Voerde. Die Stadt muss ob hoher Flüchtlingszahlen mehr Wohnraum schaffen. Einige ihrer Vorschläge stehen aufseiten von Politik und Bürgern in der Kritik.
Die Zahl der Flüchtlinge steigt und die Kommunen stehen vor der schwierigen Aufgabe, die hier ankommenden Menschen unterzubringen. Auch die Stadt Voerde ist an der Grenze ihrer Aufnahmekapazität angekommen. Weitere Möglichkeiten zur Schaffung von Wohnraum müssen gefunden werden. Wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Zuweisungen von Zuflucht Suchenden an die Städte und Gemeinden: Waren es 2022 in NRW insgesamt 42.859, rechnete das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes nach Angaben der Stadtverwaltung jüngst mit 60.000 für das Gesamtjahr 2023. Inzwischen sei diese Zahl nach oben korrigiert worden auf 65.000. „Das erleben wir in den vergangenen Monaten auch so“, schildert Voerdes Sozialdezernent Jörg Rütten die aktuelle Situation.
Die Reaktionszeit, die den Städten und Gemeinden von der Ankündigung bis zur Ankunft der Flüchtlinge bleibt, ist sehr kurz. In der Regel liegt diese bei „höchstens zwei Wochen“, und die Zahlen seien ganz unterschiedlich, führt Rütten weiter aus und nennt ein Beispiel: Mal seien es zehn, mal 15, mal acht Personen, die der Stadt zugewiesen werden.
Schaffung von Wohncontainern ist eine wichtige Säule
Eine wichtige Säule bei der Schaffung von Wohnraum – womöglich auf Zeit – ist das Aufstellen von Containern. Die Stadt Voerde will auch darüber zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten sicherstellen. Es ist ein Punkt eines umfassenden Maßnahmenkatalogs, den sie jetzt der Politik als Erstes im Sozialausschuss zur Beratung vorlegte. Die Erstpräsentation war vor einigen Wochen bereits im Ältestenrat erfolgt. Das Gremium, dem neben Bürgermeister und Beigeordneten die stellvertretenden Bürgermeister und die Fraktionschefs angehören, tagt nicht öffentlich.
Aus den Reihen der Fraktionen wurden im Sozialausschuss bei zwei Punkten Bedenken angemeldet. Die CDU-Fraktion ist dagegen, die heute noch auf einer Fläche an der Schwanenstraße stehenden Wohncontainer auf das Gelände der Turnhalle am Blumenanger in Friedrichsfeld zu verlagern. Zur Erinnerung: In der Turnhalle sind zurzeit Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht. Sie sollen in Bestandswohnungen untergebracht und das Gebäude soll dann für „sonstige Ankömmlinge“ genutzt werden. Die Christdemokraten, auf deren Antrag hin über die von der Verwaltung vorgeschlagenen Maßnahmen einzeln abgestimmt wurde, halten die Fläche am Blumenanger für zu klein, um dort Container mit 70 Plätzen aufzustellen, wie Walter Seelig gegenüber der Redaktion erklärt.
Das kritisiert die Voerder CDU-Fraktion
Der Sprecher der CDU-Fraktion im Sozialausschuss geht davon aus, dass die Verwaltung in den noch anstehenden Beratungen einen Alternativvorschlag zu diesem Grundstück in Friedrichsfeld vorlegen wird. Schließlich müsse eine größtmögliche Einigkeit in der Frage das Ziel sein: Eine „Kampfabstimmung“ könne man sich bei dem Thema Flüchtlinge nicht erlauben, macht Seelig deutlich. Den aktuellen Plan der Verwaltung für die Turnhalle am Blumenanger und den Aufbau von Wohncontainern auf dem dortigen Gelände hält er auch mit Blick auf die umliegende „dichte“ Wohnbebauung so für nicht machbar.
Kein Problem haben die Christdemokraten indes mit einem weiteren Vorschlag, der die FDP-Fraktion dagegen umtreibt: Es geht um das Vorhaben, dass sich die Stadt Kapazitäten in der Awo-Senioreneinrichtung „Altes Rathaus“ in Voerde ab der zweiten Jahreshälfte 2024 für die Unterbringung von Flüchtlingen sichern möchte. Walter Seelig ist froh, dass die Awo zugestimmt habe, und spricht mit Blick auf die „Raumnot“ von einer „guten Lösung“. Die Liberalen befürchten, dass die dortigen Altenwohnungen „auf Dauer für die Senioren nicht mehr zur Verfügung stehen“, erklärt FDP-Ratsherr Jürgen Berger auf NRZ-Anfrage.
Sozialdezernent Jörg Rütten wähnt hinter dem Vorbehalt der Freien Demokraten ein Missverständnis. Es sei nicht die Anlage des betreuten Wohnens unmittelbar neben dem Awo-Seniorenzentrum an der Frankfurter Straße gemeint, sondern die Pflegeeinrichtung in dem Altenheim. Auf der Fläche dahinter entsteht zurzeit ein Neubau als Ersatz für das Bestandsgebäude, in dem die Stadt – in Absprache mit der Awo als Betreiberin und der Wohnbau Dinslaken als Eigentümerin – Zuflucht Suchende unterbringen möchte. FDP-Ratsherr Berger erwidert, die Stadt spreche schnell von einem „Missverständnis“, seine Fraktion sieht ihm zufolge ihre Bedenken, dass das betreute Wohnen betroffen sein könnte, nicht ausgeräumt. Daher votierte die FDP bei der Abstimmung im Sozialausschuss in dem Punkt als einzige mit „Nein“. Alle Vorschläge der Verwaltung wurden von der großen Mehrheit des Gremiums dagegen befürwortet.
Während der Sitzung waren auch wenige Bürger anwesend: unter anderem Anwohner der Schwanenstraße, die den Plan, dass der dortige Wohncontainer-Standort zum 31. August 2024 aufgelöst werden soll, wohlwollend zur Kenntnis nahmen. Die mobile Unterkunft war befristet auf drei Jahre zum 1. September 2018 in Betrieb genommen worden. Später dann erfolgte die Verlängerung bis zum jetzigen Stichtag.
Bedenken aus den Reihen der Bürgerschaft wurde an der Absicht der Stadt laut, in Spellen auf einem städtischen Grundstück im Bereich Scheltheide / Rheinstraße Wohncontainer für die Unterbringung von 152 Menschen aufzustellen. Das seien sehr viele Plätze für den Standort, lautete der Einwand. Die Fläche wurde vor Jahrzehnten schon einmal für diesen Zweck genutzt, erinnert sich der Vorsitzende des Sozialausschusses, Stefan Weltgen (SPD). Das war zur Zeit der Jugoslawien-Kriege in den 1990ern. Auch damals hätten auf der Fläche Wohncontainer gestanden. Zu der Anzahl der Plätze damals liegen Sozialdezernent Jörg Rütten keine Angaben mehr vor.
>>Info: Weitere Beratungsfolge
Das Thema der Flüchtlingsunterbringung wird als nächstes im Bau- und Betriebsausschuss (Donnerstag, 23. November) und danach im Haupt- und Finanzausschuss (Dienstag, 28. November) beraten. Zur Entscheidung stehen die Vorschläge der Verwaltung dann im Stadtrat an, der am Dienstag, 5. Dezember, tagt.