Rees. Firmen klagen, auch Kommunen: Es fehlen Fachkräfte. Im Rathaus Rees scheiden absehbar auch Mitarbeiter in Führungspositionen altersbedingt aus.

Es ist wohl eines der Themen unserer Zeit: Fachkräftemangel, oder besser gesagt der Mangel überhaupt an Arbeitskräften. Und das bereitet nicht nur Firmen Sorgen, sondern auch Kommunen. Die gute Nachricht: Im Reeser Rathaus ist das kein Problem – trotz anstehendem Generationswechsel in zahlreichen Führungspositionen.

Den Auftakt macht Michael Becker, Fachbereich Arbeit und Soziales, und seit 45 Jahren in der Verwaltung tätig. „Es gibt intern fähige Interessenten“, sagt Bürgermeister Sebastian Hense. Rees, fügt der 44-Jährige hinzu, sei gut aufgestellt. Es gebe nicht eine unbesetzte Stelle im Rathaus.

Das können nicht alle Verwaltungen im Kreis Kleve von sich behaupten. Immerhin sind von den zwölf Führungskräften, zählt man die stellvertretenden Fachbereichsleiter mit hinzu, sieben über 60 Jahre alt. Große Sorgen macht sich Ludger Beltermann, Fachbereichsleiter Zentrale Dienste und für Personalangelegenheit zuständig, deswegen nicht. „Wir haben wirklich genug fähige Leute unter den insgesamt 200 Beschäftigten, die für die Stadt arbeiten.“

Reeser Verwaltung will als Arbeitgeber noch attraktiver werden

Was sicher daran liegt, dass sich die Stadt seit 2016 verstärkt um den Nachwuchs gekümmert hat. „Seitdem bilden wir immer mehr junge Menschen aus, als wir eigentlich übernehmen können“, erklärt Beltermann. Jedes Jahr würden drei bis vier Auszubildende eingestellt, „zeitgleich haben wir so zehn Azubis im Haus“, sagt er. Hätte man mehr Platz, würde sogar noch mehr Nachwuchs angestellt.

Auf jeden Fall bewege man sich, was die personelle Situation betrifft, „absolut im grünen Bereich“. Wenn jemand ausscheide, passiere das seit Jahren in der Regel nur aus Altersgründen.

Dass Rees keine Probleme hat, gutes Personal zu finden und auch zu halten, unterstreicht Bürgermeister Sebastian Hense, liege sicher an dem exzellenten Betriebsklima im Haus, das er selbst schon in den Wochen, die er neu im Amt ist, schnell gespürt habe. „Wir sind aber auch ein attraktiver Arbeitgeber“, ergänzt er.

Homeoffice-Angebot wird heute von 80 Mitarbeitern genutzt

Nicht nur, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Reeser Rathaus gut bezahlt würden. „Da nutzen wir den Spielraum, den wir haben. Und immer im Sinne unserer Beschäftigten“, erläutert Ludger Beltermann. Enorm wichtig sei unter anderem auch das Homeoffice-Angebot von zwei Tagen in der Woche, das von 120 Mitarbeitern, für die das infrage kommt, 80 nutzen würden. „Bei Einstellungsgesprächen ist das für alle Bewerber immer ein Thema“, weiß Beltermann. „Deshalb werde Homeoffice auch bleiben“, stellt Hense klar, der die Attraktivität der Stadtverwaltung eher noch weiter steigern will. „Der Wettbewerb um gutes Personal zwischen den Kommunen beginnt ja erst“, ist er sich ziemlich sicher. Und wegen der vielen, auch neuen Aufgaben, etwa mit Blick auf den Klimawandel, würde wohl noch mehr Personal gebraucht.

Michael Becker, Fachbereichsleiter Arbeit und Soziales, vor den Flüchtlingsunterkünften am Melatenweg in Rees. Der 61-Jährige hört Mitte nächsten Jahres auf.
Michael Becker, Fachbereichsleiter Arbeit und Soziales, vor den Flüchtlingsunterkünften am Melatenweg in Rees. Der 61-Jährige hört Mitte nächsten Jahres auf. © Funke Foto Services | Thorsten Lindekamp

Business-Yoga wird einmal in der Woche in der Mittagspause angeboten

Rees tut jedenfalls viel dafür, attraktiv zu sein. Alle Mitarbeiter, übrigens auch viele Quereinsteiger, können Weiter- und Fortbildungsangebote nutzen, die von der Stadt rundum finanziert würden. „In den vergangenen sieben Jahren haben wir nicht einmal ein solches Ansinnen abgelehnt“, so der zuständige Personalchef. Dass es einen zinslosen Kredit für einen Fahrradkauf bis zu 2600 Euro gibt, den viele nutzen, zudem eine Fahrrad-Garage, erwähnt Jörn Franken, Pressesprecher der Stadt, nur am Rande. Und dass man beim Business-Yoga einmal in der Woche in der Mittagspause auf der Empore des Bürgerhauses mitmachen kann, was derzeit 15 Rathaus-Mitarbeiter gerne in Anspruch nehmen, gehört auch zur Wohlfühl-Atmosphäre.

Viele Führungskräfte haben absehbar bald Pensionsalter erreicht

Wie gesagt: Michael Becker (61) eröffnet jetzt also den Reigen der Führungskräfte, die absehbar aus dem Amt scheiden werden. Andreas Mai (Kämmerer), Elke Strede (Fachbereich Bauen), Ludger Beltermann (Zentrale Dienste) sowie Heinz Streuff (Wirtschaftsförderung) und weitere Stellvertreter schließen sich an: Sie alle sind entweder 60 Jahre und älter oder werden bald das Alter erreicht haben. „Ich hätte sie alle lieber noch viel länger im Boot“, sagt Sebastian Hense. Was eben auch für Michael Becker gilt, der schon seine Ausbildung im Rathaus absolviert hat und sich schwerpunktmäßig unter anderem um die Unterbringung von Flüchtlingen kümmert.

Michael Becker will weiter in Rees ehrenamtlich tätig sein

Becker scheidet aber definitiv Mitte nächsten Jahres aus, will wohl weiter ehrenamtlich tätig bleiben. „Dann kann ich mit den Menschen arbeiten und habe nicht mehr den Druck, für die Menschen arbeiten zu müssen und beispielsweise für die Unterbringung zu sorgen“, erklärt Becker, der seit zwölf Jahren seinen Fachbereich leitet. Reisen, Radeln Joggen, Garten, Lesen: Für all das habe er dann endlich wieder mehr Zeit, sagt Becker, der ja auch Geschäftsführer beim DJK TuS Esserden e.V. ist, ebenso beim von ihm mitgegründeten Leben Trust Förderverein Rees e.V., der in Indien tätig ist. Da will er sich auch weiter engagieren.

Michael Becker weiß jedenfalls: Wenn er aus dem Amt scheidet, ist das Rathaus-Team weiter gut aufgestellt. Das dürfte auch für die Bürger eine gute Nachricht sein.