Dinslaken. Anwohner einer Schrottimmobilie in Dinslaken klagen seit Jahren über Ratten, die sich im Viertel ausbreiten. Aber niemand will ihnen helfen.

Tagsüber in Dinslaken: Eine graubraune Ratte steckt den Kopf aus einem Sperrmüll - und verschwindet in einem Loch im Boden. Das ist Alltag in dem Hinterhof an der Hünxer Straße. Die Ratten, da sind sich die Anwohner sicher, kommen aus dem verfallenen Haus in der Mitte des Hofes. Seit Jahren schon. Auch die NRZ hat mehrfach berichtet. Dennoch haben die Nachbarn offenbar keine Chance auf Abhilfe: Der Eigentümer der Schrottimmobilie kümmert sich nicht, die Stadt Dinslaken fühlt sich nicht zuständig. Und nun stehen an dem Haus auch noch die Erdgeschoss-Fenster sperrangelweit auf.

Kazim Neyhan wohnt seit sieben Jahren im Erdgeschoss des Nachbarhauses – Nummer 214. Seine Nachbarn werden mitunter angesprochen, ob seine Wohnung leer steht – weil die Rollläden immer unten sind. „Wenn ich die hoch mache, kommen die Ratten rein“, sagt er. Die Küche lüften – das geht also nur mit heruntergelassenen Rollos. Also: im Prinzip gar nicht. Zu Neyhans Wohnung gehört auch eine Terrasse - auf einer Ebene mit dem Hof. Unbenutzbar.

Ratte saß in der Dachgeschoss-Wohnung

„Wenn ich abends den Müll wegbringe, geht das nur mit Lampe. Dann sitzen auf der Mülltonne immer ein paar Ratten,“ erzählt Neyhan. Seine Nachbarin Christel Siedek – sie wohnt im selben Haus – klagt (wie berichtet) seit Jahren über die Rattenpopulation, den Hof betritt sie abends gar nicht mehr. Kazim Neyhans Tochter wohnt ebenfalls im selben Haus – und hatte neulich eine Ratte in der Wohnung. Im Dachgeschoss. „So groß“ sagt Neyhan und hält die Hände eine Ellenbogenlänge voneinander entfernt. Danach habe sich seine Tochter eine Katze angeschafft. Größer als Ellbogenlänge.

Auch im Eingang zu dem Haus an der Hünxer Straße 216 sammelt sich immer wieder Müll.
Auch im Eingang zu dem Haus an der Hünxer Straße 216 sammelt sich immer wieder Müll. © nrz | aha

Nachbarn: Nager auf Hünxer Straße überfahren

Das Problemhaus nebenan steht seit Jahrzehnten leer. Aus dem Kellerfenster wächst ein mittlerweile kapitaler Baum. Drumherum gammelt Sperrmüll, auch vor der Haustür wird immer wieder etwas abgelegt. Der Din-Service scheine zumindest den Müll vor dem Haus immer wieder einmal abzuräumen, vermutet Christel Siedek. Die Stadtverwaltung habe ihm geraten, das Eckchen Grün unter seinem Fenster zur Straße hin zu entfernen, erzählt Kazim Neyhan. Der Bereich ist nun gepflastert. Am Rattenproblem habe das nichts geändert. Die Tiere würden sich über den Hof hinaus ausbreiten. Über die Gärten bis zur Krusenstraße, berichten Anwohner dort. Und auch über die Hünxer Straße seien schon Ratten gewandert - zu den Mülltonnen eines dort liegenden Restaurants, erzählt Kazim Neyhan – und dann überfahren worden.

Fenster zum Erdgeschoss stehen auf

Auch ansonsten stelle das verfallende Haus eine Gefahr dar. „Die Stadt soll sich das doch einmal ansehen,“ sagt Neyhan und weist auf die neuerdings offenstehenden Fenster im Erdgeschoss. Drinnen türmen sich Müll, Bauabfälle. „Wenn da einer etwas Brennendes reinwirft...“ sagt Christel Siedek und spricht den Satz nicht zu Ende. Statt dessen weist sie nach oben, zur durchlöcherten Dachrinne über der rissigen Fassade: „Es würde mich nicht wundern, wenn die irgendwann herunterkommt.“ Wer die Fenster, die viele Jahre verrammelt waren, geöffnet hat? Möglicherweise hätten Menschen ohne Obdach dort Zuflucht gesucht, so die Anwohner.

Das Schrotthaus in Dinslaken steht seit vielen Jahren leer.
Das Schrotthaus in Dinslaken steht seit vielen Jahren leer. © nrz | aha

Der Stadt Dinslaken ist der Zustand des Hauses bekannt. Ebenso das Rattenproblem. Die Stadtverwaltung hat den Besitzer des verfallenen Hauses in den vergangenen Jahren nach eigenem Bekunden mehrfach kontaktiert. Die letztdatierten Köderboxen im Hof sind allerdings von 2021. Aus dem Umfeld des Eigentümers – der nicht mehr in Dinslaken lebt – ist zu hören, dass sei Interesse an dem Problem möglicherweise nicht allzu groß sei.

Stadt Dinslaken schweigt - Verweis auf „privatrechtliches Problem“

Warum die Stadtverwaltung nichts gegen die Schrottimmobilie und das Rattenproblem unternimmt oder unternehmen kann – diese Frage der NRZ lässt die Stadt trotz mehrfacher Nachfrage unbeantwortet. Die Stadt belege den Kanal regelmäßig mit Rattenködern und grundsätzlich, so hieß es vor einem Jahr, handele es sich um ein privatrechtliches Problem. Um privatrechtliche Schritte gegen den Eigentümer des Nachbarhauses anstrengen zu können, müssten Christel Siedek und Kazim Neyhan allerdings dessen Namen und Anschrift kennen. Die Nachbarn müssen also wohl auch die kommenden Jahre mit dem Rattenproblem leben.

Wie in anderen Kommunen mit dem Thema Ratten umgegangen wird und warum Wesel eine ganz andere Strategie verfolgt als Dinslaken, lesen Sie hier.