Emmerich. Die Emmericher Politik verzichtete am Dienstag auf eine Aussprache über die Finanzplanung für 2023. Ist das unwichtig? Ein Pro und Contra.

Der Rat der Stadt Emmerich verabschiedete am Dienstagabend den Haushalt für das Jahr 2023 – ohne Debatte. Alle Fraktionen haben freiwillig auf eine Rede zur Lage der städtischen Finanzen verzichtet. Die NRZ hakte bei den Fraktionsvorsitzenden nach.

Die CDU will keine ausufernden Reden mehr

Matthias Reintjes (CDU) sagt, dass sich der Verzicht auf die Haushaltsreden in der Coronazeit zu einer Tradition entwickelt habe. Die Reden werden nur noch zu Protokoll gegeben. Im Gespräch weist Reintjes darauf hin, dass früher gerade BGE und AfD ausufernde Reden gehalten hätten und man zweieinhalb Stunden im Rat gesessen hätte. Zuschauer seien am Dienstag auch nicht viele vor Ort gewesen. Vielleicht sollte man in Zukunft die Haushaltsreden auf zehn Minuten beschränken, so Reintjes Vorschlag.

Manfred Mölder (SPD) sagte, dass er noch nie eine Haushaltsrede gehalten habe und dass der Stellenwert in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist: „Wir befinden uns in schwierigen Zeiten. Weder der Rat noch die Kommunalpolitik hat das Ausbluten der Innenstädte zu verantworten. Emmerich ist nicht der Nabel der Welt. Immer nur alles der Verwaltung in die Schuhe zu schieben, ist nicht richtig“, findet Mölder.

Grüne: Die Situation ist bedauerlich

Sabine Siebers von den Grünen fand die Situation „bedauerlich“. Sie hätte gerne ihre Rede gehalten und erläutert, warum die Grünen den Haushalt ablehnen. Da allerdings die anderen Fraktionen verzichtet haben, wollte auch sie nicht aus der Reihe springen. „Ich finde es bedauerlich, dass keine Reden gehalten wurden“, so Siebers.

Auch Joachim Sigmund (BGE) hätte gerne eine Haushaltsrede gehalten: „Aber wenn das so die Gepflogenheiten sind, keine Rede mehr zu halten, dann werden wir unsere Positionen an anderer Stelle mitteilen“, so Sigmund. Er habe zwei Minuten vor der Sitzung per Whats App erfahren, dass keine Reden gehalten werden sollen. Daher habe er auch darauf verzichtet.

>> Sind Haushaltsreden unwichtig geworden? Unser Pro und Contra

Pro - Haushaltsreden sind Schaufensterreden

Florian Langhoff.
Florian Langhoff. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Florian Langhoff:

Dass man auf seine Redezeit verzichtet, wenn es um den Haushalt – mitunter den wichtigsten Punkt in der Lokalpolitik – geht, mag verwundern. Aber ist ein Vortrag der Haushaltsreden wirklich sinnvoll und wichtig – und überhaupt noch zeitgemäß?

Meinungen werden woanders ausgetauscht

Natürlich mag es schön sein, noch mal in geballte Form die Ansichten der einzelnen Fraktionen zum Haushalt serviert zu bekommen. Die Debatten zu den einzelnen Punkten finden allerdings an anderer Stelle in den Gremien statt. Und dort lebt der politische Meinungsaustausch. Dort werden die eigentlichen Entscheidungen gefällt.

Die Haushaltsreden werden damit eher zur Tradition, die oft dazu genutzt wird, die eigene politische Arbeit lobend hervorzuheben oder die politische Konkurrenz zu kritisieren. Es sind eher Schaufensterreden, als dass sich daraus eine Debatte entspinnen würde. Auch, weil sie – je nach rhetorischem Talent des Redners – oft auch nur mit angestrengt überspielter Langeweile verfolgt werden.

Muss man die Sitzungen wirklich in die Länge ziehen?

Muss man dafür wirklich eine oder mehrere Stunden Zeit in einer Ratssitzung einplanen, wenn die Sitzungen – in denen ehrenamtlich engagierte Bürger als Politiker ihre Zeit verbringen – ohnehin oft schon sehr lange dauern? Diese Zeit kann man sich, wie in Emmerich, sicherlich auch gut sparen.

Contra - Haushaltsreden sind wichtig für den politischen Diskurs

Andreas Gebbink.
Andreas Gebbink. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Andreas Gebbink:

Was ist das für ein komischer Stadtrat? In Coronazeiten hat man es ja akzeptiert, dass die Lokalpolitiker freiwillig auf ihre Haushaltsreden verzichtet haben. Aber jetzt? Was fällt den Emmericher Stadtverordneten ein, ihre Etatreden freiwillig in die Tonne zu treten? Warum legen die Fraktionsvorsitzenden keinen Wert darauf, ihre politischen Standpunkte öffentlich auszusprechen?

Es gab viel zu besprechen

Der Bürgermeister freute sich offenbar, die Fraktionen auch. Nach dem Motto: Zum Glück, haben wir uns die Redezeit gespart! Dabei gäbe es ja durchaus etwas zu sagen: Der Emmericher Haushalt ist auf Kante genäht, im Vorfeld wurde intensiv über Einsparungen und über die Gesamtschule diskutiert. Die Wege zu mehr Klimaschutz müssen beschritten werden. Welche Positionen haben die Parteien da? Warum haben die Grünen und die AfD den Haushalt abgelehnt? Man hätte es gerne im Rat gehört.

Nur in Emmerich wird auf Haushaltsreden verzichtet

Stattdessen begnügen sich die Fraktionsvorsitzenden damit, der Presse ihre Papiere zu mailen. So ein Verhalten gibt es in keiner anderen Kommune im Nordkreis Kleve. In Emmerich macht man es sich offenbar gerne gemütlich.

Für die demokratische Debattenkultur ist das ein Armutszeugnis.