Dinslaken. In Dinslaken standen schon vor Corona viele Läden leer. Die Stadt fürchtet, dass das noch schlimmer wird. Hier sind auch Eigentümer gefragt.

Esprit: geschlossen. Bröker: verlassen. Sonnen-Apotheke: seit Jahren verklebt. Auch der Kornbäcker hat im Lockdown nach vielen Jahren in Dinslaken aufgegeben. Und das war nur die Neustraße, die Einkaufsstraße in der City. An der Hünxer Straße im Bereich der Innenstadt sind die vermieteten Ladenlokale schneller aufgezählt als die leerstehenden. 2019 standen etwa zwölf Prozent der Ladenflächen in der Innenstadt leer. Schon damals ein alarmierender Wert. Dann kam Corona. Wie hoch der Leerstand aktuell ist und was dagegen unternommen werden kann – das will die Stadt nun im Rahmen eines „Masterplans Innenstadt“ ermitteln.

Die städtische Wirtschaftsförderung hat das Gutachten im Dezember beim Dortmunder Stadtplanungsbüro „Stadt + Handel“ in Auftrag gegeben. Der Masterplan „zielt darauf ab, Entwicklungsperspektiven für die langfristige Aufstellung der Innenstadt zu geben“, so Stadtsprecher Marcel Sturm – und zwar „differenziert nach Aufgaben für die verschiedenen Akteure einer Innenstadt“ – also Stadt, Gewerbetreibende, Eigentümer, Werbegemeinschaften.

Das Büro erstellt derzeit eine Nutzungskartierung, die Aufschluss über Branchenmix, Verkaufsflächen und Leerstände in der City und Hiesfeld liefern soll. Zuletzt wurden diese Daten 2012 erhoben – noch vor dem Bau der Neutor-Galerie. Die Ergebnisse werden im Frühsommer erwartet, die Erhebung könne erst nach dem Lockdown vervollständigt werden, so Sturm.

Das sind die Probleme

Viele Ladenzuschnitte und Schaufenster entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand.
Viele Ladenzuschnitte und Schaufenster entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Viele Geschäftsschließungen der vergangenen Jahre hingen, so Sturm „mit Insolvenzen oder der Schieflage nationaler Handelsunternehmen zusammen“. Steilmann, Apanage, Esprit oder Bonita etwa. Diese Leerstände seien „dem generellen strukturellen Wandel im Einzelhandel“ geschuldet und „weniger der Standortqualität der Innenstadt.“

Allerdings befürchtet die Stadt, „dass sich diese Entwicklungen mit der aktuellen schwierigen Lage im Textil- und Schuheinzelhandel durch den Lockdown und die begleitenden Zuwächse im Onlinehandel wahrscheinlich noch verschärfen werden.“

Einige Händler in der Innenstadt haben angesichts des verlängerten Lockdowns Hilferufe in Plakatform an ihre Schaufenster gehängt: „Wir gehen mit …. unter“ heißt es etwa auf einem Poster bei Gerry Weber. „Wir machen auf …merksam“ steht trotzig an der Scheibe von Boogen. „Wir Händler sind alle sehr frustriert“, gibt Laura Böninger von „La Chambre Belle“ die Empfindungen wieder.

Außerdem schreit auch der Zustand mancher Immobilien nicht gerade nach neuen Mietern. Und das betrifft nicht nur Größe, Zuschnitt und Schaufenster der Ladenlokale, die „teilweise nicht mit den Anforderungen möglicher Interessen zusammenpassen oder in Teilen auch nicht mehr marktgängig sind“, so Sturm. Sondern auch einzelne Fassaden und obere Geschosse im Bereich der Neustraße sind überholungsbedürftig, teils scheinen Etagen ungenutzt.

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In der Innenstadt müssten bei „einzelnen der vorhandenen Leerstände umfangreiche Investitionen ins Auge gefasst werden, um wieder neue Mieter zu finden“, sagt Marcel Sturm. Dem gegenüber stehen mitunter unvereinbare Mietvorstellungen. An der Hünxer Straße, wo ganze Immobilien seit Jahren leer stehen, haben sich einzelne Nachbarn bereits über Ratten beklagt.

