An Rhein und Ruhr. NRW hebt die Präsenzpflicht in Schulen auf. Elternvertreter warnen vor den Folgen. Für Kinder und Eltern stehe eine erneute Belastungsprobe an.

Nun also doch: Ab kommenden Montag hebt Nordrhein-Westfalen die Präsenzpflicht in Schulen auf. Schüler der unteren Jahrgangsstufen können und sollen dann von zuhause aus am Unterricht teilnehmen, ältere Schüler ab Klasse acht werden auf Distanz unterrichtet. Die Schulferien werden um zwei Tage verlängert. Aber was sagen Elternvertreter zu der neuen Corona-Regelung? Wir haben uns in der Region umgehört.

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Andrea Heck, Landesvorsitzende des Elternvereins NRW, kann die Entscheidung der Landesregierung nicht nachvollziehen. Bereits während des ersten Lockdowns seien die Probleme des Heimunterrichts sichtbar geworden. „Schüler brauchen nicht nur die technischen Geräte“, sagt Heck. „Sondern auch einen Erwachsenen, der sie anleitet.“ Doch nicht in jeder Familie sei immer ein Elternteil da, der sich um die Schüler kümmert. Insbesondere für Grundschulkinder sei es eine „Katastrophe“, falls sie ohne Betreuung ihre Schulaufgaben erledigen müssen.

„Schon jetzt fällt extrem viel Unterricht aus“

Auch Sebastian Witzmann, Elternpflegschaftsvorsitzender des Lessing-Gymnasiums in Düsseldorf, warnt vor einem „verlorenen Schuljahr“: „Schon jetzt fällt extrem viel Unterricht aus, weil Lehrer krank sind oder in Quarantäne bleiben müssen.“ Seine Tochter habe die gesamte Woche pro Tag nur eine Stunde Unterricht gehabt. „Wir haben definitiv einen Schaden für die Kinder“, so Witzmann. Heck schätzt, dass die Schüler in NRW seit Ausbruch der Corona-Pandemie Lernstoff von mehr als einem Quartal versäumt haben. Inhalte, die auch ohne Lockdown kaum aufgearbeitet werden könnten.

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Trotzdem sei die Aufhebung des Präsenzunterrichts die richtige Entscheidung, meint Witzmann: „Ich habe zu 100 Prozent Verständnis“, sagt der Elternpflegschaftsvorsitzende. „Aber wir müssen auch die Konsequenzen tragen.“ Er hoffe, dass sich Firmen nachsichtig zeigen, falls Eltern wegen fehlender Betreuungsalternativen lieber von zuhause aus arbeiten möchten. „Es befinden sich ja ohnehin schon viele Arbeitnehmer im Homeoffice.“ Eltern dürften auf keinen Fall in eine Situation kommen, in der sie den Großeltern die Betreuung überlassen. „Das wäre absolut kontraproduktiv“, meint Witzmann.

Eltern droht erneut eine doppelte Belastung

Doch genau dazu könne es laut Heck in einigen Familien kommen. „Die Arbeitgeber werden bestimmt an der ein oder anderen Stelle nachgeben müssen. Aber das ist keine echte Lösung“, sagt die Landesvorsitzende des Elternvereins NRW. Selbst wenn Eltern von zuhause aus arbeiten können, sei das Problem damit noch lange nicht aus der Welt. „Die Eltern haben dann wie bereits im ersten Lockdown die doppelte Belastung.“

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Witzmann sieht auch an anderer Stelle Nachholbedarf: „Warum gibt es keine Unterrichtsangebote vom Land?“ Das Schulministerium hätte den Schulträgern in der Corona-Pandemie deutlich unter die Arme greifen können, meint Witzmann. Stattdessen werde diese inhaltliche Lücke von privaten Anbietern übernommen. „Nicht jeder kann sich einen Abi-Onlinetrainer für 400 Euro leisten.“