Kreis Kleve. CDU-Bundestagsabgeordneter Stefan Rouenhoff muss für seine Wiederwahl kämpfen. Im Interview spricht er über Kreis Klever Erfolge und Chancen.

Unter seinen Nachbarn muss sich Stefan Rouenhoff keine Sorgen um die Umfragewerte machen. Die Gruppe, die auf ihrer Radtour am schönen Landhaus in Hassum vorbeikommt, macht dem Kreis Klever CDU-Bundestagsabgeordneten Mut. Einer der Männer ruft dem 42-Jährigen aber auch zu: „Du musst jetzt kämpfen.“ Dies macht Rouenhoff, der in der heißen Wahlkampfphase derzeit von einem Termin zum anderen eilt. Er präsentiert sich und seine politischen Ideen.

Die Überzeugungsarbeit ist notwendig, denn der Wettbewerb um das Direktmandat ist offen. Schon dies ist eine Überraschung im Wahlkreis 112, der seit 1949 bislang immer an die Christdemokraten ging. Der Gocher kämpft diesmal jedoch nicht nur gegen die sieben Mitbewerber im Kreis Kleve, sondern vor allem auch gegen den negativen Bundestrend der CDU.

Herr Rouenhoff, wie sehr beunruhigt Sie das Umfragetief Ihrer Partei?

Natürlich bin ich von den aktuellen Umfragen nicht begeistert, aber noch ist alles offen. Die Wahl ist erst am 26. September um 18 Uhr gewonnen oder verloren. Jetzt gilt es, zu kämpfen.

Zur Person

Stefan Rouenhoff ist 42 Jahre alt und lebt gemeinsam mit seiner Partnerin, einer Grundschullehrerin, in Goch-Hassum. Er wuchs als jüngster von drei Söhnen auf dem landwirtschaftlichen Hof seiner Eltern auf.Nach dem Abitur am Städtischen Gymnasium Goch absolvierte Rouenhoff erst eine Ausbildung zum Bauzeichner und anschließend ein Diplomstudium der Volkswirtschaftslehre. Über berufliche Stationen an der Universität Bamberg und im Bundeswirtschaftsministerium gelangte er als Handelsattaché nach Brüssel zur Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU.Von 1999 bis 2004 saß Stefan Rouenhoff im Rat der Stadt Goch. Seit Mai 2016 ist er Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes Goch.

2017 distanzierten Sie als vergleichsweise neues Gesicht die SPD-Kandidatin Barbara Hendricks bei den Erststimmen deutlich mit 45,0 zu 30,6 Prozent und zogen erstmals in den Bundestag ein. Was ist in diesem Wahlkampf anders als damals?

Das Rennen ist diesmal bundesweit viel knapper, was auch daran liegt, dass Angela Merkel nicht mehr antritt. Sie ist den Menschen in unserem Land bekannt gewesen. Nun musste sich die CDU neu aufstellen. In Berlin habe ich mich in den vergangenen Jahren sehr stark für den Kreis Kleve eingesetzt. Ich hoffe, dass dieses Engagement bei der Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger im Kreis Kleve auch eine Rolle spielen wird.

Über welche politischen Erfolge für den Kreis freuen Sie sich besonders?

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Dass der Bund die 70 Millionen Euro für die Sanierung der RE-10-Bahnstrecke zur Verfügung gestellt hat, ist ein echter Meilenstein. Dafür habe ich mich mit ganzer Kraft eingesetzt und die kreisübergreifende Runde mit den politischen Parteien, der Deutschen Bahn, dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, der Nordwestbahn und dem Landesverkehrsministerium begründet. Auch die Sicherung des Flughafenstandorts Weeze ist ein großer Erfolg.

Weil der Bund künftig auch an Regionalflughäfen die Kosten für die Flugsicherung übernimmt?

Ja, genau! Ich habe für diese Mittel gekämpft, und nun ist es sogar gelungen, sie für die nächsten Jahre zu verstetigen. Und dass, obwohl hier ganz unterschiedliche Interessen aufeinander getroffen sind. Der Flughafen hat damit eine echte Perspektive. Und das ist wichtig, weil er bei uns am Niederrhein mehrere hundert Arbeitsplätze sichert und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist.

