Hünxe. Bei seinem Hünxe-Besuch unterstrich Kühnert auf ironische Weise die Bedeutung der Ehrenamtler - und warnte zugleich vor den Gefahren von rechts.
Vor der Schützenhalle des BSV Gartrop-Bühl begrüßt Jan-Henrik Scholte-Reh die eingeladenen Gäste zum Ehrenamtsempfang. Der Vorsitzende der Hünxer SPD ist etwas angespannt, denn gleich wird als „besondere Gast und Ehrenredner“ der Veranstaltung der Generalsekretär der SPD Kevin Kühnert eintreffen. Scholte-Reh erläutert, dass die SPD Hünxe an diesem Abend die vielen ehrenamtlich Aktiven in der Gemeinde Hünxe würdigen will.
Das neue Format steht unter dem Motto „Ehrenamt Verein(t)“. Die Resonanz auf die Veranstaltung sei sehr gut, bemerkt er mit Stolz. Über 80 „Ehrenamtler“ sind unter den 130 Gästen. Er erhofft sich „einen guten Dialog der Ehrenamtler untereinander, um sich zu vernetzen“, aber auch, dass Anregungen und Probleme der Vereine und Organisationen im Ehrenamt an die Politik herangetragen werden.
Wie die „Grande Dame der Hünxer SPD“ Kühnert nach Hünxe lockte
Unter gefühlvoller Gitarrenmusik, von Cesare Siglarski vorgetragen, füllt sich die Schützenhalle. In der ersten Reihe vor der Bühne ist ein Platz reserviert. Hier sitzt – wie Scholte-Reh sie später nennt – die Grande Dame der Hünxer SPD in ihrem Rollstuhl. Eigentlich hat Gerda Wolterhoff (96) dafür gesorgt, dass Kevin Kühnert zu Besuch in Hünxe ist.
Zu ihrem 70-jährigen Parteijubiläum konnte er ihr während der Corona-Zeit nur eine Video-Botschaft widmen, versprach aber in besseren Zeiten in Hünxe persönlich zu erscheinen. Wolterhoff erzählt leise – doch sehr deutlich und akzentuiert – „wie bedeutsam es ist, die Demokratie zu verteidigen“. Sie hat große Angst davor, „dass die Demokratie mit demokratischen Mitteln beseitigt wird, wenn wir nicht alle für die Demokratie einstehen“.
Großes Lob für die ehrenamtlich Engagierten in der Gemeinde Hünxe
Kurze Zeit später eröffnet Scholte-Reh die Veranstaltung. Er zeigt die Verdienste der Ehrenamtler Hünxes auf. Und die Liste des Engagements der Bürger ist groß. Ob Kita, Bürgerbus, Bücherei, Sportveranstaltungen, Schützenfeste, Verschönerungsarbeiten, Geflüchtetenhilfe, Foodsharing und das Kümmern um die Sicherheit und Wohlergehen, „das Ehrenamt gestaltet nicht nur unser Zusammenleben, sondern stärkt auch den Zusammenhalt“. Er dankt für den wichtigen Beitrag für das Gemeinwohl und resümiert „Ehrenamt ist eine Haltung, eine Leidenschaft und eine Bereicherung. Ehrenamt vereint, sei auch gelebte Demokratie“.
Dann würdigt in seinem Grußwort der Bürgermeister Dirk Buschmann die bedeutsame Rolle des Ehrenamtes und dankt all jenen, die „durch ihren Einsatz und ihre Hingabe“ das Gemeinschaftsleben so besonders machen. „Ehrenamtler setzen sich uneigennützig für das Wohl unserer Mitmenschen ein, sei es in Vereinen, sozialen Initiativen oder anderen Zusammenschlüssen. Ihr Engagement ist der Kitt, der unsere Gemeinschaft festigt und das soziale Gefüge stärkt“.
