Kleve. Willi Lenz (81) kennt sich mit den Pilzen im Reichswald aus. Der Pilzforscher aus Kellen erzählt, worauf man beim Pflücken achten sollte.
Die Sonne scheint durch das lichter werdende Blätterdach des Klever Reichswalds am Ehrenfriedhof. Rotes, gelbes, braunes Laub rieselt von den Bäumen und gibt auch dem Waldboden die unvergleichliche Färbung eines prächtigen Indian Summers. Es duftet nach Herbst. Und Pilzen. Zumindest wenn man die feine Nase eines darauf geprägten Pilzkundlers hat.
Seit drei Wochen schießen sie aus dem Boden
Ein solcher ist der 81-jährige Willi Lenz aus Kleve-Kellen. Für ihn ist zwar das ganze Jahr Pilz-Spaziergangszeit, aber auch er liebt den Herbst ganz besonders. „In den trockenen Sommermonaten war natürlich kaum so etwas wie ein Pilz zu sehen. Aber seit drei Wochen schießen sie aus dem Waldboden und den verrotteten Wurzeln und Stämmen.“
Die NRZ nahm er mit auf einem seiner Spazierrunden. Als erstes stoppt er vor einem kleinen Haufen Altholz und erklärt: „Hier klettern Schwefelköpfe am Baumstamm hoch. Und dies hier sind Rotrandige Schleimröplinge.“ Etwas weiter am Totholz der Buche wachsen die Porlinge, sehr harte Pilze, die für Dekozwecke oft genutzt werden. Dann ganz viele kleine Tintlinge, die nur ein sehr kurzes Leben haben und dann wie Tinte „wegfließen“ sozusagen.
Die Stockschwämmchen haben Doppelgänger
Ein Stück weiter ein ganzes Feld von Stockschwämmchen. Lenz warnt: „Diese hier kann man auch essen, aber sollte man besser nicht tun. Denn die Stockschwämmchen, die man essen kann, haben Doppelgänger, die sehr giftig sind. Die korrekte Bestimmung ist mittels eines Pilzbestimmungsbuches nicht immer möglich. Auch Sachverständige haben da manchmal Probleme. Also lieber stehen lassen!“ Lecker und ungefährlich hingegen seien Bovisten und der Herbstpilz Hallimasch. Wie andere Pilze auch am besten nur mit Rührei, Salz und Pfeffer braten. Fertig. „Und keine Speckwürfel dazu geben, die machen den eigentlichen Geschmack der Pilze kaputt“, findet der sachkundige Senior.
Essen kann man viele Waldpilze. Aber wer sich nicht damit auskennt, der lebt gefährlich. Auch der beliebte Steinpilz ähnelt anderen Arten. So dem Gemeinen Gallenröhrling. Dieser wird aufgrund seines bitteren Geschmacks auch Bitterling genannt und gehört nicht zu den essbaren Pilzen. „Aber der schmeckt wie er heißt: bitter!“
Auch der Maronen-Röhrling sieht dem Steinpilz ähnlich. Hier ist eine Verwechslung kein Drama – der Maronen-Röhrling ist ebenfalls ein essbarer Pilz. Aber gleichgültig ob es sich um essbare und oft verwechselbare Pilze wie Austernseitling, Birkenpilze, Champignons (wird oft mit dem hochgiftigen Knollenblätterpilz verwechselt!), Rüplinge, Stachelbärte oder Brätlinge und Co handelt – Willi Lenz lässt sie meistens stehen.
Die Pilz- und Naturfreunde Grenzland
Als Gründungsmitglied der Pilz- und Naturfreunde Grenzland weiß er um die große Bedeutung von Pilzen mit ihren weit verflochtenen Myzelnetzen. Das Pilzmyzel durchspinnt seine Nährstoffe oder Symbiose-Partner als feines Geflecht und ist der eigentliche und nicht sichtbare Pilz. „Was wir in der Regel als Pilz bezeichnen ist nur der winzige sichtbare Teil, der Fruchtkörper. Im Reichswald gibt es übrigens auch Naturwaldzellen, da ist das Sammeln von Pilzen grundsätzlich untersagt“, betont der Pilzfachmann.
Willi Lenz hat mit Gleichgesinnten im Jahr 2007 die Pilz- und Naturfreunde Grenzland gegründet. Er war 2006 von Essen an den Niederrhein und hier nach Kellen gezogen und wollte seiner früh entdeckten Leidenschaft für Pilze eine Basis geben.
Pilze am Niederrhein
„Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft (AG), kein Verein. Wir sind rund 30 Leute, von denen sich einige jeden Samstag zum Pilzspaziergang treffen. Da kann jeder kostenfrei mitmachen“, erzählt er. Da kann dann jeder am Objekt lernen, wie sich die einzelnen Pilzarten unterscheiden, welche Arten wo und zu welcher Jahreszeit wachsen, welche giftig und welche essbar sind. Es werden auch pilzfloristische Daten zur ökologischen Bestandsaufnahme und Kartierung im Kreis Kleve gesammelt. Diese Daten werden der Naturschutzbehörde des Kreises Kleve, der Forstbehörde und dem NABU weitergegeben. „Bei uns kann jeder mitmachen, Es entstehen weder Verpflichtungen, noch Kosten. Einfach anrufen und dabei sein“, lädt Willi Lenz Interessierte ein. Zu erreichen ist er unter Tel.: 02821 / 71 333 85.
„Sie werden ab heute mit anderen Augen durch den Wald gehen“, sagt er zum Abschied. Und er wird Recht behalten.