WIRTSCHAFT. Der Inhaber des Balkanstübchens hat die ehemalige Gaststätte erworben. Und denkt über die Zukunft nach.

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REES. Paul van de Locht ist 1939 geboren und in der Gaststätte "Pilla Lola" aufgewachsen. Nach Weihnachten wird er mit seiner Frau Christel die Umzugskartons packen und im Februar in die Kapitelstraße ziehen. Denn Pilla Lola ist verkauft. Sein Nachbar Blaz Sarcevic, Inhaber des Balkanstübchens, hat die Immobilie erworben. Der allerdings hat seine Pläne, hierhin seinen Gastronomiebetrieb zu verlagern, fast schon wieder aufgegeben.

Seit 1980 sind Paul van de Locht und Blaz Sarcevic Nachbarn und freundschaftlich verbunden. Nur, dass der Reeser Paul und nicht Pilla Lola heißt, das hat der gebürtige Bosnier erst nach Jahren erfahren.

Endlich wieder auf dem Bau

Als Blaz Sarceciv seinen Imbiss, damals im heutigen Museum, eröffnete, war die Gaststätte Pilla Lola schon geschlossen. Doch das Geschäft spiegelte den alten Charme der Wirtschaft wider. Besonders über ein Detail auf der Herrentoilette amüsiert sich Blaz köstlich. Neben den Pissoires ist auf Bauchhöhe ein Waschbecken mit großer Abflussöffnung angebracht. Und mit zwei Haltegriffen. Früher brauchten gut funktionierende Gastwirtschaften eben ein Kotzbecken.

Blaz Sarcevic hat lange überlegt, ob er das Haus vis à vis seines Balkanstübchens erwerben soll. Schließlich hätte er hier seinen Betrieb erweitern und mehr Sitzplätze, vielleicht sogar einen kleinen Saal integrieren können. Doch bei der Stadt Rees nahm man ihm schnell den Wind aus den Segeln. Stellplätze fehlen. Auf Grund der Gaststättengröße müsste er als Ausgleich 100 000 Euro zahlen. Und das wäre wahrscheinlich nur eine von zahlreichen Auflagen, um in der Innenstadt die Gastronomie wieder aufleben zu lassen.

Jetzt versucht Blaz Sarcevic, die knapp 200 qm im Erdgeschoss entweder als Ladenlokal zu vermieten oder hieraus ebenerdig Wohnungen zu schaffen. Aber was seine größte Freude ist: Er hat wieder einmal eine Baumaßnahme vor sich. In seiner Heimat hat Blaz Sarcevic in der Jugend auf dem Bau gearbeitet. Und wenn er im Balkanstübchen nicht gebraucht wird, dann baut er. Ob es der Ausbau des jetzigen Geschäftshauses war, oder jüngst die Dachgeschosswohnung für die Tochter, Blaz ist der geborene Handwerker. So hat er jetzt schon ein Baugerüst ersteigert und es per Anhänger in Bielefeld abgeholt. Denn vieles will er am Umbau selbst machen, zum Beispiel das Einrüsten oder die Einschalungsarbeiten.

Die Fenster werden erneuert, aber die Rundbögen beibehalten, denn das Traditionshaus liegt ihm am Herzen. Aber natürlich weiß er auch, dass es mit dem Kaufpreis nicht getan ist. Viel Geld muss hier investiert werden. Was für die Familie bedeutet, dass auch in den nächsten Jahren kein Urlaub angesagt ist, es weiterhin keinen Ruhetag im Balkanstübchen geben wird. "Als wir mit Nichts nach Rees gekommen sind, hätte ich nie gedacht, dass wir uns soviel aufbauen könnten", sagt seine Frau Kata nicht ohne Stolz. Immerhin gehören der Familie inzwischen drei Immobilien in der Stadt. Für die Sarcevics ist Arbeit das Leben.

Gearbeitet wurde bei Pilla Lola auch am Sonntag. Wenn die Väter zum Frühschoppen kamen, war die Hütte voll. So voll, dass ein kleiner Heinz als Säugling schlafend einst auf dem Billardtisch vergessen wurde.

Übrigens: Pilla heißt auf Bosnisch "getrunken" und ein Lola ist jemand, der gerne ausgeht. Wenn die Traditionsgaststätte also schon einen bosnischen Namen trägt, dann wird das Haus diesen bestimmt auch behalten. Nur Lola, so will Blaz nicht genannt werden.Paul van de Locht hat die Schankerlaubnis seines Vaters aus dem Jahr 1936 in dieser Woche dem Reeser Geschichtsverein übergeben. Im Jahr 1937 eröffneten seine Eltern die Gaststätte "De Wechsdos", die Schuhcremedose, in der Fallstraße. Sie wurde bald von den Reesern umbenannt, erst in Pila, nach einer damals bekannten Schuhcrememarke, später, leider nicht mehr aufzuschlüsseln, in "Pilla Lola". Im Krieg wurde das Gebäude vollständig zerstört. Neueröffnet wurde die Gastwirtschaft mit einem kleinen Ladenlokal 1951. Es gab einen Billardraum und einen kleinen Saal. Vater und Sohn führten die Gaststätte bis 1967. Danach eröffnete Paul van de Locht hier mit seiner Frau ein Kiosk-Geschäft, das auch am Sonntag geöffnet hatte. Im März 2004 schloss der Reeser "Pilla Lola".