Voerde. . Beim Thema Sicherheit an Bahngleisen gehen die Sichtweisen der Bahn und der zuständigen Feuerwehren auseinander. An der Betuwe-Linie ringen die Feuerwachen um ein Sicherheitskonzept, das ihren Ansprüchen entspricht. In den Diskussionen spielen Lärmschutzwände eine zentrale Rolle.

Die Gefahr rollt mit. Tag für Tag. Auch auf den Bahngleisen zwischen Oberhausen und Emmerich, wo Güterzüge durch die Kommunen vorbei an (dicht) besiedelten Bereichen fahren, ein Teil davon mit Gefahrgut beladen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ein Kesselwagen entgleist, zu explodieren droht oder gar in die Luft geht. Kein Horrorszenario – Unfälle wie diese passieren. Für die Feuerwehren an der Linie Oberhausen - Emmerich wird sich die Einsatzsituation nach dem dreigleisigen Streckenausbau noch einmal deutlich erschweren.

Kehrseite des Lärmschutzes

Der von Anwohnern verständlicherweise herbei gesehnte Lärmschutz, der im Zuge des geplanten Betuwe-Ausbaus kommen soll, hat auch eine Kehrseite: Für die Blauröcke, die an der Unfallstelle Ersthilfe leisten müssen, stellen die meterhohen Wände ein zusätzliches Hindernis dar, wie Ernst Wardemann, Chef der Freiwilligen Feuerwehr in Voerde, klar macht.

Der Bahndamm sei an vielen Stellen ohnehin schon erhöht. Erdwälle sind aus Sicht der Feuerwehr die bessere Alternative, die Wehrleute können darüber zu den Gleisen laufen. Bei Lärmschutzwänden indes müssen Rettungstüren eingebaut werden. Nicht nur hier gehen die Ansichten von Bahn und Feuerwehr auseinander. Das Unternehmen hält eine Rettungstür alle 500 Meter und eine Breite von zwei Metern für ausreichend, die Feuerwehr fordert, sie alle 200 Meter (2,50 Meter breit) zu installieren.

Güterzüge sind laut. Der Lärmschutz stellt für die Rettungskräfte aber oft ein Hindernis dar.
Güterzüge sind laut. Der Lärmschutz stellt für die Rettungskräfte aber oft ein Hindernis dar. © NRZ

Vier Brände im vergangenen Jahr

Wardemann hat festgestellt, dass das Thema Sicherheit im Bewusstsein der Bürger noch nicht verankert ist, ihn wundert, dass die Menschen trotz des vorhandenen Risikos „so ruhig sind“. Der Feuerwehrchef betont, kein Schreckensbild herauf zu beschwören, er verweist auf bloße Fakten – etwa darauf, dass auf den Gleisen Kesselwagen unterwegs sind, die bis zu 95 000 Liter Flüssigkeit wie zum Beispiel Benzin transportieren, oder darauf, dass durch Räder, die aus den Schienen gesprungen sind und auf den Betonquerstücken laufen, Funkenflug entstehen kann, der möglicherweise den Kesselwagen erreicht.

2013 habe es in Voerde zwischen Alter Hammweg und Dinslakener Stadtgrenze am Bahndamm viermal gebrannt, berichtet der Feuerwehrchef. Neben festgefahrenen Bremsen, die heiß laufen, kann dafür auch ein aus den Schienen gesprungenes Rad Ursache gewesen sein.

Deutsche Bahn als unangenehmer Verhandlungspartner

Angesichts der lauernden Gefahren ringen die Feuerwehren entlang der Betuwe-Strecke schon seit vielen Jahren um das Thema Sicherheit, ihre Forderungen haben sie in einem Positionspapier formuliert, das an die Vorkehrungen in den Niederlanden angelehnt ist, wo die Betuwe-Linie neu gebaut wurde.

Die Deutsche Bahn erlebt Wardemann, der mit den anderen Feuerwehrchefs der Anrainer-Kommunen in der Untergruppe Sicherheit der interkommunalen AG Betuwe vertreten ist, als „unnachgiebigen“ Verhandlungspartner, der sich bei den Kosten zur Umsetzung der Forderungen nicht in der Verantwortung sieht. Das Sicherheitspaket der Feuerwehr an der Strecke hätte nach Berechnungen der Bahn laut Wardemann ein Volumen von 40 Millionen Euro. Zwar sehe die Bahn die Notwendigkeit ein, bezahlen aber sollen die, von denen die Forderungen kommen: die Kommunen.

