Essen. .
Das Bistum Essen verewigt seinen Gründungsbischof Franz Hengsbach mit einer Skulptur. Sie wird am Donnerstag feierlich vor dem Dom enthüllt.
Kleine Figuren aus Bronze stehen im Regal, daneben einige unfertige Arbeiten. Der Geruch von geschmolzenem Metall liegt in der Luft, und Funken schlagen durch die überschaubare Halle der Kunstgießerei Kayser mitten im Düsseldorfer Hafengelände. Doch ein Werk sticht unverkennbar aus der Menge hervor: ein massiver Mantel aus purer Bronze, den ein großes Kreuz ziert. Obgleich seinem Faltenwurf noch der Feinschliff fehlt: Imposant wirkt der 500 Kilogramm schwere Umhang alle Male. Und dann ist da dieses bekannte Gesicht: Es ist niemand Geringeres als der erste Bischof von Essen, Franz Hengsbach, den Silke Rehberg im Auftrag des Bistums Essen porträtiert, um ihm ein Denkmal zu setzen – 20 Jahre nach seinem Tod.
Seelsorger mit Charisma
„Die Stelle da gefällt mir noch nicht. Da muss noch ein Zentimeter ab“, weist die Bildhauerin einen Mitarbeiter der Gießerei an. Sie wirkt ruhig, albert mit Inhaber Rolf Kayser herum. Und ist dabei doch ziemlich in Eile. Denn schon am kommenden Donnerstag wird die Skulptur des Ruhrbischofs und späteren Kardinals feierlich vorm Essener Dom enthüllt – komme was wolle. So hat’s das Bistum vorgesehen. Gäste und Ehrengäste sind bereits eingeladen. „Das wird schon werden“, sagt Rehberg lässig, obgleich Kopf, Hände und Mantel nach ihrem Eindruck noch nicht richtig miteinander harmonieren. Sie brauche ab und an den Zeitdruck, scherzt die erfahrene Künstlerin, die seit fast einem Jahr am Bischof werkelt.
Im Herbst, erinnert sich Silke Rehberg, bekam sie einen Brief vom Essener Domkapitel mit der Bitte, ein Konzept für eine Hengsbach-Skulptur zu entwerfen. Damals feierte das Bistum Essen dessen 100. Geburtstag. Aber wie würdigt man einen so charismatischen Seelsorger und unermüdlichen Streiter für die Menschen im Ruhrgebiet, einen, der wie kaum ein zweiter zur persönlichen Klammer für das Revier wurde? Rehberg redete mit engen Vertrauten und Weggefährten, aber auch mit Kritikern, durchforstete Bibliotheken und Archive auf der Suche nach Informationen über die einzigartige Persönlichkeit Hengsbach. „70 Prozent waren Recherche, nur 30 Prozent Arbeit am Objekt“, sagt die Künstlerin.
Denkmal für Franz Hengsbach
Überrascht wurde sie, als sie beim Bistum nach den Maßen des Bischofs fragte. „Die konnte mir leider niemand nennen. Es hieß nur, dass er ein sehr großer Mann gewesen sei“, erinnert sich die Bildhauerin. Flugs wurden Franz Hengsbachs Messgewänder aus der Schatzkammer am Dom geholt, ein Zollstock gezückt und einfach nachgemessen. Demnach war er aber nur um die 1,76 Meter groß, was den Angaben seiner Vertrauten widersprach. „Es ist wohl seine innere Größe und seine Stärke, die den Menschen im Gedächtnis blieb“, meint die Bildhauerin, die Franz Hengsbach nie persönlich kennenlernte.
So entschied sie sich für eine Skulptur, die mit zwei Metern überlebensgroß scheint, den barmherzigen Franz Hengsbach aber prägnant und so unübersehbar für den Betrachter zum Ausdruck bringt.
Auf der Brunnenmauer am Domhof wird Hengsbach im kardinalsroten Gewand künftig stehen – auf einem Sockel in Gestalt eines schwarz patinierten Wolfs aus Bronze. „Er hängt an den Füßen des Bischofs, wie bei einem Spiegelbild im Wasser. Auf seinem Bauch liegt ein Lamm in weißer Hartkeramik“, beschreibt Rehberg. Der Bedeutungshorizont dieser Symbolik ist vielfältig: Das Arrangement erinnert an Hengsbachs Namenspatron, den heiligen Franz von Assisi, der einen Wolf durch seine Predigt bekehrt haben soll.
Sein Lächeln festhalten
Franz von Assisi wurde daher nachgesagt, gute Kontakte zur Tierwelt zu besitzen, konnte er doch Wolf und Lamm zusammenbringen. Hier wird ein zentrales Element der Lebensleistung von Franz Hengsbach erfasst, sein Willen, seine Integrationskraft, unterschiedlichste Menschen und gesellschaftliche Kräfte an einen Tisch zu bringen. „Er konnte Parteien mit oft kontroversen Meinungen zusammenführen, wie Arbeitgeber und Gewerkschaften“, sagt Silke Rehberg. Seine Lämmer waren jedoch vor allem die Bergleute und einfachen Menschen im Revier. Bei ihnen sei „der gute Bischof“ oft gewesen, freundlich, mitfühlend und lächelnd. Kinder habe er oft umarmt, die Öffentlichkeit geliebt. „Genau das wollte ich festhalten, das Lächeln des mittelalten Bischofs“, sagt die Künstlerin.
