Rees. Kata und Blaz Sarcevic geben nach 41 Jahren das Balkanstübchen in Rees auf. Die beiden haben allerdings schon eine Nachfolgerin gefunden.
Gäbe es Corona nicht, würden am 23. Dezember die Reeser Tambouren zum Abschied aufspielen, sich Abordnungen der Schützen, der Werbegemeinschaft und zahlreiche Bürger anschließen - und ganz viele Kinder. Sie alle waren treue und zufriedene Gäste im Balkanstübchen an der Neustraße. Am Tag vor Heiligabend endet die Ära von Blaz und Kata Sarcevic nach 41 Jahren. In Rees hätten die beiden einen Zapfenstreich verdient. Zudem es ihnen gelungen ist, eine Nachfolge zu finden.
Im Jahr 1980 eröffneten Kata und Blaz Sarcevic ihren ersten kleinen Imbiss im Gebäude des heutigen Museums. „Damals kamen wir nur mit einem kleinen Koffer nach Rees“, erinnert sich die heute 64-Jährige. Was folgte waren Jahre schwerer Arbeit, „die wir beide immer mit Herzblut und Freude gemacht haben“, resümiert die Geschäftsfrau. Im Jahr 1989 erwarb das Ehepaar das Haus an der Neustraße. „Heute weiß ich gar nicht, wie ich alles geschafft habe, bis nachts 12, 1 Uhr unten im Balkanstübchen, morgens wieder früh raus, um die Kinder für die Schule fertigzumachen. Aber es war von Vorteil, dass ich immer im Haus und somit für meine Kinder da war“, zieht die vierfache Mutter und jetzt vierfache Großmutter Bilanz.
Krankheit brachte massive Einschränkungen für Reeser Gastronomen mit sich
Als sich vor zwölf Jahren erste Symptome der Krankheit ALS (Amyotrope Lateralsklerose) bei Blaz Sarcevic bemerkbar machten, begann der Kampf gegen die bislang unheilbare Erkrankung. Doch das Ehepaar gab nicht auf. Der heute 69-Jährige stemmt weiter alles Administrative, seine Frau das Imbissgeschäft.
Auch die Coronazeit hat das Balkanstübchen „überlebt“. „Als ich Mitglied der Reeser Werbegemeinschaft wurde, wollte ich meinen Beitrag zu den großen Straßenfesten leisten und habe ein Außerhausverkauf-Fenster einbauen lassen. Das ist jetzt sehr hilfreich“, erzählt Blaz Sarcevic. Anfang dieses Jahres allerdings reifte der Entschluss, die Gaststätte mit Imbiss aufzugeben. Die gesundheitlichen Einschränkungen nehmen zu, das Haus eignet sich nicht, hier, auf einen Rollstuhl angewiesen, länger wohnen zu bleiben.
Die Kinder sind der ganze Stolz von Kata und Blaz Sarcevic
Bei vier Kindern hätten sich die Eltern vielleicht gewünscht, dass eines der Kinder das Geschäft übernimmt, zumal alle im Betrieb mitgeholfen haben. „Wir sind stolz, dass alle vier Kinder eine gute Ausbildung genossen haben und erfolgreich sind, unser Jüngster macht gerade seinen Master in Münster“, erzählt Kata Sarcevic. „Sie sollen in ihren Berufen glücklich sein.“ Dafür stehen die Eltern demnächst gerne für die Enkelkinder parat. „Es stand immer für uns fest: Wir bleiben in Rees bei unseren Kindern.“ Dafür hat Blaz Sarcevic frühzeitig ein Eigenheim erworben, das derzeit noch vermietet ist.
Pächterin der Gaststätte Jonkhans hat das Balkanstübchen erworben
Im Bekanntenkreis erfuhr Ana Delic, Pächterin der Gaststätte Jonkhans in Millingen, von den Plänen der Sarcevics. Die ebenfalls aus Kroatien stammende Gastronomin, die 1992 ihre berufliche Laufbahn im Kaiserhof in Wesel begann, und Familie Sarcevic kennen sich seit Jahrzehnten. „Das Balkanstübchen hat einen ausgezeichneten Ruf, weit über die Grenzen von Rees hinweg“, weiß die 52-Jährige. Beide Parteien wurden sich bald einig, am 1. Januar 2022 ist Ana Delic neue Besitzerin der Immobilie und der Gaststätte.
Ihr Pachtvertrag in Millingen läuft noch zweieinhalb Jahre. „Aber ich bin alleine, der Betrieb ist zu groß, um ihn länger weiterführen zu können“, gibt Ana Delic zu, auch wenn ihr der Abschied von ihren Gästen in Millingen schwer fällt. „Aber viele haben mir erzählt, dass sie auch im Balkanstübchen regelmäßig Kunde sind.“ Bis dahin wird Ana Delic beide Lokalitäten führen, in Rees mit dem Stammpersonal, insbesondere mit der Jahrzehnte langen Mitarbeiterin Delfa Ivancic. Und solange Familie Sarcevic noch im Haus wohnt, will Kata Sarcevic bei Bedarf einspringen. „An der Küche, der Speisekarte, den Lieferanten und der Einrichtung wird sich nichts ändern“, verspricht die künftige Inhaberin. „Am 5. Januar ist Wiedereröffnung.“
Tränen und Humor zum Abschied vom Balkanstübchen in Rees
Kata Sarcevic versteht es wie keine andere, immer freundlich zu sein, die Bestellungen im Kopf zu behalten, auch wenn die Kunden in der zweiten Reihe vor der Theke standen. Während ihr Mann ein wahrer Rechenkünstler war, problemlos im Kopf die Preise addierte und gerne seinen Stammgästen einen Julischka ausgab. Nun freuen sich beide, ihr Balkanstübchen in guten Händen zu wissen.
Wenn es nun einen Großen Zapfenstreich gäbe, welche Musik würde sich das Paar wünschen? Kata Sarcevic wischt sich mit Blick auf ihren letzten Arbeitstag als Chefin am 23. Dezember Tränen aus den Augen und bleibt eine Antwort schuldig. Während ihr Mann seinen Humor nicht verloren hat: „Für mich war immer die schönste Musik, wenn die Kasse geklingelt hat.“
>>>Pilla Lola bleibt in Familienbesitz
Im Jahr 2007 erwarb Blaz Sarcevic die ehemalige Gaststätte Pilla Lola, an der Ecke Fallstraße/Neustraße, und gestaltete sie als Saal um.
Für Festivitäten wurde der Raum gerne genutzt. „Wir haben vier Kinder, vier Schwiegerkinder und vier Enkel. Sie alle können dort gut ihre Geburtstage feiern“, beschloss Blaz Sarcevic. Es sei denn, eines Tages meldet Ana Delic Interesse an, den Raum zu übernehmen.