Kreis Kleve. In 2023 gab es im Kreis Kleve erneut schwere, teils tödliche Unfälle. Um die Ursachen zu finden, ist nun ein neues Team der Polizei im Einsatz.

  • Im Kreis Kleve gibt es ein neues Unfallaufnahmeteam
  • Neben Polizeibeamten gehören auch Kfz-Experten zum Team
  • Aufnahmen einer 3D-Vermessung sind enorm hilfreich

Die Zahl der schweren Verkehrsunfälle im Kreis Kleve reißt nicht ab. In den ersten zweieinhalb Monaten registriert die Polizei bereits wieder drei Unfälle, bei denen Menschen gestorben sind. Zudem gab es mehrere Unfälle bei denen Autofahrer schwer verletzt wurden – zuletzt waren es die beiden Frauen, die nach einem Zusammenstoß auf der Uedemer Straße in Kleve in Lebensgefahr schwebten. Doch wie kann das passieren? Was ist im Einzelfall genau geschehen? War es ein Fahrfehler? Liegt überhöhte Geschwindigkeit oder technisches Versagen zugrunde? Ein neues Einsatzteam der Polizei geht diesen Fragen mit neuer Technik nach.

Das Unfallaufnahmeteam der Polizei im Kreis Kleve: Christian Sistermanns, Andreas Terlinden, Kerem Eroglu, Jochen Keßler, Leiterin Christina Rabs, Joanna Weyers, Jana Möllers und der stellv. Leiter Boris Weber. Ganz rechts: Landrat Christoph Gerwers. Es fehlen: Janine van den Boom und Robin Übach.
Das Unfallaufnahmeteam der Polizei im Kreis Kleve: Christian Sistermanns, Andreas Terlinden, Kerem Eroglu, Jochen Keßler, Leiterin Christina Rabs, Joanna Weyers, Jana Möllers und der stellv. Leiter Boris Weber. Ganz rechts: Landrat Christoph Gerwers. Es fehlen: Janine van den Boom und Robin Übach. © NRZ | Andreas Gebbink

Diese Bilder möchte man sich am liebsten gar nicht lange angucken: Völlig zertrümmerte Autos, eingeklemmte Menschen hinterm Steuern, zahlreiche Spuren auf den Straßen - bei Unfällen mit Todesfolge gleicht der Unfallort meist einem Trümmerfeld. Um nachvollziehen zu können, was eigentlich geschehen ist, braucht es Menschen mit guten Nerven, einem geschultem Auge - und moderner Technik.

Das neue Team rückt zu allen schweren Verkehrsunfällen raus

Über diese Expertise verfügen Christina Rabs und Boris Weber, die zum neuen, zehnköpfigen Unfallaufnahmeteam der Kreispolizei in Kleve gehören. Lediglich 17 solcher Teams gibt es in NRW - der Kreis Kleve bildet einen Schwerpunkt, weil hier besonders häufig schwere Verkehrsunfälle geschehen. 2022 waren es 20 mit 23 Toten. Seit dem ersten Januar rückt jetzt bei jedem Unfall mit Toten oder lebensgefährlich verletzten Menschen das Unfallteam aus.

So sieht eine neue 3D-Aufnahme eines Unfallortes aus.
So sieht eine neue 3D-Aufnahme eines Unfallortes aus. © Kreispolizeibehörde Kleve | Kreispolizeibehörde Kleve

Ein wichtiges Mittel zur Rekonstruktion eines Unfalls ist die Auswertung von technischen Daten moderner Autos. Auch die Aufnahmen einer 3D-Vermessung sind enorm hilfreich. Auf den Millimeter genau kann die Polizei mit einem speziellen 3D-Scanner eine Unfallstelle erfassen: Lage der Fahrzeuge, Bremswege, andere Fahrzeugspuren - alles wird erfasst. Der Scanner wird an mehreren Stellen aufgebaut und immer wieder werden neue Bilder gemacht und so ein 3D-Bild erzeugt.

Spuren und Daten helfen bei der Unfallrekonstruktion

Das Datenblatt eines Crash-Data-Recorders. 
Das Datenblatt eines Crash-Data-Recorders.  © Kreispolizeibehörde Kleve | Kreispolizeibehörde Kleve

Für ein Monobild kommt eine Drohne zum Einsatz, die den gesamten Unfallraum erfasst. Auch das sei eine enorme Erleichterung. Die Auswertung der Unfallaufnahme erfolgt in mühsamer Kleinstarbeit am Computer. „Das ist sehr zeitaufwendig“, sagt Polizeioberrat Achim Jaspers, der die Verkehrsdirektion in Kleve leitet.

Die wohl wichtigste Änderung: Dem Unfallaufnahmeteam steht jetzt auch ein Datenkoffer zur Verfügung, mit denen sich die technischen Aufzeichnungen moderner Autos auswerten lassen. Dies sei für die Unfallaufnahme ein „Quantensprung“, so Jaspers. Denn moderne Autos zeichnen technische Details genau auf: gefahrene Geschwindigkeit, Drehzahl des Motors, Lenkwinkel, hat der Fahrer gebremst oder das Auto? Mit diesen Daten lässt sich feststellen, wie ein Unfall abgelaufen ist. Neue Fahrzeuge ab 2023 müssen diese Crash-Data-Recorder verpflichtend an Bord haben, erklärt Jaspers. Bei amerikanischen Herstellern gebe es das bereits seit zehn Jahren, in französischen Autos gibt es diese Technik nach wie vor noch nicht.

Präzise Daten aus dem Autocomputer

Mit einer verbesserten Aufnahme von schweren Verkehrsunfällen sorgt das Unfallaufnahmeteam für mehr Klarheit. 
Mit einer verbesserten Aufnahme von schweren Verkehrsunfällen sorgt das Unfallaufnahmeteam für mehr Klarheit.  © NRZ | Andreas Gebbink

Die Daten des Autos sind sehr präzise, früher sei standardmäßig mit Toleranzen gerechnet worden. Eine aufwendige Datenerhebung eines Sachverständigen kann somit entfallen.

Die neuen Hilfsmittel haben riesige Vorteile bei der Unfallerfassung und für die spätere, Beweisaufnahme vor Gericht. Nicht nur in einem Strafverfahren spiele dies eine wichtige Rolle, sondern auch in einem Zivilprozess, wenn es um Schadensersatzansprüche geht: „In einem Zivilverfahren werden oft zusätzliche Unterlagen gefordert. Diese Daten sind jetzt eingefroren und können auch im Nachhinein ausgewertet werden“, erklärt Jaspers. Muss noch einmal etwas nachgemessen werden? Mit den digitalen Daten ist das jetzt kein Problem mehr.

Schon zahlreiche Einsätze für das Unfallaufnahmetermin

Dem Unfallaufnahmeteam gehören sieben Beamte und Kfz-Meister an. Gerade die Expertise der KFZ-Experten habe in der Praxis schon viele wichtige Impulse gegeben, so Jaspers. Das Team kann landesweit angefordert werden. Bislang war es aber vor allem im Kreis Kleve, Kreis Borken, Kreis Wesel, Kreis Viersen und in Krefeld aktiv. 2023 gab es schon 33 Anlässe, zu denen sie angefordert wurden. Darunter fünf Unfälle mit Todesfolge und acht Unfälle mit lebensgefährlich verletzten Menschen.