Dinslaken. Seit Jahren klagen Nachbarn eines verlassenen Hauses in Dinslaken über massiven Rattenbefall. Aber auch die Stadt kann offenbar nicht helfen.

Der Baum, der aus dem Kellerfenster des Hauses Nummer 216 an der Hünxer Straße wächst, überragt mittlerweile das Dach und seine Äste nehmen zwei Drittel der Hausbreite ein. Beim ersten Besuch in dem Hinterhof reichte der schmale Stamm gerade bis zur ersten Etage. Das ist fast genau drei Jahre her. Außer dem Baum hat sich hier nicht viel verändert – sehr zum Leidwesen von Christel Siedek. Die 80-Jährige wohnt im Nachbarhaus und klagt seit drei Jahren über Ratten, die aus dem Haus mit dem Baum strömen. Von der Stadt Dinslaken fühlt sie sich im Stich gelassen.

Der Hinterhof gehört zu drei Häusern: dem Rattenhaus und zwei Nachbarhäusern. Christel Siedek wohnt in Haus Nummer 14. Eine Eigentumswohnung. Als sie 1982 eingezogen ist, „war es schön hier,“ erinnert sich die Seniorin. Ordentliche Häuser, Blick in die Gärten der Krusenstraße, stadtnah. Im abgetrennten Bereich vor dem Erdgeschoss konnte man sitzen und klönen.

Im Erdgeschoss des Hauses befand sich einst eine Pizzeria. Vor den verlasssenen Schaufenstern türmt sich oft Müll.
Im Erdgeschoss des Hauses befand sich einst eine Pizzeria. Vor den verlasssenen Schaufenstern türmt sich oft Müll. © nrz | aha

Nachbarhaus ist seit rund 25 Jahren verlassen

Seit rund 25 Jahren aber ist das Nachbarhaus verlassen, so Christel Siedek. Die Scheiben der ehemaligen Pizzeria im Vorderhaus sind verklebt und mit Brettern vernagelt, die Briefkastenschlitze quellen über. Das bröselnde Mosaik an der Hauswand wird meist von Müll und Sperrmüll verdeckt, den Unbekannte hier, in der Einfahrt und im Hinterhof abladen. „Die sehen, dass das Haus leer steht,“ sagt Christel Siedek. Und weil Müll Müll anzieht, wird es immer mehr. Der Berg vor dem Haus sei gerade abgeräumt worden, dafür wächst der im Innenhof: Möbel, Kisten, Kleinzeug und Tüten, gefüllt mit irgendetwas, häufen sich an der Absperrung zu dem offenen Kellerfenster mit Baum.

Ratten wurden im ganzen Quartier gesehen

Wenn es still ist, abends oder bei Sonnenschein, kommen die Ratten aus den Löchern. Tagsüber sonnen sich die Nager, erzählt Christel Siedek. Abends betrete sie den Hof nicht mehr. Seitdem auch die Lampe im Hof kaputt sei, parkt die Seniorin ihr Fahrrad bei einer Nachbarin mehrere Häuser weiter, denn im Dunkeln würde sie die Ratten noch nicht einmal kommen sehen. In der Dämmerung beobachtet sie, wie die Tiere über die Mauer in den Garten huschen, in den sie so gerne geschaut hat. An der Krusenstraße, auf der anderen Seite der Gärten, wurden auch schon Ratten gesehen, berichtet eine Anwohnerin. Die Nachbarschaft dort nimmt an, dass sie aus dem Haus an der Hünxer Straße kommen.

Die tote Ratte hat Christel Siedek im vergangenen Jahr im Hof fotografiert.
Die tote Ratte hat Christel Siedek im vergangenen Jahr im Hof fotografiert. © privat

Das sagt die Stadt Dinslaken

Grundsätzlich, so die Auskunft der Stadt vor einem Jahr, handele es sich um eine privatrechtliche Angelegenheit. Die Stadt sei somit nicht zuständig. Christel Siedek aber könnte gar keine rechtlichen Schritte gegen den Eigentümer des Rattenhauses einleiten, weil sie weder dessen Namen noch die Adresse kennt.

