Rees. Der Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers möchte den Klimaschutz als ein strategisches Ziel der Stadt implementieren – und dann danach handeln.
„Ist das nicht herrlich hier?“, Christoph Gerwers (56) kann sich immer noch über den Anblick der Reeser Rheinpromenade erfreuen. Das schöne Herbstlicht der Sonne, die leuchtenden Blumen am Geländer, die historische Stadtmauer, der Rhein – welche Stadt kann das schon bieten? Christoph Gerwers ist gerne Bürgermeister und er möchte diesen Job auch im kommenden Jahr weiterführen. Im NRZ-Interview erläutert er die wichtigsten Themen in der Rheinstadt.
Der Wahlkampf ist auf Kreisebene bereits in vollem Gange. Sie tauchten ja quasi als das CDU-Nessi auch immer mal wieder als Kandidat fürs Landratsamt auf. Keine Lust darauf?
Christoph Gerwers: Von meiner Qualifikation her könnte ich den Job sicherlich machen. Ich bin Volljurist, habe Verwaltungserfahrung und ich muss zugeben, dass es mal eine Zeit gab, da ich mit diesem Gedanken
geliebäugelt habe. Aber wenn Herr Spreen meint, dass das Landratsamt das schönste Amt der Welt ist, dann kann ich nur sagen, dass das Amt des Reeser Bürgermeisters noch viel schöner ist. Die Besoldung eines Landrates ist sicherlich besser, aber Geld macht nicht unbedingt glücklicher.
Wenn ich sehe, was wir in den vergangenen Jahren in Rees umgesetzt haben, dann ist das doch toll. Ich bin gerne nah bei den Menschen und ich freue mich auch immer, wenn mal was Juristisches auf meinem Schreibtisch landet. Verwaltungsrechtliche Angelegenheiten gebe ich ungern ab. Das kann ich.
Das ist eine schöne Bewerbungsrede für das Amt des Bürgermeisters.
Ist das so? Ist mir gar nicht aufgefallen. Aber in der Tat, ich mache diese Arbeit sehr gerne. Und wir haben in Rees noch genug zu tun.
Zum Beispiel beim Thema Klima- und Umweltschutz. Da hat sich die CDU in den vergangenen Jahren gerne mit allen Vieren gesträubt. Jetzt wird man aktiv.
Auch der CDU wird bewusst, dass wir auf diesem Gebiet mehr tun müssen. Wir sind schon fahrradfreundliche Stadt, aber wir müssen noch weitere Akzente setzen. Vor allem muss sich das Bewusstsein ändern: Man kann kurze Wege auch mit dem Fahrrad fahren. Persönlich versuche ich, das Auto wenn möglich stehen zu lassen. Das geht nicht immer, aber die berühmte Autofahrt zum Brötchen holen muss wirklich nicht sein. Wenn ich von Haldern aus zur Arbeit radele, dann brauche ich vielleicht zehn Minuten länger.
Aber eine Änderung des Verhaltens erwirkt man nicht von heute auf morgen. Nehmen Sie die Fallstraße. Hier wird es für Radfahrer richtig eng, wenn ein Auto entgegenkommt. Der Autofahrer muss aber nicht immer die erste Priorität haben. Wir sind auf dem Land noch immer eher dem Auto zugeneigt. Anstatt zu fragen, wie man den Radverkehr von der Straße holt, sollte man besser fragen, wie man das Radfahren in der Fallstraße sicherer machen kann.
Einen richtigen Fahrplan für mehr Klimaschutz haben Sie aber noch nicht.
Wir haben einen Strategieplan mit Zielen für das Jahr 2025. Diesen Plan möchte die CDU-Fraktion um den
Klimaschutz ergänzen. Man muss sich das mal vorstellen: Als wir den Plan 2016 aufgestellt haben, da war das in der Reeser Kommunalpolitik noch kein Thema. Das hat sich jetzt geändert. Wir müssen dem Umweltschutz in jeder Beziehung mehr Raum geben. Wir werden in Rees nicht das Weltklima retten, aber Bäume in der Stadt können schon viel für das Kleinklima bewirken. Da werden wir in Kürze drüber reden.
