Kreis Borken. Kriminalität 2023: Warum der Widerstand gegen die Polizei deutlich sinkt. Mehr Cyberkriminalität, häusliche Gewalt und Ladendiebstähle.

„Im Kreis Borken im Westmünsterland lebt man im Verhältnis sicherer“, sagt Landrat Dr. Kai Zwicker beim Blick auf die Kriminalitätsstatistik 2023. Diese wurde am Donnerstag bei der Kreispolizeibehörde Borken vorgestellt. Die Gesamtkriminalität mit 24.539 Delikten ist um 0,2 Prozent im Vergleich zu 2022 gesunken; landesweit ist sie in dieser Zeit um 3,4 Prozent gestiegen. Und das bei einer „herausragend guten Aufklärungsquote“ von 59,8 Prozent, wie Bernd Höyng, stellvertretender Direktionsleiter Kriminalität, herausstellt: „Das sind 1500 Fälle mehr als im Vorjahr“. Die Quote liegt in NRW bei 54,2 Prozent.

Nicht eingerechnet sind hier 4276 Auslandsstraftaten, bei denen Kreis Borkener Opfer waren, aber ein Tatort nicht festgemacht werden konnte und somit die Ermittlungen nicht vorankommen. Denn bei den Betrugsdelikten steigt die Cyberkriminalität, ebenso wie die Betrugsmaschen per Chat oder am Telefon. „Es wird immer raffinierter“, beobachtet Zwicker.

Bilder im Chat empfangen? Obacht, ob das nicht Kinderpornografie ist

In der Kinder- und Jugendkriminalität ist die Zahl der Tatverdächtigen um 3,2 Prozent gesunken auf 2235. Allerdings erreicht die Zahl der Unter-14-Jährigen mit 444 einen Höchststand. Ein Faktor hier sei der Umgang mit kinderpornografischen Inhalten in Chatgruppen. Schon so ein Bild in einer Chatgruppe geöffnet zu haben und das Bild somit auf dem Handy zu speichern, stellt eine Straftat dar.

30 Prozent der Tatverdächtigen sind Ausländer (keine doppelte Staatsbürgerschaft). Ihnen werden 27 Prozent der bekannt gewordenen Straftaten zugeschrieben. Mit Blick auf den Zuwachs von etwa 5000 ausländischen Mitbürgern im Kreis Borken also relativ gering. Der Landrat lässt keine stigmatisierenden Thesen zu, dass Ausländer verstärkt für Straftaten verantwortlich seien.

Häusliche Gewalt: Polizei wird öfter als Erziehungsmaßnahme gerufen

Die Zahl der Körperverletzungen liegt mit 1926 einfachen und 542 schweren Fällen knapp über dem Vorjahr. Beide Jahre liegen deutlich über den Vorjahren, was aber einer neuen Systematik geschuldet sei, so Höyng. Bei einer Prügelei handele es sich nicht mehr um einen Fall, sondern Delikte pro beteiligter Person, die mitgeprügelt hat. Die Aufklärungsquote von 89 Prozent liegt über dem NRW-Schnitt von 86 Prozent.

Deutlich steigen die Fälle häuslicher Gewalt: von 846 in 2022 auf 913 in 2023. Zudem ist die Zahl der Wohnungsverweisungen und Rückkehrverbote von 397 auf 439 geklettert. Zu beobachten sein, dass sowohl Kinder und Jugendliche als auch überforderte Eltern zunehmend die Polizei als Erziehungsmaßnahme anriefen, so Höyng: „Auch die Hemmschwelle über Social Media zu uns Kontakt aufzunehmen, ist gesunken.“

Taser-Androhung schreckt bei Widerstand gegen die Polizei ab

Erfreulich sei der Rückgang beim Widerstand gegen die Polizei von 129 auf 108 Fälle und bei tätlichen Angriffen von 53 auf 43. Insgesamt minus 17 Prozent. Hier sei das Androhen des Taser-Einsatzes sehr effektiv: „Bei 90 Prozent der Fälle schrecken sie deshalb zurück“, schildert Bernd Loeffler, Abteilungsleiter Polizei.

