Emmerich. Bürgermeister Peter Hinze erklärt im Interview, wie der Greensill-Begleitausschuss aufgestellt wird. Außerdem räumt er mit einer Lüge auf.

Die Aufarbeitung des drohenden Millionenverlustes bei der Greensill Bank für die Stadt Emmerich hat begonnen. Die interne Prüfung läuft, die externe Prüfung wurde in Auftrag gegeben, die Landrätin ist als Chefin der Aufsichtsbehörde involviert, das Insolvenzverfahren der Greensill läuft und die Vorbereitungen für den von der Politik beschlossenen Begleitausschuss laufen. Die NRZ sprach mit Bürgermeister Peter Hinze über den aktuellen Stand.

Herr Hinze, wann wird der Begleitausschuss erstmals tagen?

Erstmals am 6. Mai. Mittlerweile haben wir geprüft, wie der Ausschuss gestaltet werden soll. Es wird ein zeitlich begrenzter Ausschuss sein, der ansonsten abgehalten wird wie andere Ausschüsse auch: mit Tagesordnung, Einladungsfristen, einem Vorsitzenden, einer Schriftführung, einer Niederschrift etc.

Am 6. Mai muss sich der Ausschuss erstmal konstituieren. Der Bürgermeister eröffnet. Die Politik hatte den Wunsch geäußert, dass die Verwaltung in dem Ausschuss keine Rolle spielen sollte. Das funktioniert so nicht. Die Politik dachte an sowas, wie einen Untersuchungsausschuss im Landtag. Wie etwa der Wirecard-Untersuchungsausschuss. Sowas gibt es auf kommunaler Ebene nicht. Der Rat ist das Gremium dafür.

Der Ausschuss kann also nicht ganz die Funktion haben, wie die Politik es sich vorgestellt hat. Der Ausschuss kann zum Beispiel nicht Verwaltungsmitarbeiter vorladen und befragen. Der Bürgermeister steht Rede und Antwort. Und er entscheidet, ob er je nach Thema zur Beantwortung einer Frage Mitarbeiter mitbringt.

Wird der Ausschuss öffentlich oder nicht-öffentlich tagen?

Zunächst öffentlich. Es ist ein Vorsitzender aus der Politik, die derzeit ihre Mitglieder ermittelt, zu wählen. Der Vorsitzende muss entscheiden, welche Themen in den öffentlichen und welche in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung kommen. In der Sondersitzung des Rates waren ganz viele Punkte ja öffentlich besprochen worden.

Wie wird die Öffentlichkeit über die Ergebnisse und Sachstände informiert?

Wie bei jedem Ausschuss gibt es eine Niederschrift zu den öffentlichen Tagesordnungspunkten.

Im Vorfeld der Ratssondersitzung hatte die CDU ihre Fragen nicht schriftlich eingereicht. Nun hat sie dies nachträglich getan, weil die Fraktion den Eindruck hatte, manche Fragen seien zu oberflächlich oder gar nicht beantwortet worden: Sehen Sie nun die Möglichkeit, die Fragen besser beantworten zu können?

Ich verstehe das Prozedere nicht ganz. Hätten die Fragen schriftlich vorgelegen, dann hätte man umfassender Antworten können. Das war wohl bewusst nicht gemacht worden. Die Ratssondersitzung hat drei Stunden gedauert. Wenn das nicht umfänglich genug war, dann hätte man doch nachfragen können.

Nun, jetzt liegt das Wortprotokoll vor. Die Beantwortung behalte ich mir vor. Wir haben jetzt die interne und externe Prüfung, den Begleitausschuss – irgendwann kann ich keine Leute mehr binden nebenbei. Sonst führen wir die aufgebauten Strukturen ad absurdum.

Die Vorgehensweise scheint Ihnen nicht zu gefallen...

Ich habe den Eindruck, dass uns prinzipiell nicht geglaubt wird. Man kann die Fragen nicht so oft vorlegen, bis einem die Antworten passen. Wir haben alle Zeit, die Sachen aufzuarbeiten. Man sollte jetzt nicht falsche Dinge behaupten, um daraus politisch Kapital zu schlagen.