Erste Plastik abgelehnt
Deren lebensgroße Skulptur ist keineswegs das erste Werk zu Hengsbachs Ehren: Im vergangenen Jahr ließ der Essener Unternehmer Michael Spreng vom Rellinghauser Künstler Horst Schneider den Kardinal, geformt aus einem marmoriertem Steinzement anfertigen. Er habe Hengsbach, dem er mehrfach persönlich begegnet war und den er bewunderte, in den 1970er Jahren versprochen, ihm ein
Denkmal zu setzen. Aus Gronau sollte das gute Stück in die Kirche St. Gertrud kommen – als Geschenk. Aber das Ruhrbistum lehnte ab, obwohl das Fest längst arrangiert und die Gäste geladen waren. „Die Präsentation der Plastik geschieht weder mit Billigung noch Beteiligung des Bistums“, hieß es damals vom ruhrbischöflichen Stuhl.
Generalvikar Hans-Werner Thönnes formulierte an Gerhard Heusch, Pastor der St. Gertrud-Gemeinde, dass das Aufstellen der Plastik „hier keine Zustimmung gefunden“ hätte. Und so sagte Michael Spreng das Fest tief enttäuscht ab. Seither steht sein lebensgroßer Hengsbach gut verstaut in einem Lager in Essen.
Silke Rehbergs Hengsbach-Skulptur wird hingegen am nächsten Donnerstag um 16 Uhr feierlich auf dem Domhof enthüllt. Um 17.30 Uhr feiert Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck ein öffentliches
Pontifikalamt im Dom – im Beisein von Ehrenbürger Berthold Beitz, Initiativkreis-Ruhr-Moderator Bodo Hombach, Evonik-Industries-Chef Klaus Engel, Silke Rehberg und Dompropst Otmar Vieth. Dass sich – einmal aufgestellt – die sonst allgegenwärtigen Metalldiebe womöglich an der kostbaren Bronze des Kardinals zu schaffen machen könnten, wie an Vasen und Grableuchten auf Essener Friedhöfen, glaubt Otmar Vieth nicht. „Unser Domhof ist ein sicherer Ort, da passiert so etwas nicht“, meint er in großer Vorfreude auf die vollendete Skulptur. Denn gesehen hat er sie bisher noch nicht.
Bischof Franz Hengsbach – eine kurze Vita
1910 in Velmede an der Ruhr geboren, wuchs Franz Hengsbach als ältestes von acht Kindern einer Bauernfamilie auf. 1937 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. 1944 promovierte Franz
Hengsbach an der Universität Münster zum Doktor der Theologie. Sechs Jahre später wurde er Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und ebenso päpstlicher Hausprälat. 1953 ernannte ihn der Papst zum Weihbischof in Paderborn. 1958, mit der Gründung des Ruhrbistums, wurde Hengsbach erster Bischof von Essen und 1961 auch Militärbischof für die Bundeswehr. Im selben Jahr gründete er die bischöfliche Aktion Adveniat.
1984 bekam er den Ehrenring der Stadt Essen und wurde kurz darauf „Bürger des Ruhrgebiets“. 1989 begründete Franz Hengsbach den „Initiativkreis Ruhr“ mit. 1988 erhob ihn Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand. Drei Jahre später bittet er, gesundheitlich deutlich angegriffen, den Papst, ihn als Bischof von Essen aus seinem Amt zu entlassen. Der Pontifex stimmte zu. Kurz darauf verstarb Franz Hengsbach im Alter von 80 Jahren nach einer Operation in Essen.
Bildhauerin Silke Rehberg – eine Werkschau
1962 in Ahlen geboren, arbeitet Silke Rehberg nun als Bildhauerin in Sendenhorst. Die Meisterschülerin von Timm Ulrichs hat Arbeiten für den privaten und öffentlichen Raum geschaffen, in jüngerer Zeit eine Reihe kluger wie einfühlsamer Porträt-Skulpturen berühmter Personen, wie Ferrari-Formel-Eins-Chef Jean Todt, FAZ-Kunstkritiker Eduard Beaucamp und Buchhändler Walther König. Porträts des Schauspielers Karl Markovics, des Philosophen Bazon Brock und von DJ Bob stellt Rehberg zusammen mit einer Hengsbach-Büste und Skizzen aus, die während ihrer Arbeit an der Skulptur entstanden sind. Zu sehen sind sie bis Freitag, 14. Oktober, 10 bis 17 Uhr in der Domschatzkammer. Eintritt: vier, ermäßigt zwei Euro.