Düsseldorf.
Fortuna siegt - und im „Goldenen Fass“ in Flingern brechen alle Dämme. Die NRZ-Lokalredaktion wird in den nächsten Wochen und Monaten auch bei den Auswärtspartien der Rot-Weißen live dabei sein und den etwas anderen Spielbericht liefern. Nicht aus Augsburg, Bremen, Schalke oder Hamburg, sondern aus den Gaststätten in den Stadtteilen. Von dort also, wo diejenigen Düsseldorfer sind, die keine Zeit, kein Geld oder aus irgendeinem anderen Grund nicht die Möglichkeit hatten, die Auswärtsreise anzutreten – stattdessen vor dem Fernseher in ihrer Lieblingskneipe sitzen und ihren Jungs die Daumen drücken.
Man muss nicht Fortuna-Fan sein, nur weil man aus Düsseldorf kommt. Marc aus Flingern zum Beispiel drückt Werder Bremen die Daumen. Bremen hat schon gespielt, am Freitag, und verloren. Doch Marc geht trotzdem mit seiner Frau Jasmin und Söhnchen Leon (6) einen Tag danach wieder Fußball gucken. Diesmal Fortuna. Jasmin und Leon sind große Fans. Marc hat schlechte Laune, aber er liebt seine Familie.
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Marc, Jasmin, Leon und ganz viele andere Menschen schauen Fortunas Partie in Augsburg in der Gaststätte „Zum Goldenen Fass“ an der Ecke Dorotheenstraße/Ackerstraße. Wenn hier kein Fußball läuft, sitzen vorne im Schankraum-Bistro ein paar Leute, und hinten durch im großen Saal werden Darts geworfen oder Billard gespielt. Jetzt aber läuft Fortuna, der Laden ist proppenvoll, und vor allem im Saal steht die Luft. Die Fans sitzen auf den Billardtischen, quatschen, qualmen, trinken und starren auf irgendeinen Bildschirm. Im Goldenen Fass gibt es davon ungefähr zehn. Und auf jedem spielt Weiß gegen Rot. Zwei große Ventilatoren hängen an der Decke, davon ist einer leider kaputt.
„Die Jungs können mehr“
Kellnerin Gaby hat einen Fortuna-Schal aus der Hosentasche hängen, muss alle zwei Minuten mit einem vollen Tablett in den Saal rennen und sagt hundert Mal an diesem Tag „Vorsüüüscht“. In einer Ecke sitzen zwei Punks. Es sind Zwillinge. Zwillingspunks. Wenn vierjährige Zwillingsmädchen völlig gleich aussehen, ist das ja okay. Aber die Zwillingspunks haben es geschafft, auch noch nach schätzungsweise 40 Jahren absolut identisch auszusehen. Identisch verlebt und zerrissen. Sogar die Zahnlücken befinden sich an denselben Stellen.
Nebenan stecken drei Frauen ihre Köpfe zusammen, rauchen Kette, trinken Bier und reden, reden, reden. Über Gott, die Welt, über Sozialausweise, Kindererziehung, sogar über den Platzsturm beim Relegationsspiel gegen Hertha. Nur das aktuelle Spiel auf der Mattscheibe interessiert sie nicht, und das geht einem auf den Keks. Die schlimmste der Quasselstrippen brüllt hin und wieder „Im Läve nit“ („Im Leben nicht“). Immer dann, wenn Sie im Augenwinkel bemerkt hat, dass die Weißen (also Augsburg) gerade aufs Tor schießen wollen. Jasmin und Leon und sogar Marc schauen konzentriert. Es steht noch 0:0, eigentlich super für Fortuna, doch Jasmin meint: „Die Jungs können mehr, das ist mir noch zu langweilig.“
3500 Euro für Abo und Gebühren
Auf dem Weg zum Klo begegnen einem häufig Jungs mit einem „Fortuna Eck“-Trikot. Fortuna-Eck, das ist eine Kneipe nicht weit vom „Fass“ entfernt. Dort haben die Fans früher auch Fortuna geguckt. Aber für Moni, der Inhaberin vom „Eck“, ist das Bezahlfernsehen zu teuer. Monis Jungs sind übergelaufen. “Fass“-Chef Detlef Barth zahlt im Jahr rund 3500 Euro für Abo und Gema-Gebühren. „Aber für uns lohnt sich das, der Laden ist immer voll.“
In der 68. Minute haut Düsseldorfs Schahin den Ball in die Augsburger Maschen. 1:0 für Fortuna. Der Jubel ist riesig, Kellnerin Gabys „Vorsüüüscht“ wird zur Dauerschleife. Und die quasselnde Kettenraucherin freut sich in dieser 68. Minute so wunderbar echt, dass man ihr die letzten 67 Minuten nicht mehr übelnimmt. Als Teufelskerl Schahin kurze Zeit später auch noch das 2:0 schießt, schlägt’s dem Fass den Boden aus. Jasmin nimmt Söhnchen Leon in die Arme und auch Bremen-Papa Marc kann wieder lachen.
Und noch bevor das Spiel vorbei ist, geht Kati Barth, das ist die Gattin des Inhabers, mit einem dicken Portemonnaie vor die Türe. „Wenn Fortuna spielt, wird draußen bezahlt“, sagt die Frau im rot-weißen Trikot. Nicht, dass noch jemand im Siegestaumel seine Rechnung vergisst.