Vrasselt/Schneppenbaum. . In Zeiten des Klimawandels wollen immer mehr Gartenbesitzer naturnäher gärtnern. Wie das funktioniert erklären Experten aus Emmerich und Kleve.
Mit den ersten Sonnenstrahlen zieht es Hobbygärtner und Freiluft-Freunde wieder ins Grün, am liebsten in den eigenen Garten. Zumeist lag der über den Winter verweist da und in vielen Haushalten gilt es nun, das eigene Fleckchen Natur wieder ansprechend herzurichten.
Und hier liegt auch schon die Krux an der Sache. Denn in Zeiten von Klimawandel, Insektensterben und einer omnipräsenten Diskussion über den menschlichen Umgang mit der Natur, möchte der ein oder andere Gartenbesitzer vielleicht etwas naturnäher gärtnern.
Zuletzt gab es einen Rückgang der Naturgärten
Ein Umstand den Margot Dassel vom Kreisverband Kleve für Heimatpflege durchaus begrüßen würde. „Es wird ja immer weniger“, bedauert die Naturfreundin, die beim Kreisverband für die Bewertung der Rubrik Naturgarten, die sich für den Gartenwettbewerb melden, zuständig ist. Doch in dieser Kategorie finden sich stetig weniger Teilnehmer.
Ein Problem sei, dass viele Menschen glauben, dass ein Naturgarten besonders groß sein müsse, sich erst ab einer Fläche ab 1000 Quadratmeter lohne und umsetzbar sei. Das stimmt aber so nicht: „Es dürfen auch gerne kleinere Gärten sein“, betont Dassel.
Das macht den Naturgarten zum Naturgarten
Bei der Bewertung der Gärten gibt es Punkte für verschiedene Aspekte. So achten Dassel und ihre Kollegen neben dem Gesamteindruck beispielsweise darauf, ob Regenwasser genutzt wird und legen Wert darauf, dass kompostiert wird.
Wichtig ist auch die Frage nach der biologischen Vielfalt im Garten: Gibt es Nistmöglichkeiten für Vögel und kleine Säugetiere? Sind Wasserflächen vorhanden? Und wie steht es um heimische Pflanzen: Gehölze, Stauden, Wildkräuter?
„Insekten brauchen gewisse Blüten“
„Exotisches hat im Naturgarten weniger zu suchen“, erläutert Dassel. Wenn allerdings alles stimmig ist, wird die ein oder andere exotische Schönheit kein Ausschlusskriterium für den Naturgarten sein. Fest steht aber: „Insekten brauchen gewisse Blüten.“
Sind die nicht vorhanden, sieht es für Bienen, Hummeln und andere Nektarsammler düster aus. „Alles was gefüllt ist an Blüten, ist für die Insekten schlecht“, formuliert Margot Dassel eine Faustregel. Denn sind die Blüten gefüllt – das heißt, dass das Blüteninnere von mehr Blättern als üblich umringt ist – kommen die Tiere nicht an Nektar und Pollen – ein rein mechanisches Problem.
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Lippen- und Korbblütler sind besonders beliebt
Für glückliche Insekten braucht es offene Blüten, das bestätigt auch Kerstin Hakenbeck, Gartenbautechnikerin aus Vrasselt. Doch obwohl erst einmal alles, was offen blüht, für Insekten gut ist, gibt es Gewächse, die sie besonders anziehen.
So fliegen die Tiere besonders auf Lippenblütler, wie Ziersalbei, Duftnessel, Katzenminze und Lavendel, und Korbblütler, wie Astern oder Sonnenhut. Aber auch ungefüllte, einfache Rosen seien sehr insektenfreundlich, zählt Hakenbeck weiter auf. „Wenn sie Hagebutten ansetzen, haben im Winter auch noch die Vögel was davon.“
Wichtig ist ein ganzjähriges Futterangebot
Aktuell sind Biene, Hummel und Co. fleißig auf Nahrungssuche, besonders
bei Sonnenschein. An Orten, wie Kerstin Hakenbecks weitläufigem Gartenparadies in Emmerich-Vrasselt oder auch den viele hundert Quadratmeter umfassenden Garten von Klaus Bender und Manfred Lucenz in Schneppenbaum (Bedburg-Hau) ist für die Insekten die Welt noch in Ordnung.
