Essen-Rüttenscheid. Die Interessengemeinschaft Rüttenscheid hat Einzelhändlern empfohlen, sich auf Krawall einzustellen. Manche wollen schließen. Ein Stimmungsbild.

Wenn die AfD am letzten Juni-Wochenende ihren Parteitag in der Grugahalle abhält, wird das Auswirkungen auf den ganzen Stadtteil haben. Viele zehntausend Demonstrantinnen und Demonstranten werden erwartet. Die Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR) hatte jüngst Händlerinnen und Händler darauf hingewiesen, sie sollten sich Gedanken darüber machen, ob sie am 28. und 29. Juni ihre Läden schließen oder Sicherheitsmaßnahmen ergreifen wollen. Eine Umfrage unserer Redaktion zeigt: Einige wollen das Geschäft dichtmachen, andere planen zu öffnen, Gedanken machen sich die meisten. Wie berechtigt ihre Sorgen sind, wissen sie nicht. Es herrscht Unsicherheit.

Weder der Parteitag noch friedliche Demonstrationen seien grundsätzlich ein Problem, aber es sei damit zu rechnen, dass auch gewaltbereite Gruppen angezogen würden, schrieb der IGR-Vorsitzende Rolf Krane in einer Rundmail: „Keiner kann sagen, ob es harmlos verlaufen oder es zu Gewaltausbrüchen kommen wird.“ Er empfehle deshalb, über eine Schließung oder alternativ über Schutzmaßnahmen nachzudenken und den bestehenden Versicherungsschutz zu kontrollieren.

Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, sagt: „Keiner kann sagen, ob es harmlos verlaufen oder es zu Gewaltausbrüchen kommen wird.“
Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, sagt: „Keiner kann sagen, ob es harmlos verlaufen oder es zu Gewaltausbrüchen kommen wird.“ © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Rüttenscheider Boutique-Besitzer: „Ich habe kein gutes Gefühl“

Ralph Cremer, Inhaber der Boutique Edelguth, sorgt sich um die Langfrist-Folgen möglicher Krawalle für den Stadtteil. Er sei auch für Schäden durch Unruhen versichert, betont aber: „Ich befürchte einen Image-Schaden für Rüttenscheid.“ Wenn man an Bilder von den Ausschreitungen denke, wie sie zum Beispiel regelmäßig am 1. Mai in Berlin entstünden, habe er Sorge, dass sich da der Eindruck festsetze: Rüttenscheid, da kannst du nicht mehr hingehen. „Ich habe kein gutes Gefühl“, sagt der Einzelhändler. Denn neben friedlichen Demonstranten gebe es immer immer auch jene, die einfach einen Anlass suchten, um draufzuhauen.

Dazu kommt: Mindestens stundenweise werden die Rüttenscheider Straße und die Alfredstraße geschlossen, weil sie von Demo-Zügen belegt werden oder als Standort für Kundgebungen dienen. „Für mich lohnt es sich dann gar nicht, den Betrieb zu öffnen“, sagt Cremer. „Wo bekomme ich den Ausfall erstattet? Die Personalkosten trage ich ja trotzdem.“ Da springe die Versicherung nicht ein, eigentlich müsse er es der Stadt in Rechnung stellen.

Edyta Jurek-Küppers ist Geschäftsführerin von „Manufakt.Ruhr“ mit Sitz an der Rüttenscheider Straße 219. „Wir haben lange im Team darüber diskutiert. Ich habe auch zu den Mitarbeitern gesagt: Wenn ihr unsicher seid, machen wir zu“, sagt sie. Schließlich habe man sich aber zunächst entschlossen, das Team während der Demos zu verstärken. Eigentlich sei nur eine Person im Laden, jetzt sollen mehr eingesetzt werden. Falls es doch zu herausfordernden Situationen komme, schließe man früher.

