Voerde. So ganz zieht sich Christoph Weßler noch nicht ins Private zurück, auf den evangelischen Pfarrer wartet andernorts zunächst eine neue Aufgabe.

Im Prinzip war der berufliche Weg von Christoph Weßler vorgezeichnet: Die Familie väterlicherseits blickt auf eine lange Pfarrersgeschichte. Klar also, dass Christoph Weßler in die Fußstapfen seines Vaters, eines evangelischen Seelsorgers, treten wird? Nicht so ganz. Als er begann, Theologie zu studieren, war dies nicht mit dem Ziel, selbst Pfarrer zu werden. Bei seinem Vater habe er gemerkt, was das „für ein anstrengender Beruf war“ und „wie das zehren kann“. Vielmehr habe er studiert, um zu verstehen, was er da eigentlich in seinem Pfarrer-Elternhaus mitbekommen habe.

Dann ein Schlüsselerlebnis, das ihn am Ende doch die Familientradition fortsetzen ließ: Im Laufe seines Studiums machte er ein Praktikum in einem Pfarrteam, dessen beiden Seelsorger ihre Verschiedenheit als den jeweils anderen ergänzend verstanden. „Das erlebe ich auch hier“, resümiert der 65-Jährige seine Zeit als Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Götterswickerhamm. Er hat seine Berufswahl nicht bereut – im Gegenteil: „Ich fühle mich total beschenkt.“ Nun, nach 35 Jahren, geht der Seelsorger in den Ruhestand – offiziell am 1. Mai. Doch aufgrund ausstehenden Urlaubs ist es schon jetzt soweit.

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Der gebürtig aus dem Oberbergischen stammende Pfarrer, der in Düsseldorf aufwuchs und zur Schule ging, in Bonn, Basel und Berlin studierte, kam im Anschluss an das Vikariat in Leverkusen-Wiesdorf im Jahre 1987 nach Voerde, genauer nach Spellen, das, bezogen auf die evangelische Kirchengemeinde, damals noch keine Einheit mit Fried-richsfeld bildete. „Das war die Zeit, als man froh war, eine Stelle zu bekommen“, erinnert sich Weßler an seine beruflichen Anfänge als Pfarrer. Im Oktober 2017 wechselte er von der evangelischen Kirchengemeinde Spellen-Friedrichsfeld an seine heutige Wirkungsstätte.

An der Arbeit als Pfarrer schätzte Christoph Weßler die große Bandbreite des Berufes. Im Laufe seiner 35-jährigen Tätigkeit habe „sich viel verändert bei Kirchens“. Der Seelsorger denkt an die einst vier Pfarrbezirke der evangelischen Kirchengemeinde Götterswickerhamm (inzwischen sind es drei), die „sich als Mini-Gemeinden verstanden“ hätten: Das verändere sich. Vieles passiere heute „kooperativ“, sagt Weßler. Ein Erfordernis, das er im Rückgang der Gemeindemitglieder auch als Folge des „demografischen Wandels“ und „verstärkt durch den Relevanzverlust von Kirche“ begründet sieht.

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Ob der Glaube abgenommen hat, wisse er nicht: „Die Menschen sind weiterhin Suchende.“ Kirche müsse mehr lernen, „das Ohr“ bei ihnen zu haben, meint Weßler. Seine Aufgabe als Seelsorger hat er darin gesehen, „Geburtshelfer einer Klärung zu sein, was Menschen brauchen“. Die Haltung, „Kirche weiß, was für dich gut ist“, hat sich seiner Ansicht nach gewandelt. Das zentrale Thema für ihn ist: „Jedes Leben ist wertvoll.“ Und diesen Gedanken zu vermitteln, ist für ihn als Pfarrer eine wichtige Aufgabe. Aus dem Respekt vor dem Leben erschließt sich für Weßler vieles. Er hofft, dass dieser Gedanke auch seine Predigten geprägt hat.

Sein Herz schlug besonders für die Arbeit mit der jungen Generation. Er findet es faszinierend, „wie Kinder die Welt wahrnehmen. Sie sehen das Hier und Jetzt“. Weßler erinnert sich, wie einmal ein Regenwurm zum großen Thema wurde – mit welcher Aufmerksamkeit sich die Kinder dem Winzling widmeten. „Das öffnet auch den eigenen Blick“, sagt er. In seiner Zeit als Pfarrer habe er viele bewegende Erlebnisse gehabt: Während einer Freizeit auf der Insel Baltrum stehen Jugendliche abends am Meer, schauen gen Himmel: „Boah, hier gibt es so viele Sterne – die gibt es bei uns nicht“, sagt einer und der mitgereiste Pfarrer gibt ihm zu verstehen, dass sie zu Hause nur nicht zu sehen sind, weil es dort dunstig ist.

Voerder Pfarrer möchte Kirchengemeinde weiter seine Unterstützung anbieten

Christoph Weßler bewegt es sehr, wenn Menschen plötzlich ins Staunen geraten. Momente wie jener am Meer oder der des entdeckten Regenwurms gaben ihm die Kraft, nicht „von der Dunkelheit verschlungen zu werden“, die er erlebt hat, wenn er als Notfallseelsorger Angehörigen den Tod eines geliebten Menschen nahebringen musste.

Obwohl nun der Ruhestand ruft, zieht sich Christoph Weßler noch nicht komplett zurück. Die nächste Aufgabe wartet schon: Der 65-Jährige wird ab 1. Mai ein halbes Jahr eine 25-Prozent-Unterstützung des Pfarrteams im Kooperationsraum Walsum leisten. Im August leitet er in der Kirchengemeinde Götterswickerhamm Gottesdienste in Vertretung. Und solange er die Kraft habe, würde er dort zu einem späteren Zeitpunkt als Unterstützer seine Dienste anbieten. Die neu gewonnene Zeit will er aber auch privat nutzen: für den Garten, zum Gitarrespielen, Lesen und Reisen. Das Wunschziel: der Osten von Kanada.