Gedicht zum Ehrenamt sorgt für Gelächter bei den Besuchern
Als er dann ein Gedicht von Wilhelm Busch vorträgt, ist ihm schon bei den ersten Zeilen das zustimmende Gelächter und Beifall der Anwesenden sicher: „Willst Du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt Dir geben! Willst Du nicht zu früh ins Grab, lehne jedes Amt gleich ab! Wie viel Mühen, Sorgen, Plagen, wie viel Ärger musst Du tragen; gibst viel Geld aus, opferst Zeit - und der Lohn? Undankbarkeit!“
Die Schlusszeile des Gedichts „lass das Amt doch andren Dummen“ greift Kevin Kühnert in seiner mit Spannung erwarteten Rede auf. „Eigentlich müsste ich Euch ja dann mit ´Ihr Dummen´ ansprechen“, begann er ironisch. Er bestätigt, dass ehrenamtliche Tätigkeit eine der wichtigen Säulen unserer Gesellschaft ist und zeigt an einigen Beispielen die Bedeutung von Demokratie, Verantwortung und Zusammenhalt auf.
Kevin Kühnert mit Appell für eine wehrhafte Demokratie
Als hätte die 96-jährige Gerda Wolterhoff souffliert, spricht er von der großen Bewegung – allein in München hätten sich über 250.000 Menschen beteiligt – die jetzt für unsere Demokratie auf die Straßen gingen. Wie wichtig es sei, dass jetzt die Mehrheit der Demokraten ein deutliches Stoppschild „bis hierhin und nicht weiter“ gegenüber all denen zeigen, die Willkür und Hass predigen. Das, was von der „Potsdamer Geheimkonferenz“ nach außen drang, seien „gruselige Vorstellungen“.
Er appelliert an alle, wehrhaft für die Demokratie einzustehen. Dies müsse in die Familien, in die Vereine, in den Freundeskreis getragen werden. Er zeigt exemplarisch an den Geschehnissen in den USA (Trump steht wieder zur Wahl, Massenarbeitslosigkeit während Corona, selbst Mittelständler könnten zahnmedizinische Versorgung nur bei Ehrenamtlern sicherstellen) auf, welche Vorzüge ein demokratischer Sozialstaat habe.
Sorge um die Zukunft wegen der Schuldenbremse
Er befürchtet, dass durch das Urteil des Verfassungsgerichtes bzw. eigentlich durch die Schuldenbremse die entstehende Haushaltslücke wichtige Investitionen in die Zukunft erschweren, wenn nicht gar verhindern würde. Gespart werden müsse – die Lasten müssten allerdings gerecht verteilt werden.
Wenn alle Bevölkerungsgruppen ihre Lasten auf andere schieben würden, besteht die Gefahr, dass es am Ende die trifft, die keine Lobby haben – gerade die, die es am dringendsten brauchen. Er bittet in diesen Zeiten um ein „gesellschaftliches Zusammenstehen, sich für andere einzusetzen.“ Eine Möglichkeit hierzu sei auch, Mitglied einer demokratischen Partei zu werden. Auch das sei ein Ehrenamt, in dem etwas bewirkt werden kann. An etlichen Stellen seiner Rede erntet Kühn großen Beifall der Anwesenden und wird auch, nachdem ihm als Gruß von Hünxe eine Blumenschale überreicht wird, mit starkem Applaus verabschiedet.
SPD-Generalsekretär als geduldiger Gesprächspartner
Während sich etliche der eingeladenen Gäste schon am aufgebauten Büfett laben, ist Kühnert noch von vielen umlagert. Er zeigt sich als geduldiger Gesprächspartner. Kurz bevor er sich auf den Weg zur nächsten Veranstaltung nach Dormagen macht, sitzt er noch auf der Treppenstufe vor der Bühne und diskutiert mit Gerda Wolterhoff.
Die 96-Jährige – so war zu hören – wollte ihm noch den einen oder anderen Tipp mitgeben.