkreis gab es bisher nur anerkennende Worte für den Schritt der Klever Apothekerin. Nachdem das Portal Apotheke Adhoc über die kleine Rebellion in Kleve berichtet hatte, habe sie vielfach gehört: „Endlich sagt’s mal einer.“