Voerde. Mit seinen 68 Jahren möchte sich Pfarrer Heinz-Josef Möller auf die anstehende Umstrukturierung nicht mehr einlassen. Wo es ihn nun hinzieht.

Wie der Vater, so der Sohn: Wäre es beim beruflichen Werdegang von Heinz-Josef Möller nach diesem Sprichwort gegangen, hätte ihn sein Weg wohl eher nicht nach Voerde geführt. Dorthin, wo er lange Zeit kirchliches Leben maßgeblich mitgestaltet hat. Der Pastor, der auf einem Bauernhof groß geworden ist, hatte sich nämlich zunächst für ein Studium der Agrarwissenschaften entschieden. Doch das fand er „langweilig und viel zu technisch“. Er sei damals zu jung für eine solche Entscheidung gewesen. Das brauche Zeit, meint der Seelsorger. Er wünscht jungen Menschen eben diese und, dass sie ihren Weg gehen. Das hätten seine Lehrer ihm und den Mitschülern damals auch geraten. „Das fand ich sehr gut“, sagt der leitende Pfarrer der Kirchengemeinde St. Peter und Paul, für den seine Tätigkeit in Voerde nach 18 Jahren nunmehr endet.

Sein Weg war als junger Mann schließlich der, sich beruflich in den Dienst der Kirche zu stellen, in der er bereits als Jugendlicher tätig gewesen war. Die Arbeit dort hatte er als „bereichernd“ erlebt. „Für mich war Kirche der Raum, in dem ich mich entwickeln und entfalten konnte, in dem mir mit Vertrauen begegnet wurde und durch den ich mich von zu Hause lösen konnte“, resümiert der Seelsorger, der in Münster, Bonn und in der Schweiz katholische Theologie studiert hat. Im Dom der Westfalen-Metropole wurde er vor 40 Jahren mit anderen jungen Männern von Bischof Dr. Reinhard Lettmann zum Priester geweiht – darunter war auch Barthel Kalscheuer, heute leitender Pfarrer in Dinslaken. Seine Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen, sei von der Familie mitgetragen, aber auch, insbesondere vom Vater, kritisch begleitet worden.

2005 kam Pfarrer Heinz-Josef Möllen nach Voerde

Nach Kaplanstellen in Ahaus und Xanten wurde der gebürtige Westfale Pfarrer und später auch Dechant in Recklinghausen, wohin er nach seinem Abschied in Voerde gehen wird – aber nicht in dieselbe Gemeinde. 2005 ging es nach Voerde. Das Gute an seiner Tätigkeit sei, dass sich mit zunehmendem Alter das Berufsbild verändert habe. „Anfangs habe ich sehr stark Kinder- und Jugendarbeit gemacht“, sagt Heinz-Josef Möller. Dann wurde er Pfarrer – und am Ende übernahm er die Gesamtleitung der Pfarrei St. Peter und Paul. Seine Aufgabe sah er darin, „einen Rahmen zu schaffen, in dem andere gut und verlässlich arbeiten können“. Als Seelsorger ist es ihm wichtig, „dass Glaube eine Kraft ist, die zum Gelingen des Lebens beiträgt“.

Auch das Gesamtbild von Kirche habe sich sehr verändert. Der Seelsorger erinnert sich an voll besetzte Bänke zu den Gottesdiensten. „Das war eine ganz andere Zeit“, betont Möller, der es hinsichtlich einer Gegenüberstellung des Gestern und Heute mit dem Motto eines Freundes hält: „Vergleichen ist immer ungerecht.“ Der Fokus sei stets vergangenheitsorientiert und der Blick „verklärt“: „Der Kopf behält das Gute, das Schlechte fehlt“, meint Heinz-Josef Möller. Er wisse nicht, warum damals so viele zu dem Gottesdienst in Ahaus gekommen sind, an den er sich heute noch erinnert. In das allgemeine Lamento, alles sei schlimmer geworden, könne er nicht einstimmen: „Nein, es ist anders geworden. Ich sage aber auch nicht: Alles ist gut, einiges ist schlimm.“ Wichtig sei, dass sich Menschen für das Leben einsetzen: so wie beim Trauercafé, bei der Dinslakener Tafel, die Räume der Gemeinde in Möllen nutzt, oder bei der Ferienfreizeit auf Ameland – ob in der Kirche oder nicht.