Situation der Anwohner

Ellen und Henning Kapp aus Voerde wohnen circa 50 Meter von der Betuwe-Linie entfernt in ihrem Haus an der Grenzstraße. Lärmbelästigung und Vibration sind vorprogammiert. Foto aus dem Dezember 2009. (Foto: Heiko Kempken)
Ellen und Henning Kapp aus Voerde wohnen circa 50 Meter von der Betuwe-Linie entfernt in ihrem Haus an der Grenzstraße. Lärmbelästigung und Vibration sind vorprogammiert. Foto aus dem Dezember 2009. (Foto: Heiko Kempken) © Heiko Kempken / WAZ FotoPool
Gerda Lueb-Markett vom Haus Offenberg in Emmerich-Praest zeigt die zahlreichen Risse und Schäden am Haus. Mai 2007. (Foto: Klaus Janssen)
Gerda Lueb-Markett vom Haus Offenberg in Emmerich-Praest zeigt die zahlreichen Risse und Schäden am Haus. Mai 2007. (Foto: Klaus Janssen) © NRZ Janssen
Gerda Lueb-Markett vom Haus Offenberg in Emmerich-Praest ärgert sich über die Güterzüge, die an ihrem Haus vorbeirauschen. Bild aus dem Oktober 2009. (Foto: Johannes Kruck)
Gerda Lueb-Markett vom Haus Offenberg in Emmerich-Praest ärgert sich über die Güterzüge, die an ihrem Haus vorbeirauschen. Bild aus dem Oktober 2009. (Foto: Johannes Kruck) © WAZ FotoPool
Gerda Lueb-Markett vom Haus Offenberg in Emmerich-Praest ärgert sich über die Güterzüge, die an ihrem Haus vorbeirauschen. Bild aus dem Oktober 2009. (Foto: Johannes Kruck)
Gerda Lueb-Markett vom Haus Offenberg in Emmerich-Praest ärgert sich über die Güterzüge, die an ihrem Haus vorbeirauschen. Bild aus dem Oktober 2009. (Foto: Johannes Kruck) © WAZ FotoPool
Sie zeigt die zahlreichen Risse und Schäden am Haus. (Foto: Johannes Kruck)
Sie zeigt die zahlreichen Risse und Schäden am Haus. (Foto: Johannes Kruck) © WAZ FotoPool
Sie zeigt die zahlreichen Risse und Schäden am Haus. (Foto : Johannes Kruck)
Sie zeigt die zahlreichen Risse und Schäden am Haus. (Foto : Johannes Kruck) © WAZ FotoPool
Christine Kelbassa und Manfred Flore von der Bürgerinitiative gegen die Betuwe-Linie demonstrieren am Dänenkamp in Oberhausen-Barmingholten wie nah die Güterzüge an der Wohnbebauung und den Gärten vorbeifahren. September 2009. (Foto: Gerd Wallhorn)
Christine Kelbassa und Manfred Flore von der Bürgerinitiative gegen die Betuwe-Linie demonstrieren am Dänenkamp in Oberhausen-Barmingholten wie nah die Güterzüge an der Wohnbebauung und den Gärten vorbeifahren. September 2009. (Foto: Gerd Wallhorn) © WAZ FotoPool
Christine Kelbassa und Manfred Flore von der Bürgerinitiative gegen die Betuwe-Linie demonstrieren am Dänenkamp in Oberhausen-Barmingholten wie nah die Güterzüge an der Wohnbebauung und den Gärten vorbeifahren. September 2009. (Foto: Gerd Wallhorn)
Christine Kelbassa und Manfred Flore von der Bürgerinitiative gegen die Betuwe-Linie demonstrieren am Dänenkamp in Oberhausen-Barmingholten wie nah die Güterzüge an der Wohnbebauung und den Gärten vorbeifahren. September 2009. (Foto: Gerd Wallhorn) © WAZ FotoPool
Christine Kelbassa und Manfred Flore von der Bürgerinitiative gegen die Betuwe-Linie demonstrieren am Dänenkamp in Oberhausen-Barmingholten wie nah die Güterzüge an der Wohnbebauung und den Gärten vorbeifahren. September 2009. (Foto: Gerd Wallhorn)
Christine Kelbassa und Manfred Flore von der Bürgerinitiative gegen die Betuwe-Linie demonstrieren am Dänenkamp in Oberhausen-Barmingholten wie nah die Güterzüge an der Wohnbebauung und den Gärten vorbeifahren. September 2009. (Foto: Gerd Wallhorn) © WAZ FotoPool