Derzeit blühen hier zahllose Narzissen, Tulpen und viele weitere bunte Farbtupfer in den Beeten, die den Insekten ein Mahl bieten. Und das nicht erst seit Frühlingsanfang.
„In unserem Garten gibt es keinen Tag ohne Blüte, der blüht rund ums Jahr“, sagt Manfred Lucenz. Besondere Bedeutung wird dabei den Winterblühern zugeschrieben: „Die Blühstreifen mit Sonnenblumen sind nur Augenwischerei. Sie bieten nur für wenige Wochen im Hochsommer ein Angebot. Bienen und Insekten brauchen aber schon früh im Jahr Nahrung.“
Auch kleine Flächen können Insekten helfen
Vor diesem Hintergrund sieht Manfred Lucenz auch Blumenmischungen kritisch, weil sie meist erst im April ausgesät werden. „Sie sind aber aufgrund ihrer Vielfalt ein Schritt in die richtige Richtung.“
Nun hat nicht jeder einen viele hundert Quadratmeter umfassenden Garten hinterm Haus. Doch auch wer nur wenig Grünfläche zur Verfügung hat, könne aktiv etwas tun – das sagen sowohl Kerstin Hakenbeck als auch Manfred Lucenz.
Bepflanzte Randstreifen und Staudenbeete reichen aus
„Jeder Garten kann Insekten Futter bieten“, meint Lucenz. „Man muss jetzt nicht seinen Rasen umpflügen“ – diese Fläche sollten besser die Kinder nutzen dürfen, um wieder einen Bezug zur Natur zu bekommen. Er rät zu bepflanzten Randstreifen, wo bunt blühende Nektarspender als Zierblumen eingesetzt werden. Dabei gilt: „Nicht immer grün und pflegeleicht, sondern bunt und vielfältig!“
Und auch Kerstin Hakenbeck weiß: „Ein Blumentopf reicht, oder ein Balkonkasten.“ Für sie gilt: „Wenn jeder im Kleinen ein bisschen was tun würde, würden wir das Problem des Insektensterbens vielleicht wieder los werden.“
Einsteigern in Sachen Garten rät die Gartenbautechnikerin zu Staudenbeeten – die könnten auch schön mit anderen Gestaltungselementen kombiniert werden. „Es geht ja auch darum, dass die Leute sich in ihrem Garten wohlfühlen“, betont Hakenbeck.
Drei Kriterien: Standort, Boden, Blütezeit
Um ein Staudenbeet anzulegen, sei genau jetzt die perfekte Zeit. Allerdings gilt auch im Kleinen: „Man muss sehen, dass man den Insekten das ganze Jahr über etwas anbietet.“ So können hier im Frühjahr schon Krokusse, Narzissen oder Lungenkraut blühen, im Sommer folgen Phlox und Katzenminze und im Herbst bieten dann Astern und fette Henne Nahrung – so sind Bienen, Hummeln und deren Freunde das ganze Jahr über versorgt.
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Zudem sollte bei der Bepflanzung der Standort berücksichtigt werden. Wer beispielsweise einen sehr schattigen Garten hat, wird sich kaum an seinem Lavendel erfreuen können, denn der braucht sehr viel Sonne. Und auch auf den Boden sollten angehende Gärtner achten. So hat Hakenbeck in Vrasselt einen Lehmboden, weiß aber dass es ein paar Kilometer weiter, in Hüthum, Sandboden gibt.
