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Am Denkmal des Ruhrbischofs Hengsbach scheiden sich seit der Enthüllung die Geister. "Das Gesicht ist nicht ganz so gelungen“, sagt ein älteres Pärchen. Das Meinungsspektrum reicht von Bewunderung bis zum Spott über eine „barocke Karnevalsfigur“.
Wenn es stimmt, dass Kunst nicht bequem sein darf, dass man sich an ihr reiben und über sie streiten muss, dann ist da am Donnerstagabend auf dem Vorplatz des Doms Großartiges passiert. Denn kaum war das Denkmal des vor 20 Jahren verstorbenen ersten Ruhrbischofs Franz Kardinal Hengsbach enthüllt, setzten die Diskussionen ein – unter den Passanten genauso wie unter Kirchenleuten.
Das Spektrum der Meinungen reicht seither von uneingeschränkter Bewunderung bis zum Spott über eine „barocke Karnevalsfigur“, die den schönen Platz visuell runterzieht. Und mancher wunderte sich darüber, wie Bischof Franz-Josef Overbeck, Hengsbachs dritter Nachfolger im Amte, in seiner Predigt betonte, die Statue sei „nach Beschluss und auf Wunsch des Domkapitels errichtet“ worden. Klingt das nicht ziemlich nach Distanzierung?
Dass Kunst in diesem prekären Fall Geschmackssache ist, zeigen auch die Aussagen von Bürgern, die die NRZ gestern vor der Hengsbach-Skulptur nach ihrer Meinung befragte. Der Pilgerstrom ist jedenfalls seit der Enthüllung ungebrochen. Ungläubig steht etwa Dagmar Felsch aus Werden vor dem Abbild des ersten Ruhrbischofs und Kardinals. „Vom Gesicht, von der Art der Bewegung her, ist es in Ordnung. Das Farbige gefällt mir dagegen nicht, es ist kitschig. Das Grundmaterial wird durch die Farbe versteckt.“ Sie hat Hengsbach bei Prozessionen gesehen, hat ihn gut in Erinnerung. Zufrieden ist sie nicht, schüttelt den Kopf. Ob der neben dem Abbild abgelegte Strauß Blumen, dessen Blüten das Rot des Ordinats passend treffen, als Zustimmung zu verstehen sind?
Skulptur für Hengsbach
„Das Gesicht ist nicht ganz so gelungen“, sagt ein älteres Pärchen aus Werden, das lieber anonym bleiben will. Platzierung, Farbigkeit und Gewand gefällt ihm. „Wir nehmen den so an“, erklärt der Mann. „Mir gefällt dieses Lebhafte sehr gut“, sagt eine 75-jährige Frau aus Horst. Sie komme gebürtig aus Paderborn, habe Hengsbach gekannt: „Er ging stets offen auf die Menschen zu.“ Der erste Blick ist nicht für alle gleich: „Man muss es schon länger betrachten“, mischt sich eine andere Dame ein. „Der hat doch nicht sein Profil“, schimpft eine weitere ältere Frau aus Altendorf. Der Gesprächsbedarf scheint besonders bei der Generation, die Hengsbach noch hautnah miterlebt hat, groß. „Ganz original, wer kann das schon?“, wirft die Altendorferin in den Raum. Die anderen nicken. Trotz der Meinungsverschiedenheiten, ein Foto von der Skulptur machen fast alle, die am sonnigen Freitagnachmittag zu Hengsbach pilgern – und es sind nicht wenige. Ein gutes Zeichen?
Bürgern fehlt eine Info-Tafel vor Ort
„Sie ist frappierend, die Ähnlichkeit. Ich habe ihn sofort erkannt“, sagt Rüdiger Pohl. Auch den Blick auf den Dom und in Richtung des Stiftsgründers Altfrid findet er gut. Ihm fehlt eine Tafel mit Lebensdaten, auch die Symbolik mit Wolf und Lamm müsse darauf erklärt sein. „Den Siegelring hätte man markanter hervorheben können“, sieht er einen weiteren Kritikpunkt. Pohl leugnet nicht, dass auch er im ersten Moment an Pappmaché gedacht habe. Vollends begeistert ist Gisela Schruff aus Kettwig: „Er ist für uns da, er geht nicht weg, er hift mitzuerlösen“, preist sie die Kreation an. Und: „Er führt uns zum Himmel.“ Ob die Stadttauben deshalb just in dem Moment herangeflogen kommen?
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Ein Streitgespräch entwickelt sich zwischen Herbert Westpfahlen und Wolfgang Oleynig. „Fragen Sie die Leute, die meckern, wann sie zuletzt in der Kirche waren“, sagt Westpfahlen. Ihm gefällt die Arbeit, eine Tafel vermisst er ebenso. „Das ist kitschig, weil es viel zu bunt ist“, erwidert Oleynig. Er kann sich nicht vorstellen, dass es Hengsbach gefallen hätte. „Er hätte wahrscheinlich gesagt: Da hättet ihr mich auch gleich im blau-weißen Schalke-Dress hinstellen können“, spekuliert der Haarzopfer und lacht.
Abseits von Emotionen und Erinnerungen versucht Mario-Andreas von Lüttichau, Kurator im Museum Folkwang, eine Annäherung: „Es ist wahnsinnig schwierig, wenn ein Künstler versucht, so nah wie möglich beim Vorbild zu sein. Im Gegensatz zur Fotografie birgt das in der Bildhauerei großes Konfliktpotenzial“, erklärt das Mitglied der städtischen Jury „Kunst im öffentlichen Raum“. Kommentieren möchte er die Arbeit nicht, macht aber deutlich, dass seine Nichtaussage durchaus wertend sei.
Denkmal für Franz Hengsbach
Er könne sich nicht daran erinnern, dass die Skulptur Jury-Thema gewesen sei. Hengsbachs Antlitz steht zwar öffentlichkeitswirksam, aber immer noch auf dem Grundstück des Domkapitels. Wo endet die ästhetische Gerichtsbarkeit? Eine pikante Frage für viele Geschmäcker.