Der Stadt habe er vor einem Jahr versichert, er lasse „seit 2020 regelmäßig eine Beköderung und Bekämpfung des Rattenproblems durchführen.“ Die Stadt hat ihn im vergangenen Sommer auf Nachfrage der NRZ gebeten, „die Maßnahmen an die aktuelle Situation anzupassen.“ Zu sehen ist davon nichts. Die letzten Warnhinweise vor Rattenködern sind auf 2021 datiert. Kontrolliert hat das wohl niemand. Aber dass in der Schrottimmobilie noch jemand gemeldet sein muss, wie ein zerfleddertes Schreiben des Amtsgerichts Dinslaken belegt, das aus dem vollgestopften Briefkasten hängt, ist ja auch keiner Behörde aufgefallen.

Nach Auskunft der Stadt wird der Kanal regelmäßig „mit Rattenködern belegt und kontrolliert“. Die „Beobachtungen des Umfeldes haben keinen erhöhten Anbiss gezeigt, was bedeuten kann, dass die Ratten vor Ort zu viel für sie ansprechenderes Futter finden. Hierauf haben wir keinen Einfluss“, so die Stadt Dinslaken auf NRZ-Nachfrage. Die Leitung der Straßen- Kanalunterhaltung nehme den aktuellen Hinweis jedoch als Anlass „zur nochmaligen Prüfung, ob der Einsatz weiterer Köderboxen sinnvoll sein kann.“

Wo und wie die Stadt Dinslaken Ratten bekämpft

Die Stadt Dinslaken bekämpft Ratten auf öffentlichem Grund. Dafür wird laut Homepage der Stadt Dinslaken regelmäßig das öffentliche Kanalnetz kontrolliert und bei sichtbarem Befall in den Kanalschächten Giftköder ausgelegt. Deren Wirkstoff beeinflusse die Blutgerinnung, so dass die Ratten einige Tage nach der Aufnahme „schmerzlos verenden“, so die Stadt. Eine völlige Ausrottung des Bestandes sei dadurch aber nicht möglich.

Bei Bedarf bekämpfe die Stadt Wanderratten auch oberirdisch durch die Auslegung von Rattenköderboxen. Die Nager seien allerdings „äußerst misstrauisch, deshalb wirken unsere Schädlingsbekämpfungsmittel oft sehr langsam und die Bekämpfung kann mehrere Wochen dauern“, so die Stadt.

Bei Rattenbefall auf Privatgrundstücken rät die Stadt, eine Fachfirma zur Bekämpfung hinzu zu ziehen. Generell gelte: „Erst wenn ein sauberes Umfeld geschaffen wurde, macht eine Beköderung der Schädlinge Sinn. Bei ausreichendem anderen Nahrungsangebot nehmen die Nager die ausgelegten Köder nicht an und die ergriffenen Maßnahmen sind wirkungslos.“

Deswegen sollen Bürger keine Speisereste über Toilette oder Spüle entsorgen und auch nicht offen in den Hausmüll werfen. Müllsäcke sollen nicht tagelang neben den Mülltonnen lagern, gelbe Säcke gehören erst kurz vor der Abholung an die Straße. Außerdem bittet die Stadt, keine Abfälle in Grünanlagen liegen zu lassen, keine Tauben, Enten oder Schwäne zu füttern. Hauseigentümer sollten offene Stellen am Gebäude verschließen, um den Tieren keinen Unterschluft zu bieten. Bodendecker im Garten sollten kurz gehalten werden und Bürger sollten keine „Müllecken“ auf ihrem Grundstück entstehen lassen.

Auf ihrer Homepage hat die Stadt einen „Wegweiser Nagerbekämpfung“ veröffentlicht, Fragen werden unter Tel. 02064 / 66-628, 66-682 oder 66-547 beantwortet.