Voerde. Greenfield wirbt für Fachmesse mit einem Baubeginn des Logistikparks im Sommer 2023. Dabei gibt es noch keine Genehmigung. Bürger sind sauer.

Die transport logistic, eine Fachmesse in München, die in diesem Jahr vom 9. bis 12. Mai läuft, wirft ihre Schatten voraus. Dort wird auch die Firma Greenfield vertreten sein, die in Emmelsum einen Logistikpark realisieren will, wogegen sich bekanntlich Widerstand formiert hat. Der Düsseldorfer Investor – man höre und Bürger staunen – wirbt mit einem Baubeginn bereits im Sommer 2023. Der Mietbeginn wird mit Juni 2024 angegeben. Da fragen sich die Mitglieder der Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten!“ und ihre Mitstreiter, allen voran die BIG Spellen, wie das sein kann.

Noch habe der Stadtrat gar nicht zugestimmt, auch die Stellungnahme der „Träger öffentlicher Belange“ zu den Gutachten über den Artenschutz, die Verkehrsplanung und -belästigung, zum Lärmaufkommen sollten bis zum 27. Januar 2023 vorliegen und sind noch nicht in den Ausschüssen bekannt gemacht worden, die in den nächsten Wochen erst tagen. Der Eintrag von Greenfield erfolgte jedoch bereits am 20. Januar, berichtet Günter R. Ladda und fragt sich, weiß Greenfield schon etwas, was alle anderen Voerder noch nicht wissen, oder setzen sie sich einfach bewusst über die Voerder Verwaltung und den Rat hinweg“.

BIG-Vorsitzender: „Höchst respektlos und kapitalistisch kalt“

Ladda zweifelt daher die Seriosität des Investors stark an. „Ich finde es höchst respektlos und kapitalistisch kalt, wenn man jetzt schon eine Halle bewirbt und den Ratsbeschluss erst gar nicht abwartet“, sagt Ladda. Oder, fragt er sich, wurde im Hinterzimmer mit der Verwaltung gekungelt? Die Zeugnisse der vergangenen Monate würden diesen Schluss immer mehr zulassen, meint Günter Ladda. Dass Greenfield seine möglichen Mieter nicht benenn will, akzeptiert der BIG-Vorsitzende. Er habe sich bei Freunden aus der Branche erkundigt und erfahren, dass dies allgemeine Praxis sei. Man kenne sich untereinander und könne sich sonst die Mieter mit besseren oder nachgebesserten Angeboten wegnehmen.

Über die Angaben zum Baubeginn aber schüttelt Ladda den Kopf. „Mitte März tagt der Stadtentwicklungsausschuss und berät über den Logistikpark, Ende März steht der Punkt auf der Tagesordnung des Stadtrates, dann wird die Öffentlichkeit informiert und diese hat in der Regel vier Wochen Zeit, Einwände gegen die Planungen zu erheben – also den kompletten April, wenn alles glatt liefe. Die Einwände könnten im Mai bearbeitet werden, der Stadtrat könnte im Juni darüber entscheiden.

Hier sehen die Voerder Bürger Probleme

Als größten neuralgischen Punkt sieht Ladda das Verkehrskonzept. Der gesamte Lkw-Verkehr würde demnach über die Kreuzung B8/Emmelsumer Straße geleitet – zusätzlich zum ohnehin schon starken Verkehrsaufkommen der B8. „Lkw-Fahrer suchen sich die bestmögliche Lösung, um nicht lange warten zu müssen“, erklärt Ladda, „also werden sie sich alternative Routen suchen.“ Zumal die B8 in den kommenden Monaten gesperrt werden soll. Also welchen Weg nehmen die Fahrer dann? Durch Spellen? Durch Ork, Löhnen, Mehrum und Götterswickerhamm? Die Empfehlung von Greenfield, die Kreuzung zu verbreitern, sei gut angekommen in Verwaltung und Politik – doch darüber hätten die Voerder gar nicht zu entscheiden, das entscheidet Wesel, sagt der BIG-Vorsitzende.