Buchhändlerin aus Rüttenscheid: „Wir werden im Laden gut besetzt sein“

Irmgard Krahe von der Buchhandlung Buchkontext, die sich an der Rüttenscheider Straße unweit der U-Bahn-Station Messe Ost/Gruga befindet, sagt, man wolle erst einmal abwarten, wie sich die Lage in den kommenden Wochen entwickle und was andere Händler machten. Der aktuelle Plan sei dieser: „Wir werden im Laden gut besetzt und vorbereitet sein, falls es Randale geben sollte.“ So sei man beispielsweise darauf eingestellt, zur Not die Fenster zu schützen, und habe – wie von der IGR empfohlen – den Versicherungsschutz überprüft.

„Wir haben die Hoffnung, dass die Demos im Rahmen bleiben“, erklärt die Buchhändlerin. Immerhin sei man nicht in Hamburg oder Berlin. Andererseits habe sie den Eindruck, dass viele Demonstrationen derzeit größere Ausmaße hätten als zu früheren Zeiten.

AfD-Parteitag in Essen:

Pop-up-Store und „Charlie & Lu“ an der Rüttenscheider Straße schließen

Jan-Philip Ziebold, der die alte Kriegsruine an der Rüttenscheider Straße 128, nahe der Martinstraße, in einen Pop-up-Store mit wechselnden Anbietern verwandelt hat, kündigt an: Sein Laden bleibe am Samstag, 29. Juni, geschlossen. Gleiches gelte für das Geschäft seiner Frau, die an der Rüttenscheider Straße 200 den Kinder-Concept-Store „Charlie & Lu“ betreibt.

Das habe aber betriebswirtschaftliche Gründe, betont Ziebold: „Wir haben keine Angst um Leib und Leben.“ Vielmehr befürchte er, dass Rüttenscheid wegen der Einschränkungen am Samstag leer sein könnte. Wegen der Sperrungen lohne sich nicht, am Samstag zu öffnen. Am Freitag, 28. Juni, wo auch schon Demonstrationen angekündigt sind, blieben die Läden aber geöffnet.

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Andere Einzelhändler in Essen-Rüttenscheid verlassen sich auf die Behörden

„Relativ entspannt“ sieht Adrian Adolphs, Inhaber des Herrenausstatters Klasmeyer im südlichen Teil der Rüttenscheider Straße, dagegen die Lage. Welche Ausmaße die Demonstrationen annehmen, werde man sehen. Er plane aktuell nicht, seinen Laden geschlossen zu halten: „Ich verlasse mich zunächst auf die Polizei und das Sicherheitskonzept.“ Auch Julia Kämpchen, Inhaberin der Boutique „Traum in Tüten“ zählt sich zum „Team entspannt“. Sie gehe davon aus, dass die zuständigen Behörden die Situation stemmen.

„Wir haben darüber gesprochen und ich wollte wissen, ob vielleicht jemand verunsichert ist“, berichtet Kämpchen. Das sei in ihrer Belegschaft aber nicht der Fall gewesen. Auch über einen möglichen Verdienstausfall mache sie sich nicht allzu große Sorgen. „Die Erfahrung zeigt, dass unsere Kunden uns finden. So ist es beispielsweise auch an Karneval“, sagt die Einzelhändlerin. Und selbst, wenn doch wenig los sei: „Dann haben wir mal Zeit, ein paar Sachen abzuarbeiten.“

Stadt Essen fordert: AfD soll NS-Parolen stoppen

Die Stadt legt der AfD derweil nun doch noch eine Hürde in den Weg: Sie soll eine schriftliche, strafbewehrte Selbstverpflichtung abgeben, dass auf dem Parteitag strafbare Äußerungen wie etwa die SA-Parole „Alles für Deutschland“ und Ähnliches verhindert werden. Zudem müssten mögliche „Zuwiderhandlungen unverzüglich und wirksam unterbunden werden“. Andernfalls wird der Mietvertrag für die Grugahalle außerordentlich gekündigt. Es ist zu erwarten, dass die AfD in diesem Fall gerichtlich gegen die Kündigung vorgeht.

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