Dinslaken. Sabrina Malischnigg ist Altenpflegerin im Krankenhaus. Den Corona-Bonus bekommt sie aber nicht. Der ist nur Seniorenheime und ambulante Pflege.

Erinnern Sie sich noch an dieses Foto in der NRZ: Mit Schutzmasken im Gesicht und Papptafeln in den Händen standen Pfleger des St. Vinzenz-Hospitals vor der Intensivstation: „Wir bleiben für Euch hier. Bleibt Ihr für uns zuhause“ stand auf den Tafeln. Die Augen der Pflegerinnen und Pfleger lächelten über den Masken und die Herzen der Menschen flogen Beschäftigten in den Krankenhäusern zu – nicht nur auf Facebook, nicht nur in Dinslaken. In Berlin versprach Bundesgesundheitsminister Spahn den Helden der Corona-Krise einen Pflegebonus. Das war vor drei Monaten. Zu Beginn von Corona. Zu diesem Zeitpunkt hatte Altenpflegerin Sabrina Malischnigg gerade ihren Dienst im Vinzenz-Hospital angetreten. Ob es jemals ein Ende von Corona geben wird, weiß niemand so genau. Fest steht aber schon jetzt: Die Altenpfleger in Seniorenheimen bekommen den Bonus von bis zu 1500 Euro, ebenso die Altenpfleger im ambulanten Dienst. Die Pflegenden in den Krankenhäusern hingegen bekommen den Bonus nicht. Auch Sabrina Malischnigg nicht. Das hat der Bundestag so beschlossen. „Ich bin mehr als nur enttäuscht“, sagt sie, „als wäre meine Arbeit nicht gut genug.“

Vor Corona hat Sabrina Malischnigg im Seniorenheim gearbeitet

Bis Ende Februar hat die 35-Jährige als Wohnbereichsleitung in einer Senioren-Residenz in Dinslaken gearbeitet. Anfang März ist sie zum Vinzenz gewechselt. „Ich wollte dazulernen,“ sagt sie. Im Seniorenheim habe man häufig mit ähnlichen Krankheitsbildern, ähnlichen Medikamenten zu tun. „Die Herausforderung hat gefehlt.“ Die kam dann mit Corona.

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Auf der Corona-Akut-Station ist die Angst immer dabei

Sabrina Malischnigg arbeitete plötzlich nicht mehr auf der geriatrischen, sondern auf der Corona-Akutstation. Im roten Bereich, hinter den Sicherheitstüren. Dort, wo sich die Pflegenden für jeden Gang ins Patientenzimmer Schutzkleidung anlegen und draußen wieder ablegen müssen – fürs Essen bringen, Essen abholen, wenn jemand schellt, für die Pflege. Nur die Angst, die können sie nie so ganz ablegen. Natürlich, so sagt die 35-jährige Mutter, „hat man die Angst, sich anzustecken, gerade wenn man zuhause Familie hat.“ Oma, Opa, die Lebensgefährtin, der kleine Sohn. „Andererseits möchtest du auch da rein, weil du ja weißt: Der Mensch, der in dem Zimmer liegt, braucht deine Hilfe, dem geht es richtig schlecht.“ Wie groß müsse erst die Angst sein, plötzlich keine Luft mehr zu bekommen? „Wir haben im Prinzip jeden Tag unsere Gesundheit aufs Spiel gesetzt und riskiert, dass wir unsere Familien zuhause anstecken und sind trotzdem jeden Morgen aufgestanden und gerne hingegangen und haben den Menschen geholfen“.