Hakenbeck rät: „Einfach mal anfangen“
Allerdings, so betont Hakenbeck, sollten sich gerade Neulinge im Garten
nicht von zu viel komplizierter Theorie abschrecken lassen, sondern „einfach mal anfangen“. Ein Staudenbeet sei dafür ideal, weil es mit wenig Aufwand zu großem Erfolg führe. Zwar müsse Unkraut anfangs noch intensiver entfernt werden, doch im Verlauf des Gartenjahres verdichtet sich das Beet zusehends, so dass es später nicht mehr so häufig sein müsse.
Einmal im Jahr darf es dann noch zurückgeschnitten werden, am besten im Frühling: „Ökologisch betrachtet ist es sinnvoller erst im Frühjahr Großreine zu machen, nicht schon im Herbst“, erklärt Kerstin Hakenbeck. Denn Vögel können noch Samen in den Pflanzenresten finden und Insekten in den trockenen Halmen überwintern.
Wilde Ecken braucht die Natur
Überhaupt sei es ratsam, die Ordnung im Garten etwas „gelassener“ anzugehen: „Es ist toll, wenn man in seinem Garten eine ‘wilde Ecke‘ tolerieren kann“, meint Hakenbeck. „Solche Ecken braucht die Natur!“ Auch in ihrem Garten finden sich immer wieder Stellen mit Totholz oder Steinhaufen – potenzieller Lebensraum, nicht nur für Insekten, sondern auch für Amphibien oder kleinere Säugetiere, wie Igel.
Nützlinge bekämpfen Schädlinge
Es ist die biologische Vielfalt, die sowohl den Garten von Kerstin Hakenbeck als auch den von Manfred Lucenz und Klaus Bender zu wahren Paradiesen machen. Die vielen Blumen ziehen Insekten an, diese locken Vögel und andere Nützlinge her, die in Bäumen, Büschen und Hecken Nistplätze finden.
Von dort aus Sorgen sie wieder dafür, dass es den Pflanzen gut geht. „Jedes Blatt wird mindestens einmal pro Tag von irgendeinem Piepmatz durchgefilzt“, erklärt Lucenz.
„Die Leute gucken immer auf die Rosen“, ergänzt Klaus Bender: „Keine Läuse – was spritzen Sie?“, fragten sie dann. Die Antwort ist: Gar nichts. Seit rund 30 Jahren gärtnern Bender und Lucenz, die längste Zeit davon ohne Chemiekeule. Anfangs hätten sie noch gespritzt, aber als sie dann sahen, wie die Vögel ihr Futter im Garten suchten, hörten sie damit auf: „Das war uns nicht geheuer“, so Manfred Lucenz.
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>>WANN GÄRTEN BESUCHT WERDEN KÖNNEN
Sowohl Kerstin Hakenbeck als auch das Ehepaar Lucenz-Bender öffnen regelmäßig ihre Gartenpforte für Besucher: im Rahmen der „Offenen Gärten im Kleverland“. Öffnungszeiten sind jeweils von 11 bis 17 Uhr, der Eintritt liegt jeweils bei drei Euro.
Der Garten von Kerstin Hakenbeck, Marienweg 7 in Emmerich, ist am 7. Juni (Fr), 16. Juni (So), 5. Juli (Fr), 21. Juli (So), 2. August (Fr) und 1. September (So) geöffnet. Besucher werden gebeten an der Kirche (Dreikönige) zu parken.
Das Ehepaar Lucenz-Bender öffnet seine Gartenpforte, Mühlenstraße 6 in Bedburg-Hau, das nächste Mal am 28. April (So), dann 5. Mai (So), 12. Mai (So), 26. Mai (So), 1. und 2. Juni (Sa und So), 10. Juni (Mo), 15. und 16. Juni (Sa und So), 30. Juni (So), 14. Juli (So), 8. September (So) und 29. September (So).
Sämtliche Termine der Gärten im Kleverland gibt es unter: www.gaerten-kleverland.de.