Dinslaken/Voerde/Hünxe. Immer wieder geht in Coronazeiten das Land mit kurzfristigen Neuerungen für Schulen an die Öffentlichkeit. Die Schulleiter ärgert das Vorgehen.
Die Nachricht, dass das Schulleben in NRW ab Montag coronabedingt umgekrempelt wird, sickerte am Freitagmittag, wie schon so oft, zuerst in der Öffentlichkeit durch und erreichte erst dann auch die Schulen: Die Präsenzpflicht ab Klasse 8 wird ausgesetzt, alle betroffenen Schüler werden in der kommenden Woche digital unterrichtet.
Für die Klassen 1 bis 7 gelten andere Regeln: Hier können die Eltern einmalig entscheiden, ob sie ihr Kind weiterhin zur Schule schicken wollen oder es ebenfalls in den Distanzunterricht schicken. Das gilt auch für den 7. und 8. Januar 2021.
Scharfe Kritik an Kommunikationsweise der Politik
Die Schulleiter in Dinslaken, Voerde und Hünxe begrüßen diese Entscheidungen zwar größtenteils, üben aber vor allem an der Kommunikationsweise der Politik scharfe Kritik. Die Ankündigung habe die Schulen „erneut viel zu spät und mal wieder ohne Vorlauf“ erreicht, sagt beispielsweise Hans-Ulrich Wangerin, Leiter der Ernst-Barlach-Gesamtschule (EBGS). „Das stellt uns vor ganz große logistische Probleme, weil wir am Freitag ja nicht mal mehr die Möglichkeit hatten, uns im Kollegium abzustimmen. Wir konnten auch nicht mehr mit den Schülern sprechen und sie bitten, ihre Materialien mit nach Hause zu nehmen“, erklärt er. Das alles setze nicht nur die Schulen „ungeheuer unter Stress“, sondern stelle auch die Elternhäuser, die sich nun kurzfristig neu organisieren müssten, „vor große Not“. „Die gesamte Schullogistik wird von jetzt auf gleich den Eltern und Schulen aufgebürdet“, kritisiert Wangerin.
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Das Aussetzen des Präsenzunterrichtes zum jetzigen Zeitpunkt kann Wangerin aus zwei Gründen nicht verstehen. „Man hat uns auch diese Woche die ganze Zeit im Glauben gelassen, dass wir die nächste Woche noch Präsenzunterricht haben werden“, führt er an. „Und die Regierung hat immer wieder betont, dass Schulen keine Infektionsherde sind. Die nun getroffenen Entscheidungen stehen im Widerspruch dazu.“ Gewünscht hätte sich der EBGS-Leiter mehr Gestaltungsfreiheit an jeder einzelnen Schule, und das nicht erst jetzt, sondern schon frühzeitig. „Wir haben doch die Kompetenzen. Schule machen ist unser Job, wir wissen viel besser als das Ministerium, was unseren Schülern gut tut.“
Schulleiterin ist „sehr enttäuscht über die Kurzfristigkeit“
Auch Daniela Gottwald, Leiterin der Gesamtschule Hiesfeld, ist „sehr enttäuscht über die Kurzfristigkeit“. Sie habe glücklicherweise am Freitag zwar keinen Unterricht gehabt und konnte so „noch schnell einen Brief aufsetzen, um die Eltern zu informieren. Aber ich weiß trotzdem nicht, welche Kinder am Montag zur Schule kommen und welche von zu Hause aus beschult werden.“ Der Unterricht in der nächsten Woche werde nach Stundenplan verlaufen. Das sei „schon machbar“..
