Dinslaken. 2022 war das erste Jahr, in dem volle Reihen bei Veranstaltungen in Dinslaken wieder erlaubt waren. Ein Rückblick auf ein Jahr der Aufbauarbeit

2022: das Jahr der sich leerenden Kühlschränke. Nein, gemeint sind nicht die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mit der einhergehenden Energiekrise und der Inflation. Gemeint sind keine leeren Kühlschrankfächer, sondern sich leerende Kühlschranktüren. Und dies gehörte zu den wenigen erfreulichen Dingen 2022. Zum ersten Mal seit dem Beginn der Coronapandemie, mit der ab März 2020 die Kulturbranche – seien es die Profis gewesen oder die vielen kulturbegeisterten Ehrenamtlichen – zur Untätigkeit gezwungen wurde, durften im vergangenen Jahr Veranstaltungen aller Art wieder ohne größere Einschränkungen stattfinden. Und das sorgte dafür, dass Eintrittskarten für zum Teil mehrfach verschobene Konzerte, die teils über drei Jahre mit Magneten an eben jenen Kühlschranktüren hingen, endlich eingelöst werden konnten. Das prominenteste Beispiel dafür in Dinslaken war das Fantastival. Die schon Ende 2019 ausverkauften Konzerte von Max Giesinger und Gentleman konnten endlich stattfinden, mit Jethro Tull erlebte das Burgtheater eine echte Rocklegende, Max Mutzke sang, BAP überzog zur Freude aller und Kasalla feierten bei immer noch über 30 Grad nachts um 22.30 Uhr Dinslaken als „Stadt mit D“.

Ein paar Wochen später sagte die Kölner Band ihre geplante Herbsttour wegen des nur schleppenden Vorverkaufs ab. Denn als die Kühlschränke leer waren, blieben auch viele Konzerthallen wieder leer. Pandemieangst, Inflation, Unsicherheit. Die große Befürchtung, dass das Publikum nach Corona nur schwer wieder für Liveveranstaltungen zu begeistern sei, erfüllte sich über weite Strecken. Auch in Dinslaken, wo sowohl bei der Sommerkultur im Burgtheater als auch beim Kabarett im Dachstudio mancherlei Erwartungen nicht erfüllt wurden, was wirklich in keiner Weise mit der Qualität des Gebotenen zu erklären war.

Das Publikum ist den Chören und Ensembles treu geblieben

Was aber lockte die hiesigen Veranstaltungsgänger? Drei große Trends zeichneten sich ab. Da waren erst einmal die Chöre und Ensembles. Ihr Publikum ist ihnen treu geblieben, sorgte für überaus erfreuliche Besucherzahlen. Bach-Chor, Madrigalchor und Kammerorchester konnten endlich ihr anspruchsvolles Gedenkkonzert „Frieden auf Erden“ in St. Vincentius nachholen. Der Shanty Chor feierte nicht nur sein 20-jähriges Bestehen mit einem rauschenden Konzert und Dudelsackklängen der Rhine-Area Pipes & Drums, er blickte weit zurück und stellte damit Weichen für die Zukunft. Dank seines Engagements darf sich Dinslaken rechtzeitig zum Stadtjubiläum 2023 wieder Hansestadt nennen. Das collegium musicum hiesfeld feierte 50+1 in der sehr gut besuchten Kathrin-Türks-Halle, das Akkordeon-Orchester Dinslaken/Oberhausen 1980 begrüßte dort das exzellente Deventer Vocaal Ensemble in einem beeindruckenden Konzert. Während sich die musisch Aktiven in Dinslaken, Voerde und Hünxe mit ihren Konzerten den Platz im Kulturleben zurückeroberten, würdigte Voerde seine Spellener Chöre mit dem Heimatpreis, Dinslaken zeichnete Birgit Heinrich-Uhlig, die Freilicht AG und Käthi Klein aus.

25 Jahre Jazz-Initiative

Die Jazz Initiative feierte ihr 25-jähriges Bestehen. Mit Bergmannschor und regionalen AllStars, mit Mitgliedern der WDR Big Band und mit einem der ganz großen Highlights im Burgtheater. Wer die Funklegende und den ehemaligen James-Brown-Posaunisten Fred Wesley verpasst hat, ist es selber schuld gewesen. Fettere und präzisere Bläsersätze wird’s im „House“ wohl nicht mehr geben.

Klassik in der Tiefgarage und im Kinderkonzert (Volker Bellingröhrs Papagei von Papa Haydn kriegt man wahrscheinlich die nächsten zehn Jahre nicht mehr aus den Ohren). Classic Rock in der Sommerkultur. Die NRZ lud zwei glückliche Gewinner in den ehemaligen Beleuchterturm ein, den die Din-Event mit viel Liebe zum Detail in eine schicke Lounge verwandelt hat. Die Din-Event kam auch ihrer Liebe zu Artistik und Varieté nach. Mit kleinen, feinen Veranstaltungen open air auf dem Altmarkt und auf der Wiese des Voswinckelshofs im Sommer und mit dem „Wintermezzo“ zwischen Weihnachten und Neujahr in der Kathrin-Türks-Halle.

Nachmachen ist bei artistischen Leistungen nicht angesagt. Bei Konzerten jedoch gilt nun: Mitmachen. Möchte die neue Interaktivität das Publikum, das mit Live-Streams nie richtig warm wurde, oder sind es die Musiker selbst, die sich freuen, endlich wieder die Reaktion des Publikums zu spüren? Es ist wohl beides. Ein erfolgreiches Konzert 2022 erkannte man geradezu daran, dass die Zuschauer von Anfang an aufgefordert wurden, Mitsinger zu sein.

Und die lokalen Akteure?

Gilt das Dabeisein auch für die lokalen Akteure? Ihr Engagement war bei den zahlreichen Workshops zum Kulturentwicklungsplan 2030 gefragt, es stellte sich aber bei manchen von ihnen das Gefühl ein, das gelte nicht für ihre Präsens auf den Dinslakener Bühnen. Auch wenn mit Thekentratsch, Twenty Summers Left und Galahad Dinslakener Acts im Burgtheater auftraten, auch wenn mit dem SYLS und dem Benefiz-Festival der Diakonie in der Zechenwerkstatt auch wieder ein Forum für Rockbands geboten wurde.

Wer also waren die Gewinner des Jahres? Es waren jene, die dem Publikum die Nähe vermitteln konnten, auf die es während der Pandemie verzichten mussten. „Alte Bekannte“-Typen vom Schlage Sträter, Krebs oder La Signora. Die festen Größen, die Corona überstanden haben, vom Ruhrpott-Rodeo bis zum Klavier Festival auf Schloss Gartrop, von der Burghofbühne bis zu den Kirchenkonzerten. Aber eines ist allen zu wünschen: Dass die Kühlschränke wieder voll werden. Mit Eintrittskarten, die gekauft werden, eingelöst und abgelöst für neue für das nächste Liveerlebnis 2023.

So geht es weiter

Mit Zaz und Michael Schulte stehen die ersten Highlights des Fantastivals fest.

Die Sommerkultur, die 2022 von Cosar über Egli und von Helge Schneider bis Verdis „Nabucco“ für jeden Geschmack etwas bot, wird es von August bis September wieder geben.

Die Jazz Initiative Dinslaken beginnt ihre neue Abo-Reihe bereits am 27. Januar.