Der junge Duisburger Fotograf Marcel Hein ist fasziniert von „Lost Places“. Seine Bilder fangen die Würde dieser vergessenen Plätze ein.
Marcel Hein ist ein junger Mann, der Altes liebt. Davon kündet nicht nur seine geschmackvoll gestaltete Wohnung, in der jedes Zimmer aus einer anderen Zeit zu stammen scheint – Chippendale-Möbel im Wohn-, 50-Jahre-Design im Arbeits-, Gründerzeit im Esszimmer. Doch mehr noch als alte Möbel, die er selbst liebevoll wieder aufbereitet, faszinieren den 21-jährigen Duisburger verlassene Orte.
Nichts verändern
Autofriedhöfe, bröckelnde Gemäuer, stillgelegte Industrieanlagen, verwaiste Wohnräume, vergessene Schulen und Burgen ziehen Marcel Hein magisch an. Sobald er wieder einen entdeckt hat, zieht er mit seiner Kamera los. Meistens mit Freuden oder Gleichgesinnten und fast immer zu nachtschlafender Zeit. „Damit wir den Ort im frühen Tageslicht erleben können“, erklärt Hein, warum er solche Mühen auf sich nimmt. „Ich brauche den Raum auch erstmal für mich. Die Ruhe und das Alleinsein dort ist für mich wichtig, um den Ort auf mich wirken zu lassen.“
In die Flucht gesetzt
Erst dann nimmt er die Kamera zur Hand, setzt den Raum „in die Flucht“, wie er sagt. „Lieber arbeite ich mit dem Weitwinkel. Details interessieren mich weniger.“ Vor allem aber muss das Licht stimmen. „Zusätzliches Licht wirkt immer unecht. Ich will die Orte lieber authentisch“, betont Hein. Dazu gehört auch, an den verlassenen Orten nichts zu hinterlassen oder zu verändern. Dieses ungeschriebene Gesetz behandelt Marcel Hein mit ebensolchen Respekt wie die Zimmer und Orte, die er betritt.
Schließlich waren sie mal das Zuhause, die Arbeitsstätte oder der Ausbildungsplatz von Menschen. Und selbst wenn sie nun dem unübersehbaren Verfall überlassen sind, zeichnen diese Orte doch oft eine Würde und eine eigenartige Schönheit aus. Marcel Hein besitzt das Talent und den Blick, um beides in seinen Fotos einzufangen.
Fundorte in Belgien und Hessen
Mehr noch – viele Bilder scheinen eine Geschichte zu erzählen, auch wenn es nicht die wahre Geschichte der Menschen ist, die an dem Ort tatsächlich gelebt haben. Das Foto einer ehemaligen Urologenpraxis wirkt wie ein Kriegslazarett, das eiligst verlassen wurde. Auf einem anderen Bild sehen die Pantoffeln vor einem zerwühlten Himmelbett, auf das die sich lösenden Tapeten schon herunterhängen, aus, als würden sie auf ihre Besitzerin warten. Kaum zu glauben, dass Menschen ihr Zuhause so zurücklassen, wenn sie nicht – aus welchem Grund auch immer – dazu gezwungen werden.
„Vieles, was man zu Gesicht bekommt, konnte man sich vorher nicht vorstellen“, sagt Marcel Hein. Die Suche nach diesen „Lost Places“ hat den Hobby-Fotografen, der sein Geld als Elektroniker verdient, schon quer durch Europa geführt. Vor allem in Belgien und im Osten Deutschlands, aber auch in Hessen, ist er häufig fündig geworden.
Wildes Rumfahren
Aber wie sind solche Plätze zu entdecken? „Im Internet“, verrät Marcel Hein. „Aber oft ist es auch wildes Rumfahren.“ Alle, denen die vergessenen Orte am Herzen liegen, versuchen sie auch zu schützen, indem sie möglichst geheim gehalten werden. „Wir kehren auch manchmal an einige Orte zurück“, erzählt Hein. „Oft muss man sich damit abfinden, dass andere Leute den Ort mutwillig zerstört oder mit Graffiti beschmiert haben.“
Anfangs hat Marcel Hein, der sich das Fotografieren selbst beigebracht hat, auch Porträts gemacht. Vor einigen Jahren hat er sich auf die vergessenen Orte spezialisiert, und ein Ende dieser Leidenschaft ist noch nicht abzusehen. „Nach Amerika und nach London würde ich gerne mal. Da stehen so viele schöne alte Sachen rum“, schwärmt er. „Aber wenn ich mir einen Lost Place aussuchen könnte, hätte ich gern etwas barockes mit viel Stuck.“
Erste eigene Ausstellung
Das Eurotec Moers zeigt vom 24. Februar bis zum 10. März die erste eigene Ausstellung von Marcel Hein in seinen Räumen am Eurotec-Ring 15, in Moers. Samstags von 12 bis 18 Uhr und dienstags von 17 bis 20 Uhr ist Hein selbst vor Ort. In Duisburg waren Einzelarbeiten bisher nur im Finkenkrug und im Grammatikoff zu sehen.