Voerde. Seit längerem fordert das Ehepaar Koshofer ein öffentliches Behinderten-WC in der Voerder Innenstadt. Bürgermeister Haarmann dämpft Erwartungen.

Die Koshofers lassen nicht locker. Wann immer sich ihnen die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Chef der Stadtverwaltung bietet, weist das Ehepaar auf einen aus seiner Sicht bestehenden Missstand hin: das fehlende öffentliche Behinderten-WC in der Innenstadt, das zu jeder Zeit zugänglich ist. Vor einem Jahr, als Bürgermeister Dirk Haarmann im Kommunalwahlkampf bei der SPD-Radtour Möllen ansteuerte, sprach Lieselotte Koshofer ihn auf das Manko an. Zuletzt wurde er bei seiner diesjährigen Sprechstunde vor Ort erneut an das Anliegen erinnert. Lieselotte Koshofer ist seit einigen Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Weil es in der Voerder Innenstadt keine behindertengerechte öffentliche Toilette gibt, die unabhängig von Öffnungszeiten der jeweiligen Lokalität zur Verfügung steht, sieht sie sich der Möglichkeit beraubt, am sozialen Leben teilzunehmen.

Positiver Blick auf die Nachbarstadt Dinslaken

Dazu gehörten vor der Pandemie Veranstaltungen wie die RheinZeit auf dem Rathausplatz: Wenn das Café Ernstings Flair am späteren Abend die Türen schloss, konnte Liselotte Koshofer während der Veranstaltungen nicht mehr zu der behindertengerechten Toilette in dem Gebäude gelangen. Die in der Vergangenheit bei Festivitäten aufgestellten Toilettenwagen konnte sie wegen der Stufen und der räumlichen Enge nicht nutzen. Für ihren Mann Jürgen steht das fehlende Angebot in einem Widerspruch dazu, dass in Voerde „ein Altenheim nach dem anderen gebaut“ werde. Auch verweist er auf den Wunsch der Stadt, das Zentrum zu beleben.

Anders stellt sich für die Koshofers die Situation in Dinslaken dar. Dort hätten sie vor etwa zwei Wochen ein Konzert im Burgtheater besucht. Außerhalb der Veranstaltungsstätte gibt es eine öffentliche Behinderten-Toilette, die über einen Euro-WC-Schlüssel genutzt werden kann. Eine solche Anlage gibt es in der Dinslakener City an mehreren Stellen, wie Jürgen Koshofer berichtet. Nur wer den Schlüssel besitzt, hat Zugang zu dem öffentlichen behindertengerechten WC. Einen Anspruch darauf hat ein eingeschränkter Kreis von Personen.

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Jürgen Koshofer verweist im Gespräch mit der NRZ auf die frühere Existenz eines Behinderten-WCs in der Voerder Innenstadt im Bereich des heutigen Durchgangs vom Rathausplatz zur Bahnhofstraße neben Sparkasse und Bäckerei. Der Bürgermeister stellt dazu fest, dass diese Toilette als WC für die Marktmeister deklariert gewesen und von ihnen regelmäßig an Markttagen aufgeschlossen worden sei. Dieses Toilettenhäuschen sei 2005 im Zuge der Errichtung des neuen Gebäudes (Sparkasse, Bäckerei, Architekturbüro) entfernt worden, weil kein expliziter Bedarf mehr bestanden habe.

Bürgermeister verweist unter anderem auf Behinderten-WC im Rathaus

Haarmann erklärt, dass während der Marktzeiten das Rathaus geöffnet ist und dort auch ein behindertengerechtes WC zur Verfügung steht. Ein weiterer Grund für die Aufgabe des Toilettenhäuschens sei der schlechte bauliche Zustand gewesen. Den Recherchen im Rathaus zufolge habe am Marktplatz in Voerde nie ein behindertengerechtes WC existiert. Das dortige Geschäfts- und Wohnhaus wäre auch für einen barrierefreien Zugang zu klein gewesen, sagt Haarmann.

Angesichts der bereits laufenden und der geplanten Neubauarbeiten an dem Gebäudekomplex stellt sich die Frage, ob dort eine jederzeit zugängliche öffentliche Behinderten-Toilette vorgesehen ist. Der damalige Erste und Technische Beigeordnete Wilfried Limke hatte dies vor drei Jahren gegenüber der NRZ als beste Lösung genannt. Zu dem Gebäudeteil auf der Südseite erklärt Bürgermeister Haarmann, dass auf der Grundlage der Landesbauordnung zum 1. Januar 2019 im Jobcenter und im Penny-Markt Behindertentoiletten, die während der Öffnungszeiten genutzt werden können, mit eingeplant und genehmigt worden seien. Diese müssten auch von den Betrieben vorgehalten werden, die künftig in dem auf der Westzeile geplanten Neubau angesiedelt sein werden. Dort soll nach dem Abriss des Bestandsgebäudes ein neues Geschäfts- und Wohnhaus entstehen. Im Erdgeschoss soll Platz für Gewerbe sein – gewünscht ist auch ein gastronomisches Angebot.

Die konkreten Planungen dafür stünden noch an, bisher lägen ja lediglich Entwurfsplanungen vor, sagt Haarmann. Mit Blick auf die Bereitstellung einer durchgängig zugänglichen öffentlichen Behinderten-Toilette, zu der die Stadt nicht verpflichtet sei, kündigt er an: „Wir werden die Frage einer über die Öffnungszeiten hinaus gehenden Nutzbarkeit dort besprechen.“ Zugleich bremst er jedoch die Erwartungen. „Im Zuge einer Abwägung sollte berücksichtigt werden, dass üblicherweise ein Bedarf an Toiletten in Frequenzzeiten, also während der regulären Öffnungszeiten wochentags und an Wochenenden und Feiertagen sowie bei Festveranstaltungen bestehen wird. Außerhalb dieser Zeiten dürfte eine Nachfrage gegen Null tendieren.“

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Dem „gerechtfertigten Bedarf“ an einem behindertengerechten WC bei Veranstaltungen auf dem Marktplatz komme die Stadt mit einer entsprechenden Forderung nach, sagt Haarmann. Außerhalb von Festivitäten sei durch bereits vorhandene sowie durch zukünftig zusätzliche Behinderten-WC „grundsätzlich ein ausreichendes Angebot für alle Bevölkerungsgruppen vorhanden“. Inwieweit darüber hinaus ein 24 Stunden nutzbares Angebot vorgehalten werden soll, müsste seiner Auffassung nach vor dem Hintergrund der üblichen und in Zukunft zu erwartenden Frequenz des Platzes beziehungsweise Zentrums abgewogen und politisch entschieden werden.