Kleve. Eines der härtesten Urteile seit Jahren: Ein Klever, der 90 Kilo Heroin geschmuggelt hatte, muss 13 Jahre in Haft. Der Haupttäter kommt bald frei

Die Angehörigen des Mannes, die im Gerichtssaal saßen, nahmen den Urteilsspruch fassungslos zur Kenntnis: Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Kleve verhängte gegen einen der drei Männer, die an einem länderübergreifenden Drogenhandel beteiligt gewesen waren, eine Haftstrafe von 13 Jahren – ein so hartes Urteil in einer Drogensache hat es am Landgericht Kleve seit Jahren nicht mehr gegeben.

Verhandelt wurde ein spektakulärer Fall aus dem vergangenen Jahr, bei dem die Behörden rund 90 Kilogramm Heroin in Irland sicherstellten – seinen Ausgangspunkt hatte dieses Verbrechen in Goch genommen, wo die drei Männer in einer angemieteten Werkhalle an der Hervorster Straße Baumaschinen so präparierten, dass in Verstecken große Mengen Drogen grenzüberschreitend auf die Reise geschickt werden konnten.

Haupttäter kommt womöglich schnell frei

Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und dies als Mitglied einer Bande, so begründete der Vorsitzende Richter Winfried van der Grinten den Schuldspruch gegen den Klever. Seine beiden Mittäter, ein Brüderpaar, erhielten geringere Strafen: Acht Jahre und sechs Monate muss Patrick D. ins Gefängnis, Marc D., eigentlich der Haupttäter, erhielt sogar nur eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Und er kann wohl schon bald aus dem Gefängnis kommn – wenn er seinen Ausweis hinterlegt und den Anordnungen der Verantwortlichen des Zeugenschutzprogramms Folge leistet.

Bonuspunkte für den Angeklagten

Die milde Strafe wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in einem minderschweren Fall sah die Kammer „trotz der Riesenmenge“ als gegeben an, weil der Angeklagte „umfangreich Aufklärungshilfe geleistet habe“. Offenbar nicht nur in dem verhandelten Fall, sondern auch über weitere Zusammenhänge in der Klever Unterwelt (die Ermittlungen laufen noch) und im aktuellen Fall des Reemtsma-Entführers Thomas Drach, der gerade in Köln verhandelt wird. „Das hat Bonuspunkte gegeben“, so van der Grinten.

Diese Bonuspunkte fehlten hingegen bei den beiden anderen Angeklagten. Insbesondere die hohe Strafe gegen Pascal L. sei ohne Alternative gewesen, führte die Kammer aus. Es habe sich um eine extrem hohe Menge der gefährlichsten Droge gehandelt, es gebe eine Vorstrafe in einer Drogensache, und die aktuelle Tat habe sich während der laufenden Bewährung ereignet. Ein Geständnis gebe es nicht.

„Sie wollen mehr Geld verdienen, als sie mit ihrem eigenen Potenzial schaffen“

„Sie wollen mehr Geld verdienen, als Sie mit Ihrem eigenen Potenzial schaffen“, so zitierte van der Grinten, zum Angeklagten gewandt, den psychologischen Sachverständigen. Pascal L. selbst konsumiere zwar Drogen, eine Therapie indes hielt das Gericht für aussichtslos.

In diesem Fall ging das Gericht noch zwei Jahre über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Die beiden anderen Strafen bewegten sich etwa im Rahmen dessen, was Staatsanwalt Trepmann gefordert hatte. Die Verteidiger von Pascal L. und Patrick L. hatten jeweils Freispruch gefordert, die Anwälte des Kronzeugen eine angemessene Strafe.

Das Plädoyer des Staatsanwalts

Die Täter seien Landesliga gewesen, und sie hätten in Champions League mitspielen wollen, so formulierte es Staatsanwaltschaft Ralf Trepmann am Dienstag, als er in dem spektakulären Drogenprozess gegen drei Männer aus Kleve und Kranenburg (36, 33 und 40 Jahre alt) sein Plädoyer hielt. Der Versuch, im internationalen Drogengeschäft mitzumischen, scheiterte, und so sahen sich die Männer nun in einem Prozess, der sich über vier Monate hinzog, einem gravierenden Tatvorwurf ausgesetzt.

Das 30.000-fache der nicht geringen Menge

Einfuhr von Betäubungsmitteln, das Handeltreiben damit, und dies in einem bandenmäßig strukturierten Umfeld, so sah es der Ankläger. Beziehungsweise in einem Fall die Beihilfe zu diesen Delikten. „Es geht hier um 30.000-fache der nicht geringen Menge“, so der Staatsanwalt. Und um Heroin, das er als „Dreckszeug“ bezeichnete.

Die drei Männer sollen das Rauschgift in Baumaschinen verbaut haben. Ein Transport fand unter den Augen der Polizei statt. Bei zwei Kontrollen an den Grenzen wurde nichts gefunden. Erst bei der dritten Durchsuchung der umgebauten Hebebühne fand die Polizei in Irland 89,5 Kilogramm Heroin, versteckt in den dafür eigens manipulierten Kontergewichten der Maschine.

„Respekt, dass Sie diesen Weg gegangen sind“

Als die Hintermänner unruhig wurden, vertraute sich einer der Männer den Ermittlungsbehörden an. Was folgte, lasst sich salopp als „auspacken“ beschreiben. Staatsanwalt Trepmann berichtete von einem Aussageverhalten, das er in seiner 30-jährigen Laufbahn so noch nicht erlebt habe. „Eine bemerkenswerte Aufklärungshilfe, die weit über das Normalmaß hinausgeht“, so Trepmann. Sogar der Reemtsma-Entführer Thomas Drach war von den Aussagen des Klevers betroffen. „Ein Stück weit Respekt, dass Sie diesen Weg gegangen sind“, so der Staatsanwalt in Richtung des geständigen Angeklagten.

Der Angeklagte wurde ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Deshalb fand der Prozess unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen statt. Seine Frau und sein Kind erhielten neue Identitäten. Nicht einmal der Mann, weiß, wo sie sich aufhalten.

Absurde Schutzbehauptung, glaubt der Staatsanwalt

Belastet hatte er auch seinen Bruder und seinen Cousin. Die jedoch verteidigten sich vor Gericht dahingehend, dass sie von dem Drogenhandel nichts gewusst hätten. „Eine absurde Schutzbehauptung“, so Trepmann. „Harter Tobak.“

Deshalb fiel das geforderte Strafmaß für den Bruder und den Cousin deutlich höher aus als für den geständigen Marc D., obwohl die Tat durch ihn initiiert wurde. Pascal L., der Cousin, soll für elf Jahre hinter Gitter. Er war an der Einfuhr von Drogen beteiligt. Patrick D., der Bruder, soll nach dem Willen des Staatsanwalts eine neunjährige Haftstrafe verbüßen – er war wesentlich an der Organisation des Schmuggels beteiligt. Nur der Hauptangeklagte sollte aufgrund seiner Kooperation mit den Behörden glimpflicher davonkommen. Trepmann forderte für ihn sechs Jahre Haft.