Duisburg. In Duisburg gammelt eine alte Fabrik ganz versteckt vor sich hin. Unsere Bilder zeigen den Ort, der schon Kulisse für skurrile Fotoshootings war.
Wer diesen Ort nicht kennt, wird erstaunt sein, dass hier am Rande von Duisburg-Baerl ein so imposantes Stück Industriegeschichte vor sich hin gammelt. Von außen kaum einsehbar, steht auf einem riesigen Gelände an der Jakob-Schroer-Straße die alte Rhein-Emscher-Armaturenfabrik. Vor 110 Jahren gebaut, folgte nach der goldenen Zeit der Stahlindustrie kurz vor der Jahrtausendwende die Insolvenz des Betriebes, der einst Hochofenarmaturen aus Kupfer herstellte und sehr gut im Geschäft war.
Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]
„Das tut mir in der Seele weh, wie kaputt hier jetzt alles ist“, sagt Heinz-Dieter Giesen. Der Baerler wohnt nicht nur direkt neben diesem verlassenen Ort, er hat hier auch früher gearbeitet. Als Student der Eisenhüttenkunde malochte er in den Semesterferien in der Gießerei. Auch sein Onkel und die Mutter verdienten ihr Geld in der Armaturenfabrik.
„Betreten strengstens verboten. Es besteht Lebensgefahr!“, steht auf einem rot umrandeten Banner am verschlossenen Eingangstor. Unsere Redaktion darf trotzdem auf das Gelände – dafür hat uns der Architekt, der für die Eigentümer des alten Fabrikgeländes ein Konzept erarbeitet hat, sein Okay gegeben. Der Helm, den er für die Besichtigung empfohlen hat, macht Sinn.
Zertrümmerte Glasscheiben in den alten Fabrikhallen in Duisburg-Baerl
Die Dächer der Fabrikhallen wirken alles andere als vertrauenswürdig. Die Glasscheiben sind zertrümmert, Verkleidungen hängen in Fetzen herab, Kabel wurden aus den Wänden gerupft, der hölzerne Fußboden ist aufgerissen. Auch das mit der „Lebensgefahr“ nehmen wir ernst. Hier soll, so erzählt man sich in Baerl, schon mal ein Eindringling gestorben sein, weil er Kabel klauen wollte, durch die damals noch Strom mit 10.000 Volt floss.
Industriebrache in Baerl
Nach dem Dauerregen der vergangenen Nacht tropft es durch das undichte Dach in riesige Pfützen, die sich dort breit machen, wo einst die Dreher und Schweißer an ihren Arbeitsplätzen standen. In der Luft liegt noch immer der Geruch vergangener Zeiten. Das beißende Aroma, das man von alten Bahnschwellen kennt, steigt in die Nase. Gesund ist das sicher nicht. „Hochkontaminiert“ ist der Boden, das haben Untersuchungen ergeben. Heinz-Dieter Giesen hat uns erzählt, dass es hinter einer der Hallen eine Grube gab, in die einfach alles hineingekippt wurde. „Da hat ja damals keiner nach gefragt.“
Es gab eine Phase, da stand die Baerler Fabrik bei Hobbyfotografen und Liebhabern von „Lost Places“ hoch im Kurs. Im Internet kursieren reichlich Bilder und Videos des Industriedenkmals. Die Spuren, die die Besucher hinterlassen haben, sind nicht zu übersehen. Graffiti, Bierdosen und Müll allüberall. An einer Wand hängen schwarze Netzstrümpfe. Nachbar Giesen hat schon häufig beobachtet, wie ganze Teams mit Kamera & Co. zu Mode-Shootings in der anfangs noch charmant heruntergekommenen Kulisse anrückten.
Der Fabrikdirektor fuhr im Cadillac durch Duisburg-Baerl
Dann wurde offenbar die Zerstörungswut größer als die Neugier auf den geschichtsträchtigen Ort. „Das ist wirklich grauenhaft“, sagt Heinz-Dieter Giesen. „Früher war das alles topp in Ordnung. Darauf hat der alte Nienhaus geachtet.“ Das war der Fabrikdirektor, der sich von seinem Chauffeur in teuren amerikanischen Autos durch Baerl kutschieren ließ. „Der hatte einen Cadillac und einen Buick mit Weißwandreifen.“ Wenn der Herr Direktor durchs Dorf fuhr, standen die Kinder am Straßenrand stramm. „Wir haben uns sogar verneigt vor dem.“
Die Villa, in der Direktor Nienhaus damals wohnte, wurde vom Insolvenzverwalter erfolgreich verkauft. Die damalige Umweltministerin Bärbel Höhn soll sie mal als Wohnsitz ins Auge gefasst haben. Dann war ihr aber wohl die Nähe zur Autobahn doch zu laut. Heute gehört sie einem Privatmann, der das Haus schön herausgeputzt hat, während wenige Meter weiter der Rest der Fabrikanlage immer weiter verkommt.
Was wird aus dem Lost Place in Duisburg-Baerl?
Nachdem es lange ruhig war um dieses marode Stück Duisburger Industriegeschichte, tauchte in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort/Baerl die Jakob-Schroer-Straße auf der Liste der Straßen auf, für die ein Umbau oder eine Sanierung ansteht. Bei dem Straßenabschnitt vor der Hausnummer 16 steht als Angabe zum Zeitplan: „Warten auf Umnutzung der Rhein-Emscher-Armaturenfabrik“.
Tut sich da bald etwas an dem verlassenen Ort im Duisburger Westen? Die Frage nach der Zukunft des Fabrikgeländes mit den denkmalgeschützten Hallen ist hoch kompliziert. Hier prallen Interessen von Stadt, Anwohnern und dem Eigentümer aufeinander. Seit 2015 gehört das Ensemble der Wuppertaler Firma „Reale Werte“, die zugesagt hat, mit unserer Redaktion über ihre Pläne und die Problematik der Umsetzung zu sprechen. Die Geschichte geht also weiter.