Kleve. Der Wassertourismus in Kleve könne mit einer Schleuse viel stärker gefördert werden. Hendricks fragt sich, warum so wenig dafür getan wird.

Das neue Gutachten zur städtebaulichen Entwicklung der Schleuse und des Spoykanals hat viele Ratsvertreter in Kleve überrascht. Auch Barbara Hendricks, ehemalige Bundesbauministerin und langjährige Bundestagsabgeordnete für den Kreis Kleve, saß am vergangenen Donnerstag im Klever Rathaus und verfolgte – sicht- und hörbar unzufrieden – den Verkehrsausschuss. Hendricks hatte 2019 maßgeblich dafür gesorgt, dass der Bund die Hälfte der anstehenden Sanierungs- oder Neubaukosten einer Schleuse in Kleve übernehmen wird. Worüber sich die langjährige SPD-Vorsitzende aus Kleve geärgert hat, erzählt sie im NRZ-Interview.

Ihr Blutdruck ging am vergangenen Donnerstagabend ordentlich in die Höhe. Worüber haben Sie sich aufgeregt?

Barbara Hendricks: Der Vortrag des Gutachters war unbefriedigend. Er hatte ganz offenbar von der Stadt Kleve den Auftrag erhalten, zu analysieren, was man mit dem Spoykanal machen kann, wenn es keine Schleuse mehr gibt. Mein Eindruck ist, dass die Stadtspitze eine Sportbootschleuse nicht mehr möchte und jetzt nach Argumenten sucht, um sie zu verhindern.

Sie waren 2019 mit der Stadtspitze in Berlin, um die Finanzierung der Schleuse zu regeln. Was genau haben Sie mit dem Bund ausgehandelt?

Damals ging es um die Sicherung des Haushaltsvermerkes, der eine Zusage der Co-Finanzierung der Schleuse sichert. Der Bund beteiligt sich mit 50 Prozent an den Kosten. Ich habe damals mit meinen Kollegen des Haushaltsausschusses durchgesetzt, dass dieser Vermerk, der eigentlich gestrichen werden sollte, wieder aufgenommen wurde.

Die Schleuse in Brienen-Wardhausen.
Die Schleuse in Brienen-Wardhausen. © NRZ | Andreas Gebbink

Was besagt dieser Vermerk?

Ein Haushaltsvermerk ist Teil des Haushaltsgesetzes. Das ist also nicht einfach nur ein Larifari-Vermerk, sondern das ist ein Gesetz. Darin sind verschiedene Schleusenbauwerke in der Bundesrepublik Deutschland aufgezählt und auch die Schleuse am Spoykanal. Weil der Bund sich von einigen Bundeswasserstraßen trennen möchte, hat er den Vorschlag gemacht, sich zu 50 Prozent an den Kosten von Abbruch und Neubau zu beteiligen, wenn denn eine Übernahme durch die Stadt Kleve erfolgt. Jetzt allerdings muss die Stadt Kleve endlich mal klären, welche Schritte sie zu gehen bereit ist.

Hatten Sie in Berlin schon den Eindruck, dass die Stadtspitze diese Schleuse nicht mehr möchte?

Nein, im Gegenteil. Damals hieß die Bürgermeisterin Sonja Northing und der Kämmerer war Willibrord Haas. Die wollten alle beide. Aber das scheint mir bei der neuen Stadtspitze nicht mehr so gegeben zu sein. Das besorgt mich ernsthaft, denn das hat natürlich Auswirkungen auf die Stadt: Kann man Kleve ohne Schleuse noch als Stadt am Wasser wahrnehmen?

Zudem sorgt ein regelmäßiger Schleusenvorgang für einen notwendigen Wasseraustausch. Jetzt werden schon seit Jahren regelmäßig die Algen mit einem Fahrzeug aus dem Wasser geholt, aber das ist doch keine Dauerlösung. Außerdem tötet das auch Kleinstlebewesen ab und es gibt keine Fische mehr im oberen Spoykanal. Aber die Natur regeneriert sich: Die Fische kämen wieder zurück, wenn es einen regelmäßigen Wasseraustausch geben würde.

Für „Kleve am Wasser“ ist ein Schleusenbetrieb zwingend notwendig?

Ja, weil man sonst auch keinen sinnvollen Wassersport betreiben kann. Überlegen Sie, wie beliebt das Stand-up-Paddling heute ist. Wenn die Wasserqualität des Spoykanals besser wäre, dann könnte man an der Hochschule so etwas auch anbieten. Aber so, wie das Wasser jetzt aussieht, will da doch keiner reinfallen.

Die Wasserqualität ist insgesamt schlecht. Das Wasser ist zu warm und die Qualität des Altrheinwassers ist sogar gesundheitsgefährdend. Man hört immer wieder von starken Durchfällen bei Menschen, die dort mal geschwommen sind.