Rees-Millingen, Anholter Straße: Wegen der Betuwe-Route ist auch eine Umlegung der Straßenführung  vorgesehen. In einem der Umgehungspläne müssen das Haus 1 und 1a abgerissen werden. Das betroffene Haus ist rechts im Bild zu sehen. September 2009. (Foto: Marc Albers)
Rees-Millingen, Anholter Straße: Wegen der Betuwe-Route ist auch eine Umlegung der Straßenführung vorgesehen. In einem der Umgehungspläne müssen das Haus 1 und 1a abgerissen werden. Das betroffene Haus ist rechts im Bild zu sehen. September 2009. (Foto: Marc Albers) © WAZ FotoPool
Susanne Beuting wohnt mit ihrer Familie in Hamminkeln-Mehrhoog direkt an den Bahngleisen. Sie befürchtet große Einbußen ihrer Wohnqualität, wenn die Betuwe-Linie fertig ist. Februar 2009. (Foto: Markus Weißenfels)
Susanne Beuting wohnt mit ihrer Familie in Hamminkeln-Mehrhoog direkt an den Bahngleisen. Sie befürchtet große Einbußen ihrer Wohnqualität, wenn die Betuwe-Linie fertig ist. Februar 2009. (Foto: Markus Weißenfels) © NRZ
Susanne Beuting wohnt mit ihrer Familie in Hamminkeln-Mehrhoog direkt an den Bahngleisen. Sie befürchtet große Einbußen ihrer Wohnqualität, wenn die Betuwe-Linie fertig ist. Februar 2009. (Foto: Markus Weißenfels)
Susanne Beuting wohnt mit ihrer Familie in Hamminkeln-Mehrhoog direkt an den Bahngleisen. Sie befürchtet große Einbußen ihrer Wohnqualität, wenn die Betuwe-Linie fertig ist. Februar 2009. (Foto: Markus Weißenfels) © NRZ
Erwin Stewering lebt an der Betuwe-Linie in der Feldmark in Wesel. Er hat schon seine eigene Schallmauer errichtet. Foto aus dem Januar 2009. (Foto: Markus Joosten)
Erwin Stewering lebt an der Betuwe-Linie in der Feldmark in Wesel. Er hat schon seine eigene Schallmauer errichtet. Foto aus dem Januar 2009. (Foto: Markus Joosten) © Markus Joosten
Marianne Ridder wohnt in der Feldmark in Wesel am Mühlenweg direkt neben den Gleisen. Eine Lärmschutzmauer umgibt bereits ihr Grundstück. (Foto: Markus Weißenfels)
Marianne Ridder wohnt in der Feldmark in Wesel am Mühlenweg direkt neben den Gleisen. Eine Lärmschutzmauer umgibt bereits ihr Grundstück. (Foto: Markus Weißenfels) © NRZ
Marianne Ridder wohnt in der Feldmark in Wesel am Mühlenweg direkt neben den Gleisen. Eine Lärmschutzmauer umgibt bereits ihr Grundstück. (Foto: Markus Weißenfels)
Marianne Ridder wohnt in der Feldmark in Wesel am Mühlenweg direkt neben den Gleisen. Eine Lärmschutzmauer umgibt bereits ihr Grundstück. (Foto: Markus Weißenfels) © NRZ
Fotomontage: Lärmschutzmauer in Hamminkeln-Mehrhoog, Bahnübergang an der Bahnhofstraße.
Fotomontage: Lärmschutzmauer in Hamminkeln-Mehrhoog, Bahnübergang an der Bahnhofstraße. © unbekannt
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6000 Liter Wasser werden pro Minute benötigt

Bei ihnen allein sieht die Bahn auch die Verantwortung, wenn es um das für die Feuerwehren zentrale Thema der Löschwasserversorgung an der Strecke geht, wie Wardemann erklärt. Die Mengen, die im Ernstfall benötigt werden, sind enorm. Nach Berechnungen von Wissenschaftlern aus den Niederlanden werden für das Kühlen oder Löschen allein eines Kesselwagens 6000 Liter Wasser pro Minute benötigt. „Diese Mengen haben uns einen gewaltigen Schrecken eingejagt.“

Zwar wäre der Erstangriff gesichert, so viel Wasser allerdings wäre nicht verfügbar, die restliche Menge müsste aus dem Tenderingssee herbei gekarrt werden – was zusätzliche Wege und Zeitverlust bedeuten würden. Daher plädiert die Feuerwehr dafür, zusätzliche Löschwasserbrunnen (in Voerde mehr als 30) einzurichten. Allein dies schon wäre mit hohen Kosten verbunden, die die Kommunen nicht allein tragen können.