Falsche Dinge?

Dass der Bericht der Stadt Münster öffentlich war, das ist gelogen. Das war ein nicht-öffentliches Gutachten. Das haben wir jetzt auch schwarz auf weiß von der Agentur, die das durchgeführt hat.

Aktuell legt die BGE ein Schreiben zum NRW-Runderlass, der Thema in der Sondersitzung war, vor (siehe weiter unten). Sie interpretiert die Aussagen des Ministeriums so, dass der Erlass für alle Anlagen gültig sei, nicht nur für langfristige. Was sagen Sie dazu?

Bürgermeister Peter Hinze und Interimskämmerin Melanie Goertz stellten sich auf der Ratssondersitzung den Fragen aus der Politik und der Bürgerschaft.
Bürgermeister Peter Hinze und Interimskämmerin Melanie Goertz stellten sich auf der Ratssondersitzung den Fragen aus der Politik und der Bürgerschaft. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

In dem Schreiben wird auch wieder von Geldern gesprochen, die nicht längerfristig angelegt werden können. Wie auch immer: Es handelt sich um eine Empfehlung. Wir haben eine Dienstanweisung, nach der gehandelt wird. Die Kollegen haben sich daran gehalten. Es wird Öl ins Feuer geschüttet. Wir bewegen uns hier im Bereich der Vorverurteilung. Wenn die BGE auch berichtet, die Greensill-Anlage sei nicht rechtskonform gewesen, dann wird das Urteil ja schon gefällt. Wofür prüfen wir dann noch?

Gibt es neue Informationen zum Greensill-Fall?

Die Absprache der Kommunen, die sich juristisch gemeinsam aufstellen wollen, ist erfolgt. Eine Vereinbarung von knapp 30 Kommunen, die sich noch beteiligen, ist unterzeichnet. Inzwischen sind auch weitere Kommunen bekannt geworden, die Opfer von Greensill geworden sind. Die Gläubigerversammlung findet am 8. Juni statt. Dort wird Emmerich anwaltschaftlich vertreten sein.

>> BGE bekommt Antwort vom Ministerium

Die BGE hat nach einer Aussage von Peter Hinze in der Ratssondersitzung das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung angeschrieben. Es geht um den Runderlass Kommunale Kapitalanlagen. Der Bürgermeister hatte erklärt, dass der Erlass sich auf längerfristige Kapitalanlagen beziehe. Emmerich hat bei der Greensillbank aber eine kurzfristige Anlage getätigt, um Negativzinsen zu vermeiden. Die BGE hat eine andere Rechtsauffassung und schrieb deshalb das Ministerium an.

Der BGE liegt eine Antwort vor. „Ministerialdirigent Dr. van Kraack widerspricht dort im Ergebnis der Aussage von Bürgermeister Peter Hinze in der Ratssondersitzung“, erklärt die BGE. Der Runderlass gelte für alle Anlagearten. Sicherheit gehe vor Ertrag.

Keine Differenzierung bezüglich lang- oder kurzfristigen Anlagen

In dem Schreiben erinnert der Leiter der Abteilung Kommunales, dass die Kommunen grundsätzlich selbst entscheiden, „ob, in welcher Höhe und in welcher Form von ihnen nicht zur Zahlungsabwicklung benötigte Geldmittel angelegt werden“. Die Vorgabe treffe „keine weitergehende Differenzierung, weder hinsichtlich unterschiedlicher Formen der Geldanlage noch in Bezug auf die Dauer einer Geldanlage“. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, dass die Kommunen sich die Risiken bewusst machen, diese begrenzen und beherrschbar gestalten.

„Eine Differenzierung danach, ob eine Geldanlage zeitlich nur auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist, würde dieser Intention des Gesetzgebers widersprechen“, so van Kraack. Der Erlass „bezieht sich folgerichtig auf sämtliche liquiden Mittel, die nicht zur Sicherung der Liquidität und zur Zahlungsabwicklung benötigt werden. Ausgenommen bleiben somit insbesondere auf Konten täglich verfügbare Gelder, die der Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit dienen und deshalb nicht ‘längerfristig’ angelegt werden können“.