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Astrid Weidler, Leiterin am Otto-Hahn-Gymnasium (OHG), hätte es „sinnig“ gefunden, den Kommunen als Schulträgern in der jetzigen Situation „mehr Entscheidungsfreiheit“ zu geben. „Mir fehlt in Düsseldorf einfach die Fantasie dafür, im Einzelfall zu gucken – denn wir haben ein Konzept. Man muss einfach anfangen, nach Schulformen zu unterscheiden und individueller zu gucken.“ Beim Gespräch mit der NRZ, das bereits stattfand, während die Regierungsvertreter an die Öffentlichkeit traten, hatte Weidler bereits angekündigt, dass sie die Schüler mittels Durchsage präventiv darum bitten werde, alle Materialien mit nach Hause zu nehmen.
„Dann müssen wir jetzt eben zweigleisig fahren“, sagt eine Grundschulleiterin
„Am THG ist in der kommenden Woche Distanzunterricht der Regelfall“, erklärt Thomas Nett, Leiter des Theodor-Heuss-Gymnasiums. „Die Lehrkräfte und Schüler am THG sind mit Distanzunterricht vertraut und daher gut vorbereitet. Wir haben in den letzten Monaten die nötige Infrastruktur aufgebaut und verfügen durch das Dalton-Konzept über weitreichende Erfahrungen mit eigenverantwortlichem Arbeiten. Daher schauen wir mit viel Gelassenheit auf die Entscheidung der Landesregierung“, führt er aus. Dennoch sagt auch er bezogen auf die Kurzfristigkeit: „Das Hin und Her ist ärgerlich, das hätte ich Schülern und Eltern gern erspart.“
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„Dann müssen wir jetzt eben zweigleisig fahren“, sagt Andrea Köppen, Leiterin der Bruchschule. „Wir haben in den vergangenen Monaten so viel Flexibilität zeigen müssen. Also finden wir auch da einen Weg.“ Eine gewisse Verärgerung ist ihren Worten dennoch zu entnehmen. „Dass wir so etwas immer wieder aus der Presse erfahren, das raubt einfach Kraft“, erklärt sie. Es sei wieder einmal so kurzfristig kommuniziert worden, dass man weder mit den Kollegen noch mit den Schülern habe sprechen können. „Wir müssen jetzt irgendwie den Bedarf abfragen und werden dann spätestens am Montag sehen, welche Schüler kommen und welche zu Hause bleiben“, sagt Köppen. Die Neuerung an sich hält auch sie „prinzipiell für konsequent. Aber ich glaube, dass man das auch schon früher hätte machen können und sollen.“
„Entscheidung war überfällig und absolut notwendig“
„Ich kann die Entscheidung des Landes nur begrüßen. Und das aus vollem Herzen. Auch weil unsere Schule derzeit sehr betroffen von Corona ist“, sagt Ursula Reinartz, Leiterin der Comenius-Gesamtschule (CGE) Voerde, und betont: „Die Gesundheit ist das Allerwichtigste.“ Natürlich bringe die kurzfristige Neuerung „Organisationsprobleme“ mit – unter anderem im Bezug auf angesetzte Klausuren – „aber wir haben schon Ideen und finden eine Lösung. Alles was da nun organisatorisch dran hängt, ist zu bewältigen. Es wird kein Problem sein, den Unterricht ab Montag digital durchzuführen: Wir sind gut aufgestellt und finden für jeden Schüler eine Lösung.“
„Diese Entscheidung jetzt war überfällig. Und angesichts der dynamischen Entwicklung auch absolut notwendig“, sagt Klaus Ginter, Leiter der Gesamtschule Hünxe. Hätte die Regierung, so wie in der Woche mehrfach diskutiert, erst nach Weihnachten härtere Maßnahmen ergriffen, „dann wäre das eine absolut untaugliche Nummer geworden“, findet er.
Die Kommunikation des Landes hingegen sei erneut eine „absolute Katastrophe“ gewesen. „Wir haben zwar Kommunikationsstrukturen zu Schülern und Eltern und können diese über E-Mail oder Telefon erreichen, aber die mentale Belastung, die den Schülern derzeit auch anzumerken ist, die hätten wir besser auffangen und begleiten können, wenn die Informationen uns nicht erst Freitagmittag erreicht hätten“, bedauert Ginter.