Aber ist ein kleiner Airport angesichts der dramatischen Klimakrise überhaupt zeitgemäß?

Die Mobilität der Menschen wird auf mittlere Sicht weiter zunehmen. Es geht also nicht um die Frage, wie wir den Flugverkehr aus Klimaschutzgründen einschränken, sondern vielmehr darum, wie wir das Fliegen mit neuen Technologien klimafreundlich gestalten können. Dazu passt gut die aktuelle Nachricht, dass mit Green Airlines eine neue Fluggesellschaft nach Weeze kommt.

Wie soll Deutschland das Klima schützen?

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Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 steht. Dafür müssen wir in den kommenden Jahren die erneuerbaren Energien ausbauen und den CO2-Ausstoß in allen Sektoren schrittweise reduzieren, auch im Gebäude- und Verkehrsbereich. Werfen wir einmal einen Blick auf den Verkehr: Elektromobilität wird eine wichtige, aber nicht die alleinige Rolle spielen. Wir werden einen Mix aus unterschiedlichen Antriebstechnologien sehen. Dabei werden auch Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe eine Bedeutung haben. Wichtig ist zudem: Wegen des unglaublich großen Energiebedarfs der Industrie werden wir auf Importe von erneuerbaren Energien aus dem Ausland angewiesen sein.

Welchen Beitrag können Politik und Bürger im Kreis Kleve zum Klimaschutz leisten?

Wir haben eine Reihe von Förderprogrammen auf den Weg gebracht, um die Menschen etwa bei Neubauten und Sanierungen zu unterstützen, Energie einzusparen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Diese Mittel werden auch bei uns im Kreis Kleve von vielen Bürgern in Anspruch genommen. Und das ist gut so.

Der Kreis Kleve ist eine der führenden Regionen in NRW bei der Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse. Unsere Region muss am Ende aber auch davon profitieren, etwa beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Denn ich möchte nicht, dass der Kreis nur ein Stromerzeugungsstandort für das Ruhrgebiet wird.

Sie sehen in der Wasserstofftechnik eine große Chance für den Kreis, der bei der jüngsten Förderoffensive der Bundesregierung jedoch nicht zum Zuge gekommen ist. Wie kann das Thema trotzdem vorankommen?

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Wir sind gerade dabei, ein Netzwerk zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft in unserer Region aufzubauen und befinden uns hierzu mit wichtigen Akteuren im Austausch, unter anderem mit Kreis Klever Unternehmen und der Hochschule Rhein-Waal. Ziel ist es, die Erzeuger der erneuerbaren Energien mit den Verbrauchern, beispielsweise aus dem Transportsektor, zusammenzubringen und am Ende eine Wertschöpfung zu erreichen. Das ist ein wichtiges Projekt für unsere Region. Und hieran würde ich gerne auch in der nächsten Legislaturperiode mitwirken.

Was möchten Sie darüber hinaus bei einer möglichen Wiederwahl für den Kreis Kleve erreichen?

Wir erleben einen Anstieg der grenzüberschreitenden Kriminalität. Die Niederlande sind Drehscheibe im Drogenhandel für Europa, mittlerweile werden nicht mehr Kilos, sondern Tonnen aufgegriffen. Wir können dieser Entwicklung nicht einfach zusehen. Wir brauchen neue Strukturen, damit wir schlagfertig reagieren können. Neben grenzüberschreitenden Polizeiteams benötigen wir eine Koordinierungsstelle, ein grenzüberschreitendes Polizeizentrum. Gemeinsam mit weiteren Unionsabgeordneten befinde ich mich hierzu im Austausch mit dem Bundesinnenministerium.

Als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie richtet sich Ihr Augenmerk speziell auch auf den Mittelstand. Wie sollen die Betriebe unterstützt werden?

