Düsseldorf. In Düsseldorf übernachten immer mehr Menschen in Notschlafunterkünften. Was die Stadt nun vorhat. Und was Streetworker fordern.
Die Temperaturen fallen. Und einsetzende Kälte wurde von Düsseldorfs Ordnungsdezernentin Britta Zur auch als Begründung der kürzlich erfolgten Räumung der Baugrube am Grand Central genannt. Vor diesem Hintergrund hat die Ratsfraktion der Linken am Dienstag im städtischen Ausschuss für Gesundheit und Soziales eine Anfrage gestellt, die die Situation der Düsseldorfer Obdachlosen im kommenden Winter betrifft.
Nach Angaben der Stadt gebe es in Düsseldorf etwa 240 Obdachlose. Also Menschen, deren Lebensmittelpunkt auf der Straße ist. Thomas Tackenberg, Altstadt-Streetworker von „Axept“ und Lehrbeauftragter an der Hochschule Düsseldorf (HSD), geht außerdem von insgesamt 3500 Wohnungslosen in der Landeshauptstadt aus. Und die Zahl steige, in Düsseldorf und bundesweit. So hat sich die Zahl der deutschlandweit Wohnungslosen von 2021 auf 2022 um mehr als 50 Prozent erhöht. Komplett auf der Straße leben bundesweit 37.400 Menschen. Düsseldorf liegt hier nur geringfügig unter dem Bundestrend.
Notschlafstellen seien „überfüllt“
Das schlägt sich auch in den Notunterkünften nieder, wie Tackenberg berichtet: „Schon jetzt sind die Notschlafstellen überfüllt, zumindest dann, wenn wir die Zwei-Zimmer-Belegung beibehalten wollen.“ In Düsseldorfs Notunterkünften wird angestrebt, dass pro Zimmer höchstens zwei Menschen unterkommen. Das sei nach Ansicht des Streetworkers auch notwendig: „Bei Obdachlosen handelt es sich oftmals um psychisch kranke Menschen, viele halten es in einem Zimmer mit anderen Menschen einfach nicht aus.“ Das führe bei höherer Belegung oft dazu, dass diese Menschen Nothilfe nicht mehr annehmen würden.
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Tackenberg geht davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Wohnungslosen auch psychische Erkrankungen haben. Ein Wert, den auch andere Streetworker bestätigen. Vor diesem Hintergrund sagt Tackenberg: „Die Zwei-Zimmer-Belegung ist gut, das sollten wir beibehalten“. Aber wenn die Notschlafstellen bereits Ende November belegt sind, die vier statistisch kältesten Monate also noch bevorstehen, braucht es mehr.
Etwa zusätzliche Angebote für den Tag: „Es macht keinen Sinn, wenn jemand morgens um sieben aus der Unterkunft rausmuss und erst um halb zehn am Abend wiederkommen kann.“ Die Tagesstellen, umgangssprachlich als „Wärmestuben“ bezeichnet, reichten laut Tackeberg nicht aus, den Bedarf zu decken und schätzt den Bedarf auf ein bis zwei zusätzliche Tagesstellen.
Was sagt die Stadt?
Die Notschlafstellen verfügen nach Aussage von Miriam Koch, Dezernentin für Kultur und Integration, über ausreichend Plätze. Zur Not könne das Angebot hochgefahren werden. Koch verweist darauf, dass seit 2019 die Zahl der Menschen, die die Notschlafstellen in Düsseldorf in Anspruch genommen haben, kontinuierlich gestiegen ist. 2022 waren es 1744.
Mit dem Stichtag des 22. November waren es in diesem Jahr mit 1789 Personen bereits mehr als im ganzen Vorjahr, die in Notschlafstellen unterkamen. Die zur Verfügung stehenden Plätze würden laut der Dezernentin aber ausreichen. Auf der Straße müsse daher niemand schlafen, betont sie. Und auch das Tagesangebot könne mittlerweile ausgeweitet werden. Koch verwies zudem darauf, dass eine neue Stelle bereits eingerichtet sei. Auch der Bahnhof an der Heinrich-Heine-Allee werde von der Rheinbahn bei Kältegraden nachts geöffnet, erklärte Miriam Koch in der Ausschusssitzung.
Betti Tielker von der Wohnungslosenhilfe „Care24“ unterstützt das: „Die Nothilfe greift.“ Die Winternothilfe in Düsseldorf sei auf einem guten Weg. Aus Sicht von Tielker ist die Stadt ganz klar „Kooperationspartner“. Und auch Jürgen Plitt von den Franzfreunden lobt die Arbeit der Stadt: „Wir haben die Möglichkeit, dass jeder Mensch nachts aufgenommen wird.“ Aber nicht jeder Wohnungslose weiß um die Notschlafstellen. Die Franzbrüder und Care24 suchen daher gezielt Menschen auf, die auf der Straße leben. Auch die Stadt will nun mit einer Flyeraktion für die städtischen Angebote werben, wie Dezernentin Koch am Dienstag mitteilte.
Das eigentliche Problem: Fehlender Wohnraum
Oliver Ongaro vom Straßenmagazin Fiftyfifty fordert hingegen nachhaltigere Lösung im Umgang mit den Obdach- und Wohnungslosen in Düsseldorf: „Notschlafunterkünfte sind immer nur Symptombehandlungen. Was wir eigentlich brauchen ist, dass wir die Menschen wieder in die Systeme bringen.“
Das zugrundeliegende Problem sei der fehlende Wohnraum im Stadtgebiet, meint der Streetworker. Man müsse den Menschen ermöglichen, dass sie wieder wohnen. Die Notschlafstellen böten sich dabei durchaus als Ort an, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. „Auch die Räumungsaktion wäre eine Möglichkeit gewesen, umzudenken.“ In anderen Städten würden Mitarbeiter des Jobcenters in die Schlafstellen kommen, um dort Personen gezielt anzusprechen, wie Ongaro berichtet. In Düsseldorf werde das nicht getan, dabei sei genau das ein Ansatz, Menschen wieder in die Systeme zu integrieren.
Miriam Koch ist überzeugt, dass die Stadt alles im Blick habe, um auch kurzfristig reagieren zu können: „Wir fahren auf Sicht.“ Doch sie stellt ebenfalls fest, dass die große Herausforderung der angespannte Wohnungsmarkt in Düsseldorf ist. Wenn sich auf diesem Feld nichts bewege, dann werde auch das Problem der Obdachlosigkeit zunehmen. Dies sieht auch Betti Tielker so und richtet dabei den Blick auf andere Kommunen. In Duisburg etwa stehe genug Wohnraum zur Verfügung. Dort gelinge es, Menschen zu reintegrieren. Soziale Arbeit könne hier direkt in der Wohnung ansetzen. An Wohnraum aber mangele es in Düsseldorf bekanntlich. Und das verschärfe die Situation.
Thomas Tackenberg sieht ein weiteres Problem: „Mittlerweile haben es auch Empfänger von Bürgergeld immer schwerer, eine Wohnung zu bekommen. Auch das trägt zum Anstieg der Obdachlosigkeit bei.“ Und tatsächlich: Die Beratungsstelle für Obdachlose kann einen deutlichen Anstieg der in Anspruch genommenen Beratungen verzeichnen. Schon jetzt sind es in 2023 beinahe 400 Fälle mehr als im Vorjahr. Und 2021 waren es nochmal knapp 280 Fälle weniger. Obdachlosigkeit und die Beschäftigung mit ihr nehmen auch in Düsseldorf zu.