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Trotz des allgemeinen Trends – in NRW plus 3 Prozent – sanken die Sexualdelikte im Kreis Borken von 877 auf 823 Fälle, was aber immer noch deutlich über den Zahlen vor der Gesetzesänderung zur Kinderpornografie liegt. Was das Teilen kinderpornografischer Bilder in Chatgruppen angehe, sei die Staatsanwaltschaft Münster sehr konsequent und restriktiv, erklärt Höyng. Ob das passive Empfangen solcher Bilder in Chatgruppen dauerhaft eine Straftat bleibt, wird zumindest schon mal überprüft. Der Polizei beschere es jedenfalls extrem viel Arbeit, die schon den Rahmen sprenge. 154 Durchsuchungen, 419 sichergestellte Endgeräte, 80 Terabyte sichergestellte Datenmengen, 73 Terabyte ausgewertete Datenmengen.

21,6 Prozent mehr Ladendiebstähle – deutlich über Vor-Corona-Niveau

Die Zahl der Diebstähle ist um 4,7 Prozent auf 8784 Fälle gestiegen. Im Land waren es gar plus 10,5 Prozent. Laden- und Fahrradiebstähle sowie die Beute aus Einbruchdelikten stünden hier vorne an, berichtet Höying. Wahrscheinlich durch immer besser gesicherte E-Bikes ist die Zahl Fahrraddiebstähle zwar um 5,5 Prozent auf 2513 Fälle gesunken, aber der durchschnittliche Schadenswert ist von 1393 auf 1600 Euro gestiegen. Intensiviert werde die Verfolgung von Diebstählen an (!) Fahrrädern, also Tachos oder Akkus.

770 Drogendelikte wären jetzt nicht mehr strafbar

Drogendelikte? Ein Plus von 11 Prozent auf 2421 Fälle mit einer Aufklärungsquote von 93 Prozent. Mit dem neuen Cannabis-Gesetz, das einen Besitz von 25 Gramm bei sich und 50 Gramm zuhause erlaubt, wären 770 Fälle rausgefallen.

Wie die Polizei künftig mit dem Thema Canabis umgehe, sei noch völlig schleierhaft: „Wir wissen von nichts. Das Gesetz ist durchgepeitscht worden“, schlägt der Landrat die Hände über dem Kopf zusammen.

Ladendiebstähle sind in NRW um 24,9 Prozent gestiegen, auch im Kreis Borken um 21,6 Prozent auf 1085 Fälle. „Damit liegen wir auch deutlich über dem Vor-Corona-Niveau“, unterstreicht Bernd Höyng. Bei den minimal gestiegenen Wohnungseinbruchdiebstählen (305 Fälle, 128 Versuche) ist die Aufklärungsquote von 33 Prozent erfreulich; NRW-Schnitt 13,4 Prozent.

8,6 Prozent mehr Vermögens- und Fälschungsdelikte

Die Zahl der Hausärzte, die ihre Leute kennen, geht zurück
Dr. Kai Zwicker - Der Landrat erklärt, warum die Polizei immer häufiger wegen unklarer Todesursache kommen muss.

Bei den Vermögens- und Fälschungsdelikten ist der Trend zur Cyberkriminalität deutlich erkennbar: plus 8,6 Prozent; 3129 Inlandsstraftaten, mit einer Aufklärungsquote von 71 Prozent, und 3638 der oben erwähnten Auslandsstraftaten.

Am Rande erwähnt seien die immer mehr werdenden Fälle von Todesermittlungen. Die Ärzte tendierten zunehmend zu einer unklaren Todesursache, was die Polizei auf den Plan ruft. Der Landrat kennt eine Ursache: „Die Zahl der Hausärzte, die ihre Leute kennen, geht zurück.“ In der Regel ergibt sich kein krimineller Hintergrund.