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Mitbürger rücken ab - aus Angst vor Ansteckung

Dass die „Pflege auf einmal eine ganz systemrelevante Berufsgruppe“ war, hat Sabrina Malischnigg außerhalb des Krankenhauses nur daran gemerkt, dass ihr Sohn weiter die Kita besuchen durfte. Vom Applaus auf den Balkonen habe sie nur gelesen. Wenn die Beschäftigten des Krankenhauses in der Pause eben beim Bäcker um die Ecke Brötchen geholt hätten, hätten die Kunden Platz gemacht, die Bäckerei sogar verlassen. Aus Respekt? „Nein, aus Angst vor Ansteckung. Sie sind uns aus dem Weg gegangen.“

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„Egal in welchem Bereich, jeder hat 110 Prozent gegeben“

Alle Pflegenden hätten in dieser Zeit „am Limit“ gearbeitet: „Egal in welchem Bereich, jeder hat 110 Prozent gegeben“. Deswegen kann sie auch nicht verstehen, dass die Beschäftigten in den Kliniken von der Pflegeprämie ausgeschlossen werden. Ihr ist wichtig, dass die Bürger das wissen. „Für mich wird da Pflege mit zweierlei Maß gemessen. Ambulant bekommen sie die Prämie, in den Seniorenheimen auch, und uns Pflegekräften im Krankenhaus, egal ob Alten- oder Krankenpflegern, steht sie nicht zu?“ Sabrina Malischnigg fühlt sich als Pflegerin zweiter Klasse. „Ist meine Arbeit so viel schlechter als in der ambulanten Pflege oder im Seniorenheim?“, fragt sie und kann die Frage selbst beantworten. Denn ihre Partnerin ist Altenpflegerin in der ambulanten Pflege. Sie bekommt die Prämie.

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Plötzlich nicht mehr systemrelevant?

„Wir bleiben für Euch hier.“ Was auf den Papptafeln zu Beginn der Pandemie zu lesen war, gilt auch drei Monate danach. Dafür habe sich sonst einiges geändert: Die Menschen seien unvorsichtiger geworden. Und Sabrina Malischniggs Berufsstand scheine nicht mehr systemrelevant zu sein, meint sie. Als die Kita wieder für alle Kinder geöffnet wurde, seien allen pauschal zehn Betreuungsstunden gestrichen und die Bring- und Abholzeiten geändert worden.

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Deswegen muss die Oma, die ihr Sohn aus Angst vor der Übertragung des Virus wochenlang nicht sehen durfte, den Kleinen morgens in die Kita bringen. Sabrina Malischnigg ist dann schon arbeiten. Manchmal streicht ihr im Dienst einer der demenzkranken Patienten über den Arm. Oder knuddelt sie. Einfach so. Weil sie für sie da ist. „Ich liebe die Arbeit mit dementen Menschen“, sagt Sabrina Malischnigg: „Sie sind einfach ehrlich dankbar.“

Ingo Morell vom GFO-Klinikverbund fordert einen Bonus aus dem Rettungsschirm

Ingo Morell, Sprecher der Geschäftsführung des GFO-Klinikverbundes, zu dem auch das St. Vinzenz-Hospital gehört, hat sich bereits im April für einen steuerfinanzierten Bonus für sämtliche Pflegekräfte ausgesprochen.

„Viele Menschen innerhalb und außerhalb der Krankenhäuser stehen bei der Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen in der ersten Reihe. Es ist richtig, ihnen schnell und unbürokratisch einen Bonus für ihren engagierten Einsatz zu zahlen.“ Dafür sei eine „bundesweite Regelung notwendig. Die wirtschaftliche Situation der Kliniken sei aufgrund der Corona-Krise „enorm angespannt“. Deswegen fordert er dafür einen Schutzschirm der Bundesregierung.

Kliniken können ihn nicht selbst bezahlen

Für alle Pflegefachkräfte in den deutschen Krankenhäusern würde ein einmaliger Bonus von 1500 Euro mit knapp einer halben Milliarde Euro zu Buche schlagen, so Ingo Morell. „Die Kliniken können das nicht aus den laufenden Einnahmen bezahlen. Einfach, transparent und fair wäre es daher, die Bonuszahlung für das Krankenhauspersonal ebenfalls im Rahmen des Schutzschirms zu regeln und den Krankenhaus-Schutzschirm entsprechend weiter zu spannen.“

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren 2017 in den 1942 deutschen Krankenhäusern im Pflegedienst 328.327 Vollkräfte beschäftigt. Das Dinslakener St. Vinzenz-Hospital hat etwa 1000 Beschäftigte