Seelsorger spricht klare Worte

Erschütternd findet er die Fälle von sexuellem Missbrauch – „dass so etwas im Raum von Kirche passiert, ist für mich unvorstellbar. Ich habe das ganz anders erlebt“, erklärt der Seelsorger. Schrecklich ist für ihn die schleppende Aufarbeitung. „Das hat auch systemische Gründe“, erklärt er. Heinz-Josef Möller scheut sich nicht, klare Worte zu sprechen – vielleicht auch der Einfluss seiner Lehrer, die ihre Schüler „zum kritischen Denken ermutigt“ hätten.

Bei einem anderen Thema nimmt er ebenfalls kein Blatt vor den Mund: Es geht um die geplante Bildung pastoraler Räume im Bistum Münster. Das gesamte Dekanat Dinslaken mit seinen vier Pfarreien in Dinslaken, Voerde, Hünxe und Walsum wird ein Seelsorgebereich sein. „Ich stehe der Strukturreform sehr kritisch gegenüber. Und ganz nüchtern gesagt: Mit 68 lass ich mich darauf nicht mehr ein“, stellt Möller fest. Er fragt sich, wie man denn Vertrauen gewinnen wolle, wenn die Seelsorgeeinheiten noch größer werden. Vertrauen entstehe doch nur, wenn Erfahrungen mit konkreten Menschen gemacht werden, die sich Zeit lassen.

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An seiner neuen Wirkungsstätte in Recklinghausen in der Pfarrgemeinde St. Peter möchte sich Möller wieder mehr jenen Dingen widmen, für die er Priester geworden ist: die „Hoffnung und Freude des Evangeliums den Menschen nahezubringen“. Künftig werde er keine Personalentscheidungen mehr treffen müssen, Gremienarbeit wird ebenfalls nicht mehr anstehen. Heinz-Josef Möller spricht von der Freiheit, künftig das machen zu können, was er möchte. Seine ersten Termine in Recklinghausen werden eine Trauung und eine Taufe sein: „Das ist ein schöner Start“, findet der Seelsorger, der in sein Elternhaus in Dorsten ziehen wird.

Bis er seinen Dienst in Recklinghausen antritt, gehen noch einige Wochen ins Land. In der Zwischenzeit steht unter anderem eine große Radtour auf dem Plan des 68-Jährigen: Knapp 600 Kilometer auf dem Oder-Neiße-Radweg möchte er allein zurücklegen. In die Pedale zu treten, ist eine Freizeitbeschäftigung, der Seelsorger liest gerne, ist ein leidenschaftlicher Kinogänger. In Voerde hat er kleinere Arbeiten in seinem Garten hinter dem Wohnhaus gemacht. Das schöne Fleckchen Erde im Schatten der Pauluskirche, dem sich Küsterin Maria Eickelkamp „mit ganz viel Herzblut und Sachverstand“ widme, wird er vermissen, denn damit verbindet er vieles: etwa Begegnungen mit Menschen, oft habe er dort auch mit dem Seelsorgeteam gesessen. Der erste Gang am Morgen führt ihn im Frühling und Sommer in den Garten, der ihm das Gefühl gibt, „wie schön das Leben ist“. Das frühe Aufstehen hat er übrigens „vom Vater geerbt“.

>>Info: Gottesdienst und Begegnung am Sonntag, 4. Juni

Verabschiedet wird Pfarrer Heinz-Josef Möller am Sonntag, 4. Juni, in einem Gottesdienst in der Pauluskirche. Beginn ist um 11 Uhr. Im Anschluss daran bietet sich die Möglichkeit zur Begegnung draußen auf dem Kirchplatz. Dort können sich die Menschen von dem Seelsorger persönlich verabschieden. „Ich freue mich über jeden, der kommt“, sagt der 68-Jährige.

Von persönlichen Geschenken bittet er abzusehen. Stattdessen möge lieber für die Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei und für in der Ukraine betreute Roma-Kinder gespendet werden.