Konkret gehandelt wird im nächsten Jahr bei der Betuwe. Auf Haldern kommt dann einiges zu.
Das ist richtig. Ende 2020 soll es losgehen. 30 Millionen Euro werden dann in Haldern verbaut. Und ich bin richtig froh, dass wir den Konsens mit der Bahn hinbekommen haben. Kürzlich haben wir beim Abschluss einer Kreuzungsvereinbarung dadurch etwa 880.000 Euro eingespart. Das ist Geld, welches wir sonst aus eigener Tasche hätten zahlen müssen.
Der Bau wird auch in ihrer Verwaltung Kräfte binden. Haben Sie schon so etwas wie eine Task Force eingerichtet?
Task Force? Soll ich Ihnen mal sagen, wie die hier aussehen würde: Christoph Gerwers und Elke Strede. Punkt. Das ist unsere Spezialtruppe. Aber: Die tatsächliche Ausführung liegt ja bei der Bahn. Wir sind sicherlich in zahlreiche Absprachen mit der Bahn und dem Landesbetrieb Straßen involviert und mussten beispielsweise nur für die geplante Beseitigung des Bahnübergangs Bahnhofstraße in Haldern mehrere Ordner mit technischen Unterlagen sorgfältig durchackern.
Beim Thema Kibiz gab es jüngst etwas Unmut über den Landrat. Drei beitragsfreie Jahre für die Kita ist Ihnen zu viel?
Das würde uns 150.000 Euro kosten. Und wir reden jetzt auf Landesebene gerade darüber, das zweite Jahre beitragsfrei zu gestalten. Das heißt: Es wird für uns auf jeden Fall teurer. Und entlastet werden nicht die Eltern mit geringem Einkommen, denn die bezahlen ohnehin keinen Kita-Beitrag. Wir sollten das Thema zurückstellen und abwarten, bis das neue Kibiz durch den Landtag ist.
Aber die Stadt nagt zurzeit nicht am Hungertuch.
Unser Sparstrumpf ist in der Tat wieder aufgefüllt. Aber die Vorzeichen für 2020 sind nicht mehr ganz so gut. Es wird vermutlich Einschnitte bei Gewerbesteuer, Schlüsselzuweisungen, Einkommensteuer geben und die Kreisumlage wird wieder stärker steigen, ohne dass der Kreis Kleve die Hebesätze anhebt. Wir wollen aber weiterhin einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren. Also müssen wir sparen, aber auch nicht auf Teufel komm heraus. Wir müssen sinnvoll investieren, zum Beispiel in den Glasfaserausbau oder in die Digitalisierung unserer Schulen.
Wenn man durch Rees geht, dann sieht man nicht allzu viele Baustellen, die man noch verbessern könnte. Eigentlich müsste der Wahlkampf 2020 doch stink langweilig werden.
Vorsichtig! Wenn es einer Stadt zu gut geht, dann macht man schnell Fehler und man möchte am liebsten, das alles so bleibt, wie es ist. Aber genau das ist der Anfang vom Ende. Wir müssen unsere Stadt kontinuierlich weiterentwickeln und wir haben hier in Rees schon noch eine Menge zu tun.“ Das ehemalige Niag-Gelände zum Beispiel. Es ist ganz wesentlich, dass die Innenstadt von dieser Entwicklung profitiert. Das ist unser Entree zur Stadt. Wir benötigen an dieser Stelle mehr Wohnraum.
Wichtig sind aber auch die Ortsteile. Die dürfen wir nicht vergessen. So brauchen wir ein Konzept für Millingen. Das Dorf wird bald von der Bahn durchtrennt. Das macht etwas mit einer Dorfgemeinschaft. Auch die ärztliche Versorgung in der ganzen Stadt ist für uns ein wichtiges Thema.