Hafenaffinität bestehe ebenfalls nicht, darüber sind sich BIG und die Initiative Emmelsum-Biotop-Retten einig. „Das Gelände liegt quasi in der dritten Reihe“, berichtet Frank Parting von Emmelsum-Biotop-Retten! „Es muss ein Gleis vom Hafen zur Halle gelegt werden. Wer bezahlt das?“, fragt er. Parting blickt zurück: Im Mai 2012 meldete die Aluminiumhütte Voerdal Insolvenz an, die Insolvenzverwaltung übernahm der Düsseldorfer Fachanwalt Dr. Frank Kebekus. Zwei Jahre lang sei nichts geschehen. Im Mai 2014 übernahm die Essener Firma Trimet die insolvente Alu-Hütte – auf das Grundstück, das ursprünglich für eine Werkserweiterung vorgesehen war und auf dem der umstrittene Logistikpark entstehen soll, verzichtete man. Im selben Jahr habe Greenfield Interesse signalisiert, die noch freien Bauflächen auf dem ehemaligen Voerdal-Gelände entwickeln zu wollen, und seine Planungen im Aussschuss für Liegenschaften 2015 vorgestellt. Damals habe die Firma Mitte des Jahres 2015 bauen wollen. Nichts sei geschehen, sagt Parting.

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2019 bewarb Greenfield das Areal erstmals auf der Expo München mit 20.000 bis 60.000 qm Größe. Die Hafenaffinität sei nicht erwähnt worden, resümiert Parting. Auch als Greenfield das Projekt im März 2022 in Voerde vorstellte, sei von Hafenaffinität noch keine Rede gewesen. Allerdings habe sich die Größe auf 80.000 qm gesteigert, für die Expo 2022 bewarb Greenfield das Gelände mit 50.000 qm, im November dann das verkleinerte Projekt – für Frank Parting klingt dies alles nicht sehr vertrauenserweckend. „Wenn das Gelände so wertvoll ist, warum hat man es nicht längt bebaut?“ fragt er sich.

Die BIG und die Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten!“ haben weitere ungeklärte Fragen: Woraus bemisst sich die Wertschöpfung, die Bürgermeister Dirk Haarmann immer anpreise? Für die Gewerbesteuerberechnung fehlten noch Berechnungsgrundlagen. Wie sehe es mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen und den Kosten für eine Infrastruktur aus? Wer zahle letztendlich für die Infrastruktur? Was ist mit der massiven Umweltzerstörung und ihren Auswirkungen auf die kommenden Generationen?

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„Die Aufzählung lässt sich fortsetzen“, sagt Parting. Weitere Anmerkungen der Gegner des Logistikparks: Was wird aus dem Gelände und den Hallen, wenn die Logistikbranche eines Tagen nicht mehr benötigt wird? Warum plane man immer nur kurzfristig, ohne das komplette Ganze zu betrachten, vor allem auch die klimatischen Bedingungen, die die Schifffahrt auf dem Rhein immer unsicherer machten? Die Verladung auf die Schienen berge ebenfalls Risiken, niemand kümmere sich darum, was in den Containern transportiert würde.

Wie passten der zunehmende Güterverkehr auf der Schiene und der gewünschte Personenverkehr auf der Spellener Bahn zusammen, der auf der Strecke reaktiviert werden soll? Die Initiative Emmelsum-Biotop-Retten! hat aufgrund der aus ihrer Sicht zahlreichen Ungereimtheiten im Bereich Grundstücksveräußerung und den nicht geklärten Fragestellungen eine auf Planungs-, Verwaltungs- und Umweltrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei beauftragt.

CDU wartet auf Antwort

Auch die CDU-Fraktion zeigt sich ob der Terminplanung der Firma Greenfield erstaunt. Bürgermeister Dirk Haarmann habe im NRZ-Interview zum Jahreswechsel darauf hingewiesen, dass der Eigentümer das Recht habe, die Fläche ohne naturschutzrechtlichen Ausgleich zu räumen und gewerblich zu nutzen. Denn diese Flächen lägen in einem rechtskräftigen Gewerbe- und Industriegebiet. Dennoch habe man im Stadtrat die Frage gestellt, ob die Flächen so einfach ohne Änderung eines Bebauungsplanes schon jetzt bebaut werden könnten. Die Antwort dazu stehe noch aus, sagt CDU-Fraktionschef Ingo Hülser. Außerdem sage der alte Bebauungsplan 39 aus, dass die Fläche des Alu-Werkes nur unter bestimmten Bedingungen zu erweitern sei. Auch hier müssten Gutachten über die Umwelt-Einflüsse des früheren Alu-Werkes erstellt werden. Dies sei aber noch nicht geschehen. Für die CDU-Fraktion seien noch viele Fragen offen. (mit P.K.)