Kreis Wesel. Zahlen zeigen, dass Widerstand und Gewalt gegen die Polizei im Kreis Wesel angestiegen sind. So reagieren Beamte auf die höhere Aggressivität.
In Moers schlägt ein 28-jähriger Mann einem Polizisten die Brille vom Kopf und tritt einem anderen gegen das Knie. Auf der Moerser Kirmes attackieren Männer Polizeibeamte mit Reizgas und schlagen zu, sechs Beamte erleiden Verletzungen. In Kamp-Lintfort werden Polizistinnen und Polizisten bei einem Einsatz getreten und geschlagen. In Wesel beißt ein 26-jähriger Mann einem Polizeianwärter in den Oberschenkel und bedroht die Polizistinnen und Polizisten mit dem Tod. Es sind nur vier Beispiele von vielen für Gewalt gegen Polizeibeamte im Kreis Wesel, und sie zeigen einen deutlichen Trend: Die tätlichen Angriffe gegen Polizistinnen und Polizisten im Kreis Wesel nehmen zu.
Auf Anfrage dieser Redaktion hat die Kreispolizei Wesel die Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte im Kreis Wesel ermittelt, die sich in diesem Jahr zwischen Januar und September ereignet haben. Anlass war das aktuelle Lagebild des Landeskriminalamts zur Gewalt gegen Polizeibeamte im vergangenen Jahr. Auch in dieser NRW-weiten Erhebung ergibt sich ein eindeutiges Bild. Demnach ist die Zahl der tätlichen Angriffe auf Vollstreckungsbeamte von 1719 im Jahr 2020 auf 2046 Angriffe im Jahr 2021 gestiegen.
Dieser Trend setzt sich auch im Kreis Wesel im laufenden Jahr fort. Zwar ist hier die Zahl aller Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte im Vergleichszeitraum von Januar bis September leicht gefallen, von 187 Fällen im Jahr 2021 auf 178 in diesem Jahr. Darin sind alle Fälle von tätlichen Angriffen, Widerstand, Körperverletzungen, Bedrohungen und Beleidigungen enthalten. Allerdings sind die tätlichen Angriffe und Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte deutlich angestiegen – von 89 Fällen im vergangenen Jahr auf 116 Fälle bis September dieses Jahres.
Polizei Kreis Wesel: „Die Gewaltbereitschaft hat zugenommen“
Und auch die Qualität der Attacken hat laut Kreispolizei Wesel ist häufig eine andere als noch in den Jahren zuvor. Ein Beispiel ist der Angriff auf Polizeibeamte auf der Moerser Kirmes im September dieses Jahres. „Die Gewaltbereitschaft hat zugenommen“, sagt Polizeisprecherin Andrea Margraf im Gespräch mit der Redaktion.
Die Polizei unternimmt viel, um die Kolleginnen und Kollegen auf die erhöhte Gefahrenlage bei Einsätzen vorzubereiten und auch weiterhin zu begleiten. Nicht nur in der Ausbildung sei das Thema ständig präsent, sagt Margraf. Zusammen mit der Staatsanwaltschaft gibt die Kreispolizei Wesel den Polizistinnen und Polizisten, die Opfer von Gewalt geworden sind, Hilfestellungen und Tipps. Auch Notfallseelsorger könnten jederzeit hinzugezogen werden, so Margraf weiter.
Das sagt die Polizeigewerkschaft zum Thema Gewalt
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei im Kreis Wesel, Nils Krüger, bestätigt die Häufung von Angriffen auf Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen. „Generell hat die Gewaltbereitschaft zugenommen und der Respekt nachgelassen“, erklärt der Polizist. Dies stelle er aber nicht nur bei Polizeibeamten fest, sondern auch bei Rettungskräften und Feuerwehr. Widerstand gegen die Polizei könne er in gewissem Rahmen noch verstehen, aber gegen Feuerwehr und Rettungskräfte sei es für ihn ein unerklärliches Phänomen.
Dass seine Kolleginnen und Kollegen im Kreis Wesel durch die häufigeren Gewaltausbrüche abgeschreckt oder verängstigt werden, stelle Nils Krüger nicht fest: „Die Kollegen sind nach wie vor hoch motiviert.“ Allerdings sei das Thema Eigensicherheit in der Ausbildung und im Berufsalltag mittlerweile noch viel wichtiger. Die Beamten seien mit deutlich höherer Aufmerksamkeit und Vorsicht unterwegs. „Unser Ziel ist, dass alle am Ende des Tages gesund nach Hause gehen“, sagt Krüger.
Psychologische Hilfe für Polizisten
Von der Grundlegenden Prävention und Vorbereitung auf Gewalt gegen die Polizei sei man laut Krüger gut aufgestellt. Durch personelle Engpässe könne man entsprechende Trainings aber leider nicht so häufig durchführen, wie es gewünscht ist. In der Nachbereitung, also beispielsweise mit psychologischer Hilfe nach Gewalterfahrungen, lobt Krüger den professionellen Umgang der Behörden, speziell im Kreis Wesel und auch im Kreis Kleve.
Bei der Duisburger Staatsanwaltschaft sind im letzten Jahr 587 Ermittlungsverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und 204 Verfahren wegen tätlicher Angriffe auf Vollstreckungsbeamte geführt worden. Insgesamt sind das 791 Verfahren, die allerdings nicht nur im Kreis Wesel, sondern im gesamten Duisburger Gerichtsbezirk, also auch in Duisburg, Oberhausen und Mülheim geführt wurden. Im laufenden Jahr 2022 gibt es bereits 700 Ermittlungsverfahren.