Das ist ein Problem, welches die Stadt ernsthaft angehen muss. Ich versteht gar nicht, warum die Stadt Kleve nicht schon längst an die zuständigen Behörden herangetreten ist. Es gilt hier die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und die sieht eine gute Wasserqualität auch für den Altrhein vor. Es deutet doch alles darauf hin, dass dieser Fluss nicht den europäischen Vorgaben entspricht. Wenn ich Bürgermeisterin von Kleve wäre, würde ich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung unter Druck setzen und eine Frist setzen, um die Sedimente im Altrhein zu beseitigen. Wenn ich höre, dass die Sedimente nicht herausgeholt werden sollen, weil man diese dann als Sondermüll teuer entsorgen muss, dann liegt doch auf der Hand, dass die Wasserqualität nicht in Ordnung sein kann. Warum kümmert sich denn keiner darum, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung unter Druck zu sehen? Im Zweifelsfall kann man ein Verwaltungsgerichtsverfahren anstrengen. Man muss denen das nur mal klar machen.

Wir sind in einer festgefahrenen Situation. Die Stadtverwaltung scheut die Kosten, sowohl für den Unterhalt als auch für einen Neubau. 50 Prozent würden vom Bund gezahlt. Wie sehen Sie die Finanzierungschancen für die restlichen 50 Prozent?

Zunächst muss man sich über die tatsächlichen Kosten im Klaren sein. Das erste Spickermann-Gutachten von 2018 ging von Gesamtkosten von 23 Millionen Euro aus. Darin enthalten waren aber die Abbruchkosten für die bestehende Schleuse. Und das waren mehr als zwei Drittel der geschätzten Kosten (16 Mio. Euro, Anm. d. Red.). Jetzt sagt aber der Klever Tiefbauamtsleiter, dass die Kosten aufgrund der Baukostensteigerungen 30 bis 31 Millionen Euro betragen. Er rechnet aber nicht die Abbruchkosten heraus. Das ist doch eine Täuschung des Rates und der Öffentlichkeit. Denn die Abbruchkosten müssen natürlich vom Deichverband übernommen werden, der Deichverband will die Schleuse ja loswerden.

Vergleichbares gilt auch für die Unterhaltungskosten. Da wird einfach behauptet, dass diese eine Millionen Euro im Jahr betragen. Darin sind aber auch die Abschreibungen eingerechnet worden, die den Haushalt pekuniär gar nicht belasten. Was sind denn nun die tatsächlichen Betriebs- und Unterhaltungskosten einer neuen Schleuse? Dafür gibt es doch Anhaltspunkte. Es gibt in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hunderte automatisch betriebener Schleusen. Da kann man sich doch mal bei Betreibern erkundigen. Und der Betrieb ist garantiert günstiger als eine Millionen Euro im Jahr.

Sie haben den Eindruck, die Klever Stadtverwaltung rechnet die Schleuse gerade kaputt?

Die rechnen das Projekt kaputt und zwar bewusst – mit aus der Luft gegriffenen Zahlen. Auch über den Neubau einer Sportbootschleuse kann man sich mal kundig machen. Die Stadt Kleve könnte eine erfahrene, niederländische Wasserbaufirma aufsuchen und sich ein Angebot erstellen lassen. Das wäre sicherlich preiswerter als wieder ein neues, unverbindliches Gutachten in Auftrag zu geben. Warum holt man sich nicht echte Expertise anstatt einfach irgendwelche Fantasiezahlen in die Welt zu setzen?

Es ist allerdings auch völlig klar, dass eine Sportbootschleuse nur dann sinnvoll ist, wenn man einen Sportboothafen hat. Das ist der einzige Punkte, den ich in dem jetzigen Gutachten positiv wahrgenommen habe. Der Gutachter hat gesagt, dass ein Hafen auf dem Gelände der Stadtwerke sinnvoll wäre. Dass es im Jahr vor der Schließung der Schleuse nur 800 Schleusungen im Jahr gegeben hat, ist ja auch verständlich: Wo soll man als Segler in Kleve auch hin, wenn es keine attraktive Anlegemöglichkeit gibt ?

Wie sehen Sie die Chancen, dass die EU weitere Fördergelder bewilligt?

Das ist nicht ausgeschlossen, aber das muss diese Stadt selber eruieren. Wir haben doch einen Fördermittelmanager. Das wäre jetzt seine Aufgabe.

Ist so eine kleine Stadt wie Kleve mit dieser Aufgabe überfordert?

Nein. Warum soll Kleve nicht in der Lage sein, drei bis vier Millionen Euro in eine Sportbootschleuse zu investieren?