Am Niederrhein. Der Kreis Wesel hat gegen die Erweiterung des Kiesabbaus geklagt und gewonnen. Warum sich der Kreis Kleve nicht an der Klage beteiligt hat.

Die Kreise Wesel und Viersen sowie die Kommunen Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg und Alpen verbuchten einen klaren Sieg vor dem Oberverwaltungsgericht Münster. Der Elfte Senat gab den Petenten in allen Punkten Recht. Der Vorsitzende Richter Dr. Benno Willms hatte dem Land NRW nichts anderes als Nachlässigkeit bei der Abwägung im Bereich Kiesabbau vorgeworfen.

Versorgungsräume für Kies und Sand auf 25 Jahre verlängert

Das Urteil erklärte die Planaussagen, durch die im Landesentwicklungsplan unter anderem die Versorgungszeiträume für Kies und Sand auf 25 Jahre verlängert wurden, für unwirksam. Unter anderem warf das Gericht dem Land vor, die Verlängerung der Versorgungszeiträume nicht ausreichend gegen gegenläufige Belange, wie zum Beispiel Umweltfolgen oder Flächenfraß abgewogen zu haben.

Viele Reeser sind zuletzt am 20. März dieses Jahres zu einer Demonstration gegen den Kiesabbau am Niederrhein auf den Marktplatz in Rees gekommen. Das Aktionsbündnis für den Erhalt des Niederrheins und gegen weiteren Kiesraubbau hatte zu der Demonstration aufgerufen.
Viele Reeser sind zuletzt am 20. März dieses Jahres zu einer Demonstration gegen den Kiesabbau am Niederrhein auf den Marktplatz in Rees gekommen. Das Aktionsbündnis für den Erhalt des Niederrheins und gegen weiteren Kiesraubbau hatte zu der Demonstration aufgerufen. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Für den Verein Eden aus Rees gehen die Aussagen des Gerichts runter wie Öl. „Das OVG Münster hat einen wichtigen Meilenstein für den Erhalt des Niederrheins gesetzt“, so Melanie Gronau und Dr. Leo Rehm von Eden. „Mit diesem Urteil ist die bisherige Grundlage für die Kies-Bedarfsermittlungen, beziehungsweise die nochmals weiter gestiegene Flächenzuweisung an die Kiesindustrie entfallen.“

Keine akuten Auswirkungen durch das Urteil auf die Kommunen im Kreis Kleve

Dies gelte zukünftig auch für den Kreis Kleve, heißt es weiter von Seiten Edens. Wichtig in diesem Zusammenhang ist vermutlich das Wort zukünftig. Denn eine akute Auswirkung des Urteils auf die Kommunen im Kreis Kleve gibt es nicht, sagt der Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers.

Die Kreise Wesel und Viersen sowie die vier Kommunen hätten gegen den Landesentwicklungsplan 2019 geklagt, wo festgelegt wurde, dass die Rohstoffversorgung für 25 Jahre statt wie bisher für 20 Jahre gesichert werden müsse. Die vier Kommunen und der Kreis Wesel gehören allerdings zum Regionalverband Ruhr. Der Kreis Kleve und seine Kommunen gehören hingegen zur Bezirksregierung Düsseldorf.

Regionalverband Ruhr besitzt keinen aktuellen Regionalplan

„Aus dem Landesentwicklungsplan wird ja dann ein Regionalplan entwickelt“, erläutert Gerwers. „Der Regionalverband Ruhr hat keinen aktuellen Regionalplan, die haben noch den alten Gebietsentwicklungsplan von 1999 und müssen jetzt einen neuen erstellen. Das versuchen die schon seit mehreren Jahren – erfolglos.“

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Für Rees, so der Bürgermeister, gilt der Regionalplan 2018, der noch auf der Grundlage des alten Landschaftsentwicklungsplans entwickelt worden sei, in dem eine Versorgungssicherheit von 20 Jahren drin stehe. Dies sei dann auch so in den aktuell gültigen Regionalplan übernommen worden.

„Wir als Stadt Rees sind deshalb von der Geschichte nicht betroffen“, so Gerwers. „Natürlich ist das Urteil für uns auch von hohem Interesse, keine Frage.“ Dr. Leo Rehm von Eden formuliert hingegen ganz klare Erwartungen an die Planungsbehörden: Diese sollen „die bisherigen und zukünftigen Flächennutzungspläne entsprechend des Gerichtsurteils durch eine ausgewogenere Planung ersetzen. Dabei müssen zusätzlich recyclbare und nachwachsende Rohstoffe sowie der Umwelt- und Landschaftsschutz berücksichtigt werden“.

Es gibt Bestandsschutz

Doch wie wirkt sich das Urteil auf bereits bestehende Abbaugebiete aus? „Bestehende Abgrabungen haben Bestandsschutz“, erklärt Benedikt Giesbers, Pressesprecher der Kreisverwaltung Kleve. „Außerdem fußen diese ohnehin auf der nach wie vor gültigen Regionalplanung.“

Die unterschiedlichen Ausgangspunkte im Kreis Wesel und im Kreis Kleve haben im Übrigen auch dazu geführt, dass der Kreis Kleve seinerseits von einer Klage abgesehen hatte, da er schlicht nicht betroffen war.

Bürgermeister Christoph Gerwers stellte einen weiteren Aspekt ins Scheinwerferlicht

Gerwers stellt aber noch einen anderen Aspekt der Gerichtsentscheidung in den Fokus: „Es gelingt keinem mehr – weder dem Land noch dem Kreis noch den Kommunen, heute Pläne zu beschließen, die fehlerfrei sind.“

Dass das OVG die Entscheidung gekippt hat, überrascht Gerwers im Übrigen nicht, da die Festlegung der Rohstoffsicherheit auf 25 Jahre „ein politischer Kompromiss gewesen ist, zu dem so gut wie gar keine Tatsachen ermittelt wurden. Dann ist eigentlich klar, dass das Ding über die Wupper geht“.

Kandidat der Grünen nennt Urteil eine Klatsche für die Landesregierung

Apropos Politik. Für Dr. Volkhard Wille, Landtagskandidat der Grünen im Kreis Kleve, ist die Entscheidung des Gerichts eine Klatsche für die CDU/FDP-Landesregierung. „Während Vertreter der Landesregierung behaupten, der exzessive Kiesabbau wäre zum Wohnungs- und Straßenbau notwendig, sprechen die Fakten eine andere Sprache: entlang des Rheins wird der überwiegende Teil des Kieses exportiert. Andere Länder schonen ihre Rohstoffvorkommen und der Niederrhein wird zur Kiesgrube für halb Europa“, so der Grüne.