Düsseldorf. „Toten Hosen“-Frontmann Campino hat am Dienstag die erste von zwei Vorlesungen an der HHU gehalten. So schlug sich der Musiker als Gastprofessor.
„Schön, dass ihr es alle durch den Düsseldorfer Berufsverkehr geschafft habt“, sagt Campino, während er seine Umhängetasche auf den Stuhl legt und seine Unterlagen herausholt. Der Hörsaal 3A der Heinrich-Heine-Universität (HHU) ist am Dienstag voll, nur wenige Plätze in den obersten Rängen sind noch frei. Das Interesse an Campinos Gastprofessur ist riesig. 30.000 Menschen haben sich für die erste von zwei Vorlesungen beworben, 650 haben einen Platz bekommen.
Das Gebäude, in dem die Vorlesung stattfindet, ist schon ab dem Nachmittag abgeriegelt. An allen Eingängen stehen Security-Leute. Nur wer einen Stempel oder ein Einlassbändchen hat, kommt rein. „So viel Aufwand hatten wir bei keiner anderen Gastprofessur“, betont HHU-Rektorin Anja Steinbeck. „Ich habe da gar nicht so ein großes Ding draus gemacht“, sagt Campino zu seiner Gastprofessur.
.„Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer. Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik“ heißt die Vorlesung des Toten-Hosen-Frontmanns. „Eine gute Gedichtanalyse kann man von mir heute nicht erwarten. Das können andere besser. Ich bin kein Lehrer, kein Professor, will niemanden belehren, sondern nur meine Begeisterung für Texte teilen.“
HHU-Rektorin: Campino und Heinrich Heine haben Gemeinsamkeiten
Campino ist nach Wolf Biermann erst der zweite Heinrich-Heine-Gastprofessor mit musikalischem Hintergrund. Anja Steinbeck musste aber nicht lange zögern, den Punkrocksänger für die Gastprofessur auszuwählen. „Campino die Gastprofessur zu verleihen, liegt näher als man glaubt. Heinrich Heine war ein kritischer, für manche auch unbequemer Zeitgenosse mit spitzer Feder, quasi auch ein Punker. Campino ist für sein starkes soziales und politisches Engagement bekannt, setzt sich für diejenigen ein, die keine laute Stimme haben. Er ist aber eben auch ein Kritiker“, erklärt Steinbeck.
Die HHU ist Campino nicht fremd. 1985 gab er hier sein legendäres Punk-Konzert in der Mensa. „Danach war die Mensa nicht wiederzuerkennen“, sagt der Musiker mit einem verschmitzten Lächeln. Die Lampen seien von der Decke heruntergerissen, die Toiletten völlig zerstört worden. Aber auch eingeschrieben war Campino für ein Studium an der Düsseldorfer Uni: Englisch und Geschichte wollte Andreas Frege, wie der Sänger mit bürgerlichem Namen heißt, studieren. „Aus terminlichen Gründen habe ich es leider nicht geschafft“, sagt er.
Campino macht Düsseldorfer Uni-Hörsaal zum Konzertsaal
Nein, eine klassische Vorlesung ist diese Gastprofessur sicher nicht. Immer wieder greift Campino zum Mikro, um einen Song anzustimmen. „The Model“ von Kraftwerk zum Beispiel oder „Draußen vor der Tür“ von den Toten Hosen, das Campino seinem Vater gewidmet hat. Übrigens: Der Düsseldorfer schreibt die Songtexte für die Toten Hosen komplett selbst. „Bei 90 Prozent der Lieder ist erst die Musik da. Daraufhin schreibe ich den Text – auslösend von der Stimmung der Musiksprache“, so der Musiker.
Die Atmosphäre im Hörsaal 3A gleicht eher einem Konzert als einer Vorlesung. Das Licht ist gedimmt. Und Gastprofessor Campino scheint sich auf der Bühne sichtlich wohlzufühlen. Still sitzt er nicht, wechselt ständig zwischen dem schwarzen Tisch mit der Schreibtischlampe und seinem Holzhocker hin und her. Statt wissenschaftlich zu belehren, quatscht er mit seinen Zuhörern, gibt persönliche Einblicke in sein Leben.
Es herrscht aber auch absolute Stille, wenn Campino Gedichte von Erich Kästner oder Texte von Kraftwerk zitiert. Oder aber, wenn der 61-Jährige davon erzählt, wie er drei Wochen nach dem Tod seiner Mutter das Lied „Nur zu Besuch“ geschrieben hat. Natürlich stimmt er das mit seinem Gitarristen Kuddel auch an. Während er singt, bricht ihm die Stimme weg. „Habe ich zu nah an mich rankommen lassen“, sagt Campino nach dem Lied. Das macht ihn nahbar, macht ihn authentisch. Das Publikum applaudiert.
Gastprofessor Campino überzieht seine Vorlesung an der HHU
Nach einer knappen Stunde schaut Campino auf die Uhr, flüstert seinem Gitarristen Kuddel etwas ins Ohr. „Wir sind das Programm nie durchgegangen“, sagt er ans Publikum gerichtet. „Nach meinem Gefühl sind erst zehn Minuten um, aber wir müssen ein Lied weglassen“, erklärt Campino. Die angestrebten 90 Minuten hat Campino trotzdem gesprengt. Unruhig wird es im Hörsaal aber nicht – auch nach zwei Stunden nicht.
Tickets für die zweite Campino-Vorlesung
Die Heinrich-Heine-Gastprofessur ist ein Geschenk des Landes NRW an die HHU. Erster Gastdozent war 1991 der Literatur-kritiker Marcel Reich-Ranicki. Auch Helmut Schmidt, Joschka Fischer, Juli Zeh oder Joachim Gauck haben bereits eine Vorlesung in Düsseldorf gehalten.
Campinos zweite Vorlesung am 23. April um 16.30 Uhr steht unter dem Titel „Alle haben was zu sagen. Die Kakophonie unserer Zeit“. Darüber spricht Campino mit dem Journalisten und Autor Philipp Oehmke. Tickets für die zweite Vorlesung gibt es ausschließlich über eine Online-Verlosung. Die Verlosungs-Webseite www.hhu.de/gastprofessur/ticketverlosung ist vom 3. bis 9. April freigeschaltet. Es kommt innerhalb dieses Zeitfensters nicht darauf an, wer sich zuerst für die Verlosung registriert. Alle, die an der Verlosung teilnehmen, haben die gleiche Chance auf ein Ticket für maximal zwei Personen.
Ob Campino erneut eine Gastprofessur übernehmen würde? Festlegen möchte sich der Sänger da noch nicht. „Ich habe viele Termine“, sagt er. Aber er könnte sich andere Musiker an der HHU gut vorstellen. „Materia oder Felix Kummer von Kraftklub“, sprudelt es aus ihm heraus. „Die hätten auch viel zu erzählen.“
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