Es besteht dringender Handlungsbedarf bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier sind wir viel zu langsam. Auch beim Bürokratieabbau hätte in den letzten Jahren mehr passieren müssen. Die Corona-Pandemie hat das Augenmerk aber auf andere Themen gelenkt. In der kommenden Legislaturperiode muss das endlich angepackt werden. Die mittelständischen Betriebe brauchen mehr Luft zum Atmen. Sie benötigen auch Freiräume, um verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren zu können. Damit steigern wir die Innovationskraft unserer Wirtschaft, die wir nach der Corona-Pandemie besonders benötigen. Höhere Steuern wären Gift für den Mittelstand, weil sie das benötigte Wirtschaftswachstum abwürgen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, müssen wir das gesamte Arbeitskräftepotenzial nutzen.

Für welche Landwirtschaftspolitik treten Sie ein?

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Wir brauchen eine wirtschaftlich erfolgreiche, gesellschaftlich akzeptierte und nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland. Dazu gehören sowohl konventionelle als auch ökologische Betriebe. Wir sind auf beide Betriebsformen angewiesen. Denn nicht jeder kann sich Bio-Produkte leisten. In beiden Bereichen arbeiten unsere Landwirte nach höchsten Standards. Das verdient Anerkennung. Die allermeisten Landwirte sind auch bereit, noch mehr für das Tierwohl und den Klima- und Umweltschutz zu unternehmen. Aber dafür benötigen sie mehr Planungssicherheit. Denn es geht regelmäßig um Millionen-Investitionen etwa in tierfreundlichere Stallungen, die sich am Ende auch rechnen müssen. Damit richtet sich der Blick auch auf die großen Handelsketten im Lebensmitteleinzelhandel. Hier müssen Preise abgerufen werden können, die auch kleinen regionalen Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive bieten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir landwirtschaftliche Produkte aus anderen Ländern mit niedrigeren Standards beziehen und unsere Abhängigkeit vom Ausland vergrößern. Und das können wir nicht wirklich wollen.

Die Corona-Krise hat weite Teile Ihrer bisherigen Zeit im Bundestag bestimmt. Wohin führt der Weg aus der Pandemie?

Es kann keinen weiteren Lockdown geben, und es ist richtig, dass die Inzidenzen nicht mehr der alleinige Maßstab sind. Für das politische Handeln sind die Zahlen zur Krankenhausbelegung viel entscheidender. Darüber hinaus müssen wir die Impfskeptiker überzeugen. Ich sage aber auch klar: Eine kleine Gruppe, die sich nicht impfen lassen möchte, kann nicht darüber bestimmen, wie sich die geimpfte Mehrheit der Bevölkerung verhalten muss. Wir können unser Land nicht abschließen, die Menschen wollen ihre Freiheit wieder leben. Und das ist auch richtig so.

Die Pandemie hat die Bedeutung eines funktionierenden Gesundheitssystems für alle klar sichtbar gemacht. Welche Anstrengungen sind nötig, um im ländlichen Kreis Kleve eine gute medizinische Versorgung zu sichern?

Die Bürger bei uns am Niederrhein erwarten zurecht eine gute und wohnortnahe medizinische Versorgung. Das gilt für den stationären wie auch für den ambulanten Bereich. Mit dem Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein können Hausärzte mit bis zu 70.000 Euro gefördert werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wichtig ist auch, Ärzte mit Hilfe anderer Instrumente in unsere Region zu bekommen, etwa mit der von NRW auf den Weg gebrachten Landarztquote. Hospitationen und Stipendien für angehende Ärzte sowie Kooperationen – etwa zwischen dem Karl-Leisner-Klinikum und dem Universitätsklinikum Düsseldorf – sind hier weitere Ansatzpunkte. Die Mediziner, die dadurch den Weg in den Kreis Kleve finden, stellen oft fest, dass man hier auch sehr gut leben kann.

Herr Rouenhoff, warum ist die Bundestagswahl in diesem Jahr besonders wichtig?

Es geht um eine politische Richtungsentscheidung: Werden wir Rot-Rot-Grün oder eine unionsgeführte Regierung bekommen? Davon hängt die Außen- und Sicherheitspolitik, die Europapolitik, die Wirtschafts- und Steuerpolitik ab. Ein konkretes Beispiel: SPD und Grüne wollen eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa. Das lehnt die Union entschieden ab. Jetzt müssen endlich die Themen im Vordergrund stehen, nachdem wir uns über alle Parteien hinweg in den letzten Wochen mit Nebensächlichkeiten beschäftigen mussten.