Das unternimmt die Stadt

Die Wirtschaftsförderung sei mit allen Eigentümern von Leerständen im Austausch, vermittele Interessenten, berate zu „lokalen Mietpreisverhältnissen oder Rahmenbedingungen mittelstädtischer Innenstädte“, so Marcel Sturm. Der Zustand der oberen Etagen der Immobilien sei Privatangelegenheit der Eigentümer. Zum Teil würden Obergeschosse leerstehender Gewerbeeinheiten als Wohnung oder Büro genutzt. „Bei Kenntnis von schlechten Zuständen, die eine Vermietung der oberen Etagen erschweren, ist es von Seiten der Wirtschaftsförderung nur möglich, Hinweise für Maßnahmen zu geben und zu sensibilisieren, dass eine Sanierung entsprechender Flächen für eine Neuvermietung zielführender ist“, so Sturm. Dabei sei „Überzeugungsarbeit gefragt“.

Die leerstehenden Ladenlokale auf der Hünxer Straße sind meist in schlechtem Zustand.
Die leerstehenden Ladenlokale auf der Hünxer Straße sind meist in schlechtem Zustand. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die leerstehenden Lokale an der Hünxer Straße „befinden sich überwiegend in einem schlechten bis sehr schlechten Vermietungszustand“, so Sturm, worunter „das gesamte Erscheinungsbild“ leide. Der Standort sei kaum nachgefragt, Angebote würden „meist abgelehnt“ – auch von öffentlichen Einrichtungen oder sozialen Trägern. Auch die Parkplatzsituation sei „schwierig“.

Zum Teil seien die Eigentümer bereit, die Objekte zu sanieren, wenn es Mietabsichten gebe. Die Wirtschaftsförderung versuche, „auch bei Begehungen vor Ort, die Eigentümer zu überzeugen, die Immobilien von außen zumindest optisch anschaubar zu halten“, so Sturm. Die Stadt berate auch zu Umwandlungen nicht genutzter Lokale etwa in barrierefreie Wohnräume.

Derzeit werde zudem ein Sofortprogramm zur Stärkung der Innenstädte geprüft, das als Reaktion auf den Lockdown initiiert wurde und die vorübergehende, befristete Anmietung leerstehender Ladenlokale durch die Stadt Dinslaken fördern könnte.

Und nach dem Lockdown?

Verkaufsoffene Sonntage, Stadtfeste und Events wie Streetfood-Festivals wurden bislang genutzt, um Menschen in die Innenstadt zu locken. Große Veranstaltungen könnten aber „vor dem Corona-Hintergrund noch problematisch sein“, so Marcel Sturm.

>>Hintergrund: Ungewisse Zukunft des Hof- und Fassadenprogramms

Im Januar hat die Stadt mit den Werbegemeinschaften und einzelnen Gewerbetreibenden erste Gespräche darüber geführt, wie der Neustart begleitet werden könnte. Gemeinsam will man „kleinere Maßnahmen umzusetzen, die eine hohe Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erzeugen und einen angenehmen Rahmen bei dem Besuch der Innenstadt schaffen“, so Sturm. „Wichtige Botschaft dabei ist: Die Innenstadt hat wieder geöffnet und freut sich auf die Besucher.“

Im Rahmen des Hof- und Fassadenprogramms hat die Stadt seit 2011 insgesamt 40 Förderanträge bewilligt. In den vergangenen zwei Jahren wurden sieben Maßnahmen gefördert, so Stadtsprecher Sturm. Dabei handelte es sich in den meisten Fällen um Fassadensanierungen. 2019 und 2020 wurden rund 160.000 Euro investiert, der Zuschuss betrug 26.000 Euro, der städtische Eigenanteil 8000 Euro. Derzeit ist das Hof- und Fassadenprogramm ausgesetzt, „da der Stadt von Seiten der Bezirksregierung noch keine Antwort vorliegt, ob das Programm über das Jahr 2020 weitergeführt wird“, so Sturm. Mit einer Entscheidung wird bis Sommer gerechnet. Für die Hünxer Straße sei das Programm allerdings ohnehin nicht ausgelegt.