Kreis Kleve. Die Klever Kreisverwaltung schlägt die Einführung eines dritten, beitragsfreien Kindergartenjahres vor. Viele Bürgermeister sind nicht begeistert.

Führt der Kreis Kleve ein drittes, beitragsfreies Kindergartenjahr ein? Nach Informationen von NRZ und Klever Wochenblatt hat die Kreisverwaltung den Bürgermeistern einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. In einer Sitzung am 12. Juli wurde darüber diskutiert. Damit der Vorschlag schnell umgesetzt werden kann, sollen die Bürgermeister bis zum 16. August Stellung dazu nehmen. Viele klingen noch nicht begeistert und wollen erst ihre Räte konsultieren.

Die Klever Kreisverwaltung möchte sich inhaltlich zur Sache noch nicht äußern: „Wir befinden uns noch in einer Entscheidungsphase“, sagte eine Sprecherin des Kreises. Betroffen wären von dieser Maßnahme alle Kommunen, die kein eigenes Jugendamt besitzen und für die der Kreis die Kinderbetreuung organisiert. Unter anderem sind dies die Kommunen Rees, Kalkar, Kranenburg, Bedburg-Hau, Uedem und Weeze.

Bürgermeister sind ob des dritten freien Kita-Jahres zurückhaltend

Die Art und Weise, wie die Kreisverwaltung das Paket auf den Weg bringen möchte, stieß in der Bürgermeisterrunde sauer auf. Eine inhaltliche Debatte sei kaum möglich gewesen. Die Reaktionen des Landrates hätten sich in knappen „Ja“ und „Nein“-Antworten erschöpft. Auch sind einige Bürgermeister verärgert darüber, dass man in den Entscheidungsprozess die Kommunalvertretungen nicht einbeziehe. „Dem Kreis ist der demokratische Diskurs offenbar egal“, sagte ein Bürgermeister im Gespräch mit der NRZ.

Landrat Wolfgang Spreen schlug den Bürgermeistern ein drittes, beitragsfreies Kindergartenjahr vor.
Landrat Wolfgang Spreen schlug den Bürgermeistern ein drittes, beitragsfreies Kindergartenjahr vor. © FUNKE Foto Services | DIANA ROOS

Überraschend kommt der Vorschlag allemal. Zurzeit wird in NRW über das zweite beitragsfreie Kita-Jahr gesprochen. Die NRW-Landesregierung möchte mit der Weiterentwicklung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz), dass Eltern ab dem Sommer 2020 auch für das vorletzte Kindergarten-Jahr vor der Einschulung keine Betreuungskosten mehr zahlen. Zurzeit befindet sich der Entwurf des Gesetzes in der parlamentarischen Debatte. Der Vorschlag der Klever Kreisverwaltung würde darüber hinaus gehen.

Rees müsste 150.000 Euro zusätzlich ausgeben

Für Christoph Gerwers, Bürgermeister der Stadt Rees, kam der Vorstoß überraschend. Unter den kleinen Kommunen ist Rees die größte Stadt. 16,5 Prozent der Kosten wären von ihr zu tragen: „Das sind für uns 150.000 Euro im Jahr“, verdeutlicht Gerwers. „Dazu muss der Rat erst beraten, um eine Stellungnahme abgeben zu können.“ Denn das neue KiBiz wird insgesamt teuer. Gerwers rechnet mit den zusätzlichen Maßgaben des Landes mit einer Mehrbelastung in Höhe von 500.000 Euro. Die Vorgabe der Kreisverwaltung, bis zum 16. August dazu Stellung zu beziehen, könne er nicht einhalten: „Der Jugendhilfeausschuss tagt erst im September.“

Für Kinder unter 3 würde es teuer

Der Kreis Kleve sieht in seinem Entwurf vor, dass Kinder, die am 30. September eines Jahres das dritte Lebensjahr vollendet haben, beitragsfrei gestellt werden. Die Folge wäre, dass für einen Großteil der Kinder keine Beiträge mehr gezahlt werden müssen. Ferner soll die Beitragsbemessungsgrenze auf 20.000 Euro Jahreseinkommen angehoben werden. Diese liegt jetzt bei 15.000 Euro. Auch soll es einen neuen Elternbeitrag für eine Betreuung ab 45 Stunden geben.

Die Betreuung von kleinen Kindern wird teurer

Patricia Gerlings-Hellmanns, Mitglied des Jugendamtselternbeirates des Kreises Kleve, ärgert sich darüber, dass der neue Entwurf Eltern mit Kindern unter drei Jahren deutlich stärker belasten wird. So zahlen heute Eltern mit einem Einkommen bis 36.813 Euro 33,25 Euro für eine Betreuung zwischen 25 und 34 Stunden. Künftig gibt es eine Stufe bis 42.000 Euro. Hier müssten die Eltern dann 69 Euro bezahlen, also mehr als doppelt so viel. In anderen Einkommensgruppen ist es ein ähnliches Steigungsverhältnis vorgesehen.

Gerwers sieht durchaus auch negative Aspekte für ein drittes freies Kita-Jahr und blickt auf das Beispiel Emmerich, wo die Kita-Beiträge bereits abgeschafft worden sind. Die Folge: „Viele haben hier die maximale 45-Stunden-Variante gewählt. So wird das KiBiz insgesamt teuer. Wir wollen in Rees die Sache in aller Ruhe diskutieren. Denn am Ende müssen wir es ja auch bezahlen.“

Driessen: „Das KiBiz kostet der Gemeinde viel Geld“

Günter Steins, Bürgermeister in Kranenburg, wünscht sich eine zweistufige Vorgehensweise. Man solle erst die Vorgaben des Landes abwarten und umsetzen und sich in einem weiteren Schritt über das dritte beitragsfreie Kindergartenjahr Gedanken machen. Doch diese Lösung werde nicht beabsichtigt. Auch Steins möchte erst seinen Rat informieren, der am 19. September wieder tagt. Welche finanziellen Auswirkungen dies für seine Kommune habe, könne er noch nicht sagen.

Peter Driessen hat bereits nachgerechnet: 120.000 bis 130.000 Euro wären für Bedburg-Hau mehr zu zahlen. Auch er ist dafür, erst den landespolitischen Vorgaben zu folgen. Ein weiteres drittes beitragsfreies Jahr würde der Gemeinde viel Geld kosten. „Sozialpolitisch ist das sicherlich wunderbar, aber es muss auch finanziert werden“, so Driessen. Er wird den Rat noch in den Ferien zu einer Sondersitzung einberufen, da auch Bauherren in zwei Baugebieten in Till-Moyland und Huisberden auf eine dringende Entscheidung des Rates warten.

Kalkarer Bürgermeisterin fühlt sich überfahren

Britta Schulz, Bürgermeister in Kalkar.
Britta Schulz, Bürgermeister in Kalkar. © NRZ | AG

Die Kalkarer werden eine Stellungnahme schreiben, aber Bürgermeisterin Britta Schulz sagt, dass sie sich vom Kreis überfahren fühlt. In der Ferienzeit so eine Entscheidung herbeiführen zu wollen, die den Kommunen insgesamt knapp eine Million Euro kosten wird, sei nicht in Ordnung. Die Kalkarer Politik könne im Vorfeld nicht darüber reden. Am 16. September soll der Jugendhilfeausschuss des Kreises darüber beraten. Formell benötigt die Kreisverwaltung keine Zustimmung der Kommunen, es reicht ein Beschluss des Kreistages.

Aktuell gibt es 2496 Kinder, die beitragspflichtig sind. Künftig wären es dann nur noch 920 Kinder.